CO2-Fasten für die Schöpfung

Von Burkhard Schäfers · 30.03.2013
Kein Fleisch, kein Alkohol, keine Süßigkeiten – für viele Christen endet mit dem Osterfest die 40-tägige Fastenzeit. Teilnehmer einer Aktion des Jesuitenordens haben mehr als einen Monat lang CO2 gefastet und Kohlendioxid eingespart. Für viele hat das eine religiöse Dimension.
Izai Amorim: "Das ist eine Zeit, in der ich sage: Okay, muss ich wirklich so viel fernsehen, so viel Auto fahren, so viel Fleisch essen? Es ist also nicht mehr dieses klassische Fasten, also Buße, aber es hat schon was mit dieser Einkehr, diesem Nachdenken zu tun."

Izai Amorim ist in seinem Element: Er spricht über Fleischkonsum, Wasserverbrauch und darüber, warum wir uns lieber berieseln lassen, als Freunde zu treffen. Der gebürtige Brasilianer hat die CO2-Fastenaktion ins Leben gerufen, jeden Samstag hat er den Teilnehmern eine E-Mail geschickt mit Tipps, wie sie auf CO2 verzichten können. Zum Beispiel: sich lokal und saisonal ernähren.

Amorim: "Aber was ist saisonal? Ich habe das ganze Jahr Tomaten im Supermarkt oder Auberginen. Dann gebe ich den Link zu einer Website, auf der steht: Was gibt’s im März, was im April. Dann ist die Frage: Wie koche ich das? Okay, dann gebe ich Kochrezepte. Mir hat mal einer geschrieben, er hätte gar nicht gedacht, dass er in der Fastenzeit zu kulinarischen Highlights kommen würde."

Chicoree, Möhren und Lauch im März, Erbsen ab Juni und Meerrettich im September – so steht es im CO2-Fastenplan. Die Aktion richtet sich an Einsteiger, die gern etwas zum Erhalt der Schöpfung beitragen wollen, aber sich bisher nicht überwinden konnten.

Amorim: "Viele Leute sind schon unterwegs, Gott sei Dank. Aber es gibt immer ein paar, die sagen: Ich würde gern. Aber man hört immer, man muss auf alles verzichten. Die haben nie was gemacht. Dann fangen sie an und stellen fest: Okay, das könnte ich machen. Danach sollen sie allein weiterlaufen, also recherchieren, in welchem Bereich sie was machen können."

Pastor: Bibel fordert zu ökologischem Handeln auf

Izai Amorim hat die außergewöhnliche Fastenaktion zusammen mit dem Jesuitenorden gestartet, mit einem Schwerpunkt auf deren Kirchen in Leipzig und München. Pater Karl Kern, Rektor der Münchner Jesuitenkirche St. Michael, hat versucht, die Gottesdienstbesucher zur Teilnahme zu motivieren.

Karl Kern: "Das ist natürlich eine Art Schöpfungsaktion. Das sagt schon der Schöpfungsbericht im ersten Buch des Kapitels Genesis, dass den Menschen die Erde anvertraut ist. Oft fälschlich ‘Macht euch die Erde untertan‘ übersetzt. Aber gemeint ist, dass der Mensch – wie es im zweiten Kapitel heißt – der Hüter eines Gartens ist und dafür sorgen soll, dass das ökologische Gleichgewicht erhalten bleibt. Und da geht heute vieles schief."

Kern will die biblische Botschaft ins Heute übersetzen. Das muss natürlich nicht ausschließen, dass die Gläubigen die klassischen Fastengebote halten, beten und spenden. Daneben könnten aber auch neue Formen des Verzichts treten. CO2-Fasten habe durchaus eine religiöse Dimension, so der Jesuitenpater.

Kern: "Die Achtsamkeit für die Schöpfung, die Verantwortung für künftige Generationen, die Wertschätzung dessen – wir würden sagen –, was Gott geschaffen hat, das ist etwas enorm Religiöses. Aber man kann das natürlich auch aus einem humanistischen Gesichtspunkt heraus tun oder aus einer ganz vernünftigen Zukunftsperspektive. Die eigentliche Sünde ist ja, wenn der Mensch sich selbst absolut setzt und sich in den Mittelpunkt stellt – und nicht das Zusammenspiel des Ganzen."

Nach Ansicht von Izai Amorim tun das die Menschen in Mitteleuropa, indem sie jedes Jahr zwischen elf und zwölf Tonnen Kohlendioxid freisetzen. Das sei viermal so viel, wie die Erde verkrafte. Es sei aber durchaus möglich, ohne größere Anstrengungen zwei bis drei Tonnen CO2 jährlich einzusparen. Amorim schlägt den Teilnehmern der Fastenaktion konkrete Aktivitäten in den Bereichen Ernährung, Mobilität und Energie vor. Eines der größten Probleme sei der Fleischkonsum.

Spieleabende statt Fernsehen zur CO2-Reduktion

"Es ist den Leuten nicht klar, dass Fleischverbrauch ein größeres Problem ist als Autofahren. Wir haben immer die üblichen Verdächtigen: die Flüge oder Autos. Aber Fleisch ist neun Prozent, genauso viel wie der ganze Transportbereich. Der Fleischverbrauch explodiert weltweit. Es gibt sieben Milliarden Menschen, die Fleisch essen wollen, deswegen ist es mir sehr wichtig, dass die Leute das verstehen."

Izai Amorim regt an, den Genuss von Fleisch um die Hälfte zu reduzieren. Und, statt Mineralwasser in Flaschen zu kaufen, Leitungswasser zu trinken. Außerdem lasse sich im Alltag viel Energie sparen, etwa indem man den Geschirrspüler nur voll und auf niedriger Temperatur laufen lässt, den Kühlschrank regelmäßig abtaut oder Wasser im Wasserkessel erhitzt statt auf dem Herd. Und anstatt vor dem Fernseher zu landen, könnte ein Spieleabend die CO2-arme Alternative sein.

"Weil ich glaube, dass man zu den wesentlichen Dingen im Leben kommt. Ich kann auch Freunde einladen und mich schön unterhalten. Ich kann den ganzen Abend Spaß haben ohne CO2 – außer für die Kerzen. Man soll es probieren. Wem es nicht gefällt, der soll wieder fernsehen. Aber viele sind glücklich, wenn sie darauf verzichten."

Ob Fernsehen, Essen oder weite Reisen – viele konsumieren, um eine innere Leere zu bekämpfen, meint Izai Amorim. So könnte das auch ein Kirchenvertreter sagen. Aber der 50-Jährige ist im Hauptberuf Marken- und Kommunikationsberater. Seit fünf Jahren engagiert er sich auf seine Weise für den Klimaschutz, etwa mit der CO2-Fastenaktion. Es gehe darum, die Bilder in den Köpfen der Menschen zu verändern – zu zeigen, dass CO2-Sparen ohne große Entbehrungen möglich ist. Der gebürtige Brasilianer hat eine Mission, die nicht zuletzt auch mit seiner Herkunft zusammenhängt.

"Ich rede nicht gern über Katastrophen, weil ich glaube, das schreckt nur die Menschen ab. Aber ich bin am Strand aufgewachsen. Und wenn es wirklich kommt, wie man sagt, dann sind alle diese Strände weg. Und dann trifft es immer die Leute, die arm sind. Die können nicht ausziehen."

Um das Ansteigen des Meeresspiegels vielleicht doch noch zu verhindern, erwartet die Teilnehmer jetzt, am Ende der CO2-Fastenaktion, noch eine Aufgabe: "Erzählen Sie weiter, was Sie konkret zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen", schreibt Izai Amorim in seiner letzten E-Mail. Auch Jesuitenpater Karl Kern wünscht sich, dass an Ostern nicht alles vorbei ist, sondern:

"Dass sich das wellenartig weiterbewegt, so ein Bewusstsein: Wir gehen achtsamer mit Ressourcen um. Und mein Traum wäre, dass dieser kleine Anstoß Vereine, ein großes Fußballspiel oder vielleicht sogar die Wiesn – dass man da mit kleinen Kurskorrekturen Großes bewirken kann, im Bezug auf Bewahrung der Schöpfung. Das ist die religiöse Aufgabe des Menschen."


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