Clausnitz in Sachsen

    Fremdenfeindlicher Mob bedrängt Flüchtlinge

    Eine Blockade von Asylgegnern vor einer Flüchtlingsunterkunft in Sachsen sorgt erneut für Entsetzen. Rund 100 aufgebrachte Demonstranten hatten am Donnerstagabend in Rechenberg-Bienenmühle im Erzgebirge versucht, die Ankunft der ersten Bewohner in einer neuen Einrichtung zu verhindern.
    Erst nach Stunden konnten die Flüchtlinge, darunter Frauen und Kinder, zu ihrer Unterkunft im Ortsteil Clausnitz gebracht werden. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) verurteilte die Proteste scharf. In Sachsen hat es in den vergangenen Monaten immer wieder Proteste gegen die Ankunft von Flüchtlingen gegeben.
    Im Internet kursierte ein Video, das angeblich die Ereignisse am Donnerstagabend zeigen und auf einer zwischenzeitlich gelöschten fremdenfeindlichen Facebook-Seite veröffentlicht worden sein soll.
    Zu sehen ist, wie ein Menge die Flüchtlinge beim Verlassen des Busses bedrängt. Die Menge brüllt "Wir sind das Volk!", einzelne Rufe wie "Weg mit euch!" sind außerdem zu hören, einer ruft "Rückwärtsgang!". Im Bus halten sich zwei Frauen gegenseitig im Arm, eine andere schimpft in Richtung der brüllenden Menge. Ein Junge steigt verängstigt aus dem Bus. Auf der elektronischen Anzeigetafel des Busses steht "Reisegenuss".
    "Reisegenuss" - der Schriftzug am Bus wirkt beinahe zynisch angesichts der Atmosphäre bei der Ankunft. Gepostet wurde das Video in einer Facebook-Gruppe mit dem Namen "Döbeln wehrt sich - meine Stimme gegen Überfremdung", später war es auch bei YouTube verfügbar.
    Einer ruft: "Rückwärtsgang!"
    Die Polizei Chemnitz ermittelt nun laut eigener Mitteilung wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten. Weitere Straftaten würden derzeit geprüft.
    "Gegen 19.20 Uhr sollte eine Asylbewerberunterkunft erstmalig belegt werden. Die Ankunft des Busses behinderten zirka 100 Personen", heißt es außerdem in der Mitteilung. Die Zufahrt zur Unterkunft sei mit drei Fahrzeugen blockiert worden. Erst um 22 Uhr konnten die Flüchtlinge die Unterkunft beziehen. Gegenüber dem Deutschlandradio bestätigt die Polizei, dass das Video ihren Kenntnissen nach tatsächlich in Clausnitz aufgenommen worden ist.
    Die "Freie Presse" berichtete am 28. Januar, dass Bürgermeister Michael Funke bei der Bekanntgabe der Unterkunft Unmut geerntet habe. Der Kommune seien laut dem Verteilerschlüssel zwar 36 Asylbewerber zugewiesen worden, die Unterkunft sei für 27 Menschen ausgelegt gewesen. Die Polizei sprach von 20 bis 30 Flüchtlingen, die am Donnerstagabend angekommen seien.
    "Wehret den Anfängen? Wehret dem Mittendrin!"
    In den sozialen Netzwerken ist die Empörung groß. Der Journalist Sascha Lobo schrieb bei Facebook: "Wehret den Anfängen, das käme schon zu spät - wehret dem Mittendrin. Lasst dieses Land nicht tiefer in eine vorprogromhafte Stimmung stürzen." Der Satiriker Jan Böhmermann schrieb bei Twitter: "Der deutsche Angstmob begrüßt die, die dem Tod von der Schippe gesprungen sind." Später wies auch er auf die steigende Gewalt gegen Flüchtlinge hin.
    In den vergangenen Jahren hatte es in Deutschland immer öfter Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte gegeben, darunter zahlreiche Brandanschläge. Zuletzt begann ein Prozess wegen eines Brandanschlags auf ein Flüchtlingsheim im niedersächsischen Salzhemmendorf, die Angeklagten gestanden. In Altena im Sauerland wurde gegen zwei Männer nach einem Brandanschlag Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen.
    (nch/fwa)
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