Clinton und McCain gehen als Favoriten ins Rennen

Moderation: Jürgen König |
In über 20 Staaten wählen am morgigen Super Tuesday die Parteimitglieder ihren Kandidaten für die US-Präsidentschaftswahl. Nach Einschätzung des Leiters der Konrad-Adenauer-Stiftung in Washington, Norbert Wagner, befindet sich Hillary Clinton bei den Demokraten in der aussichtsreichsten Position. Bei den Republikanern räumte Wagner John McCain die größten Chancen ein.
Jürgen König: Morgen wird bei den Vorwahlen in den USA vielleicht schon eine Vorentscheidung fallen. Beim sogenannten Super Tuesday wählen in über 20 Bundesstaaten die Parteidelegierten ihren Kandidaten. Danach könnte jeweils ein klarer Favorit feststehen. Ein Markenzeichen der politischen Kultur Amerikas ist ja, dass die Bewerber für höchste politische Ämter ausgesprochen hart unter die Lupe genommen werden. Zwischen den ersten Vorwahlen und dem Amtsantritt als Präsidentin, als Präsident etwa liegen ein Jahr und bald nicht mehr zählbare Wahlkampfauftritte, Reden, Fernsehduelle. Die interessierten Amerikaner wissen am Ende sehr genau, wen sie da ins Weiße Haus wählen. Über diese politische Kultur, über den schier endlosen Wahlkampf und wie er betrieben wird, darüber wollen wir sprechen mit Dr. Norbert Wagner. Er leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Washington. Herr Wagner, guten Tag!

Norbert Wagner: Guten Tag!

König: Schauen wir zunächst mal auf morgen, auf diesen großen Dienstag, den Super Tuesday, und beginnen wir zur Abwechslung mal nicht bei den Demokraten, sondern bei den Republikanern. John McCain, Mike Huckabee, Mitt Romney, wie sehen Sie die Chancen der Bewerber?

Wagner: Ja, im Moment liegt, in den Umfragen zumindest, McCain deutlich vorne, aber Romney hat auch noch gute Chancen. Huckabee ist sicher aus dem Rennen, bleibt aus verschiedenen Gründen noch dabei, aber wird bei der Entscheidung zwischen McCain und Romney keine Rolle mehr spielen. Für McCain spricht die soziologische Zusammensetzung der Bundesstaaten, in denen jetzt Vorwahlen stattfinden, und für Romney spricht, dass er mit unglaublich viel Geld ausgestattet ist, das er teilweise selbst einbringt, und dass er aber auch eingesammelt hat.

König: Wer hat denn die besseren Chancen bei den Demokraten, Hillary Clinton oder Barack Obama?

Wagner: Wenn man die Umfragen zurate nimmt, dann wird Hillary Clinton einen leichten Vorsprung haben und Barack Obama trotzdem nicht weit von ihr landen. Er hat allerdings in den letzten Tagen deutlich aufgeholt.

König: Sie haben vorhin das Geld angesprochen. Hier kursiert eine Zahl, der zufolge beide Präsidentschaftskandidaten der Demokraten zusammen circa 500 Millionen Dollar für den Wahlkampf ausgeben werden. Stimmt diese Zahl?

Wagner: Gerade wurden die letzten Ergebnisse der Spendensammlung von allen Kandidaten veröffentlicht. Das ist ja hier eine Tradition, dass diese Zahlen zeitnah offengelegt werden müssen und genau dargestellt werden muss, woher die Mittel kommen und wohin sie gehen. Da haben die beiden demokratischen Kandidaten im letzten Jahr, also bis 31. Dezember, schon über 220 Millionen Dollar gesammelt. Die Republikaner liegen etwas dahinter in der Gegend von 200 Millionen. Und das wird in diesem Jahr noch weiter so gehen. Allein im Januar, so wurde gerade in der vergangenen Woche berichtet, hat Barack Obama 32 Millionen Dollar gesammelt.

König: Können Sie uns mal erzählen, wie diese Spendenpraxis tatsächlich funktioniert? Woher kommt dieses Geld und wie wird es eingesammelt?

Wagner: Grundsätzlich hat jeder amerikanische Bürger das Recht, zweimal 2300 Dollar an einen Kandidaten zu spenden in der Vorwahlperiode und die zweiten 2300 Dollar in der eigentlichen Wahlperiode, bei der es dann um den Präsidentenposten geht. Die Fähigkeit, solche hohen Spendensummen einzusammeln, hängt dann hauptsächlich davon ab, wie gut das Adressen- und insbesondere das E-Mail-, also Internetadresse-Material der Kandidaten ist. Und da gibt es Leute, die da eine ausgesprochen gute Organisation haben, insbesondere Barack Obama hat einen großen Pool oder große Liste an E-Mail-Adressen, man spricht von über 650.000 Adressen, die dann regelmäßig angeschrieben werden und gebeten werden, doch wieder zu spenden, beispielsweise nach einer Fernsehdebatte, bei der er sich möglicherweise gut geschlagen hat. Da geht am nächsten Morgen sofort eine E-Mail sofort an alle Unterstützer oder bisherigen Unterstützer und neue raus und werden gebeten, wieder eine Spende zuzulegen, nachdem ihr Kandidat doch bei der Fernsehdebatte beispielsweise so gut abgeschnitten hat.

König: Ich könnte mir vorstellen, ein solches Verfahren würde mancher in Deutschland als schlimme Belästigung empfinden. Das ist in Amerika anders?

Wagner: Ja, viele dieser Leute, die unterstützen ja freiwillig ihre Kandidaten. Beispielsweise kommt man an die E-Mail-Adresse eines Sympathisanten auf dem Wege heran, dass der Sympathisant sich meldet auf der Webseite eines Kandidaten, der ihm also genehm ist. Und da muss er dann seinen Namen, seine Adresse, seine E-Mail-Adresse usw. angeben. Also er tut das auch freiwillig.

König: Nun könnte ja, wer Geld gibt, insbesondere wenn es viel Geld ist, auf die Idee kommen, Gegenleistung zu erwarten oder gar zu verlangen. Wie abhängig machen sich die Bewerber von ihren Geldgebern, welche Gesetze regeln die Finanzierung von Präsidentschaftswahlkämpfen?

Wagner: Da gibt es ganz klare Regeln. Jeder amerikanische Bürger darf 2300 Dollar spenden in der Vorwahlzeit und dann noch mal 2300 Dollar im eigentlichen Wahlkampf. Und damit ist es zu Ende. Mit einem solchen Betrag, selbst wenn Sie also zweimal großzügig sind, können Sie nicht viel politischen Einfluss sich erkaufen. Und Barack Obama beispielsweise hat öffentlich auch erklärt, dass er auf Spenden von Interest Groups, von Lobbyisten und so weiter verzichtet, und das machen die meisten anderen Kandidaten auch. Insofern kommt ihre Finanzierung überwiegend von Kleinspendern und Kleinstspendern. Das können auch mal 50 und auch 100 Dollar sein. Insofern ist die Gefahr eigentlich nicht mehr so groß.

König: Herr Wagner, die Parteistiftungen beobachten aufmerksam die US-Wahlkämpfe, wozu eigentlich? Welche Erkenntnisse gewinnen Sie, welche sind besonders wertvoll für Sie?

Wagner: Ich glaube, die Intensität, die diesmal der Internet-Wahlkampf aufweist, die ist neu, und die Nutzung durch die Kandidaten ist wahrscheinlich auf einem Niveau, das mit dem in Deutschland nicht vergleichbar ist. Aber nicht nur bei der Frage des Geld-Einsammelns spielt das Internet eine Rolle, sondern auch bei der politischen Werbung. Diese Internet-Auftritte sind ausgesprochen ausgefeilt und interessant. YouTube, Podcast-Sendungen spielen eine wesentliche Rolle, bis hin zu ähnlich wie bei Facebook bilden sich Unterstützungsgruppen ganz spontan, die gar nicht von der Parteizentrale oder von dem Wahlkampfstab des Kandidaten lanciert werden, sondern sich selbst entwickeln und Ausschau halten, wo gibt es Leute, die der gleichen Meinung sind, was diesen oder jenen Kandidaten betrifft, und die sich dann zusammentun und weitere Werbung betreiben. Also das spielt eine ganz wichtige Rolle. Und der nächste Punkt ist die ganze Bloggersphäre, die in den USA schon wesentlich weiter entwickelt ist als in Deutschland, wo Gerüchte möglicherweise verbreitet werden, aber auch heftig diskutiert wird, insbesondere nach Fernsehdiskussionen der Kandidaten wird dann die Analyse dort vorgenommen und werden nun möglicherweise Kandidaten gut- oder auch schlechtgeredet.

König: Alles zusammengenommen, mit diesen vielen Vorwahlen, mit der ganzen harten Auslese entsteht für viele der Eindruck, dieses Wahlsystem sei besonders demokratisch. Ist es das?

Wagner: Ja. Im Moment, es handelt sich ja um Vorwahlen. Vorwahlen, das ist ja die Auswahl der Kandidaten, die überhaupt dann ins Rennen dürfen. Da nehmen beispielsweise in Florida bei beiden Parteien etwa zweieinhalb Millionen Wähler teil. Insofern ist das sicher ein Anzeichen dafür, dass es sehr demokratisch zugeht. Es ist auch eine andere Tradition. Was man hier sieht bei den Vorwahlen, reicht im Prinzip zurück zu den Tagen der direkten Demokratie in den USA, insbesondere dieses Caucus-System, das ein besonderes System ist, das Anleihen macht aus der indianischen Stammeskultur, wo man sich zusammensetzt und solange beratschlagt, bis man sich auf einen Kandidaten geeinigt hat.

König: Das heißt, da werden bewusste Anleihen bei der indianischen Stammeskultur gemacht?

Wagner: Dieses Wort Caucus stammt daher. Und zwar nehmen wir an, drei Kandidaten stehen zur Wahl und 100 Leute treffen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt und fragen sich nun, wer ist unser Kandidat. Und dann gruppiert sich um jeden Kandidaten herum der Teil der Leute, der diesen Kandidaten unterstützt. Und nehmen wir an, der eine hat 40, der nächste 30 und der letzte hat vielleicht zehn Unterstützer, dann wird die kleinste Gruppe aufgelöst, sofern sie nicht 15 Prozent der Anwesenden ausmacht, und muss sich dann neu entscheiden, bis es am Schluss dann beispielsweise auf zwei Kandidaten hinausläuft. Es ist also eine sehr direkte und unmittelbare Art, Kandidaten zu bestimmen. Und so geht das von Ortsverband der Partei zu Ortsverband, bis hin zu der Tatsache, dass auch Nicht-Parteimitglieder bei Wahlen, bei einigen der Wahlen teilnehmen können und sich vorher einschreiben in die Wahllisten und dann darüber bestimmen dürfen, wer republikanischer Kandidat oder demokratischer Kandidat ist, obwohl sie gar nicht Parteimitglieder sind.