CO2 – Eine Ehrenrettung

Von Johannes Kaiser |
Kohlendioxid hat nicht gerade den besten Ruf. Für viele dürfte CO2, so die chemische Formel, als der Klimakiller überhaupt gelten. Dennoch: Die Dosis macht das Gift. Denn ohne Kohlendioxid gäbe es auf der Erde kein Leben.
In der kollektiven Wahrnehmung hat sich festgesetzt: Kohlendioxid, kurz auch als CO2 oder als Treibhausgas bekannt, ist ein Klimakiller, den es zu vermindern gilt. In Teilen ist diese Annahme auch richtig, denn ein Zuviel an Kohlendioxid in der Atmosphäre führt zur Klimaerwärmung und bedroht damit langfristig unsere Lebensgrundlage.

Die Dosis aber macht das Gift. Denn ohne Kohlendioxid gäbe es andererseits auf der Erde überhaupt kein Leben. Kohlendioxid ist eine Voraussetzung der Fotosynthese. Dabei kann Kohlendioxid noch mehr: es wird als Dünger eingesetzt und in Feuerlöschern, bildet Trockeneis und konserviert Lebensmittel, reinigt schonend Wäsche und Metalle.

Das Gas hat es also in sich, wie das jetzt erschienene Buch „CO2 – Lebenselixier und Klimakiller“ mitunter eindrucksvoll belegt. In 13 Aufsätzen, die die beiden Chemiker Jens Soentgen und Armin Reller gesammelt haben, wird CO2 und seine unterschiedlichen Wirkungen beschrieben. Ganz langsam entsteht so ein eine Art Porträt dieses unbekannten Stoffes.

So bringt das Kohlendioxid zwar Gletscher zum Schmelzen, gleichzeitig gäbe es aber kein Obst, kein Gemüse, kein Getreide ohne dieses Gas, das in der Erdatmosphäre nur einen Anteil von 0,04 Prozent einnimmt. Mehr CO2 bekäme uns Menschen nicht besonders gut. Das merkt jeder, der sich schon einmal mit vielen Menschen lange Zeit in einem geschlossenen Raum aufgehalten hat. Da Sauerstoff beim Einatmen verbraucht wird und die ausgeatmete Luft vier Prozent Kohlendioxid enthält, steigt der CO2-Gehalt der Raumluft stetig an. Die hohe Konzentration macht müde und unkonzentriert. Beträgt sie über fünf Prozent, treten schwere gesundheitliche Schäden auf. Bei noch höheren Konzentrationen sterben wir.

Gezielt wird auf den über 300 Seiten Alltagswissen neben Expertenmeinung gestellt. Zahlreiche Fotos und Grafiken veranschaulichen, wie CO2 unsere Umwelt direkt und indirekt prägt oder verändert. Gezeigt werden Kalksteinhöhlen ebenso wie zurückweichende Gletscher oder historische Kohleförderung.
Nicht alle Aufsätze sind klar verständlich und übersichtlich gegliedert. Der Versuch, die Berechnung der Klimamodelle einem Nichtmathematiker zu erklären, scheitert an seiner Komplexität und die Medienanalyse fällt trotz des bunt schillernden Themas staubtrocken aus.

Für eine genauso ungewöhnliche wie faszinierende Idee allerdings muss man die Herausgeber ausdrücklich loben: Auf rund 20 Seiten ermuntert Jens Soentgen Kinder wie Erwachsene zu ebenso einfachen wie verblüffenden Experimenten mit CO2. Man braucht nicht mehr als einen einfachen Wassersprudler, um zum Beispiel Trockeneis zu Hause zu produzieren. Und dann gibt es noch eine Handvoll konkreter Vorschläge für CO2-Spaziergänge, worunter Besuche von Tropfsteinhöhlen ebenso fallen wie Ausflüge zu Ölschiefergruben oder Moorrundgänge. Diese Stoffgeschichte liefert jedenfalls viel Stoff zum Nachdenken und Nachmachen.

Jens Soentgen/ Achim Reller: CO2 – Lebenselexier und Klimakiller, Stoffgeschichten 5, oekom Verlag München 2009, 301 Seiten, 24,90 Euro