Claus Ruhe Madsen

"Wir hatten die Pandemie immer gut im Griff"

29:12 Minuten
Claus Ruhe Madsen, Oberbürgermeister von Rostock
Claus Ruhe Madsen ist seit 2019 Oberbürgermeister von Rostock. Er sagt: "Am Ende des Tags kommt es darauf an, dass die Menschen mitmachen." © picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck
Moderation: Gerhard Schröder · 13.02.2021
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Rostock gilt als Vorbild in der Pandemiebekämpfung, in keiner anderen deutschen Großstadt sind die Infektionszahlen so niedrig. Ein Erfolg der bisherigen Maßnahmen, sagt Rostocks Bürgermeister Madsen – jetzt müsse schrittweise geöffnet werden.
Um die Infektionszahlen niedrig zu halten, hat Rostock schnell reagiert, hat Schulen geschlossen, als das noch nicht von oben angeordnet wurde, hat eine Maskenpflicht eingeführt und Zoo und Konzerthaus geschlossen. Klare Regeln und konsequente Umsetzung seien der Schlüssel zum Erfolg gewesen. Gleichzeitig habe man das Gesundheitsamt personell und technologisch aufgerüstet, um Neuinfektionen nachverfolgen zu können. So habe die Hansestadt die Corona-Pandemie gut in den Griff bekommen, sagt Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen. Nur einmal seit Ausbruch der Pandemie sei der 7-Tage-Inzidenzwert auf über 50 gestiegen. Zum Vergleich: In vielen Regionen lag er in der Spitze bei über 500.
Enttäuscht zeigte sich das Stadtoberhaupt von den Beschlüssen von Bund und Ländern am vergangenen Mittwoch. Den Lockdown einfach immer zu verlängern, sei keine Perspektive. "Corona wird nicht verschwinden, wir müssen lernen, mit der Pandemie zu leben." Dafür aber sei eine klare Strategie nötig, gute Schutz- und Hygienekonzepte, die verhinderten, dass das Virus sich schnell wieder ausbreite. Als erstes, so Madsen, müssten alle Schulen wieder geöffnet werden, aber auch die Geschäfte und Unternehmen bräuchten eine Perspektive, wie sie überleben könnten. Es mach ja keinen Sinn, wenn man irgendwann das Virus besiegt habe, aber dann gebe es keine Geschäfte mehr.

Das Interview im Wortlaut:

Deutschlandfunk Kultur: Wie kommen wir raus aus der Corona-Krise? Welche Öffnungsperspektiven gibt es? Und wie sind die Ergebnisse des Bund-Länder-Treffens am vergangenen Mittwoch einzuordnen? Unser Gast ist Claus Ruhe Madsen. Er ist Unternehmer, parteilos und seit anderthalb Jahren Oberbürgermeister in Rostock. Er kann uns da vielleicht weiterhelfen. Denn er ist mit Rostock auf dem Weg raus aus der Pandemie schon ein gutes Stück vorangekommen. Keine andere Großstadt in Deutschland hat so niedrige Infektionszahlen wie Rostock. Herr Madsen, weniger als 30 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Das ist der aktuelle Inzidenzwert für Rostock. Davon können andere Kreise und Städte in Deutschland nur träumen. – Wie haben Sie das geschafft? Was machen Sie in Rostock anders und vielleicht auch besser als anderswo?
Madsen: Wir haben hier immer sehr konsequent gehandelt. Wir haben mehr getestet als was empfohlen wurde. Wir haben unser Gesundheitsamt ausgebaut. Wir haben sehr motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mitgemacht haben. Und wir haben natürlich auch Bürgerinnen und Bürger, die unsere Maßnahmen mitmachen.
Und dann haben wir daneben, dass wir sehr konsequent waren in der Umsetzung, auch viele Kontrollen umgesetzt. Am Ende des Tags kommt es darauf an, dass die Menschen mitmachen.
Deutschlandfunk Kultur: Kann Rostock als Vorbild auch für Regionen und Städte dienen, in denen die Infektionszahlen jetzt noch höher sind?
Madsen: Ich glaube, dass jede Region für sich ihren Rucksack hat, ihre Herausforderungen, ihre Aufgaben, denen sie sich stellen muss. Da muss jeder einmal reinschauen und gucken: "Was kann ich wie tun?" Man muss die Kontaktketten immer geschlossen bekommen und entsprechend viel Personal in dem Bereich haben, damit das gelingen kann.
Deutschlandfunk Kultur: Jetzt würden wahrscheinlich viele Städte, viele Bürgermeister und Landräte sagen: "Ja, so wie Sie das geschildert haben, Kontakte nachverfolgen, konsequent sein, so machen wir das hier auch." – Die Ergebnisse sind trotzdem ganz anders. Woran liegt das?
Madsen: Das kann ich natürlich schwer sagen, weil, jede Region hat ihre eigene Herausforderung. Wir haben aber tatsächlich wirklich konsequent ausgebaut. Auch in Zeiten, als die Zahlen runter gingen, habe ich ausgebaut – digitale Arbeitstools umgesetzt, damit wir dieses ganze Meldeverfahren und ähnliches schon digital haben, also, all das, was uns zur Verfügung stand, direkt umgesetzt. Auch, als man vielleicht dachte, möglicherweise kommt die Pandemie nicht mehr so stark, haben wir trotzdem Mitarbeiter ausgebildet.

"Einen Lockdown machen, bevor die Pandemie da ist"

Deutschlandfunk Kultur: Sie haben auch früh schon harte Maßnahmen ergriffen, zum Beispiel Schulen geschlossen, als das von oben noch nicht angeordnet wurde, Maskenpflicht eingeführt, also klare und vielleicht auch schmerzhafte Einschränkungen. – Wie wichtig war das?
Madsen: Ich glaube, das ist extremst wichtig gewesen. Ich habe im Infektionsgesetz nachgelesen. Man muss tatsächlich so was wie eine Schulschließung, einen Lockdown machen, bevor die Pandemie da ist. Das heißt, den Maximaleffekt erreicht man vorher, bevor sich die Pandemie breit macht. Das haben wir hier in Rostock gemacht. Dann haben wir tatsächlich auch, glaube ich, als erstes den zoologischen Garten geschlossen, aber wir haben auch in Deutschland als Erstes ihn wieder eröffnet. Ich finde, ein konsequentes Rein, aber auch wieder Raus muss der Weg sein. So kann man auch Menschen motivieren, indem man sagt: "Wir sind bereit, schnell Maßnahmen zu ergreifen, aber auch schnell wieder rauszugehen."
Deutschlandfunk Kultur: Überraschend ist ja, wenn man sich so die Landkarte anschaut, dass die Pandemie vor allen Dingen in ländlichen Kreisen derzeit noch relativ hoch ist. Dabei hatten wir immer gedacht, die Probleme liegen vielleicht in den Städten, dort, wo die Menschen auf engem Raum leben uns sich oft begegnen, viel Kontakt haben. – Wie erklären Sie sich das?
Madsen: Was ich weiß, ist, dass wir hier zwei wunderbare Kliniken haben mit sehr motivierten Mitarbeitern, die wirklich auch von vornherein guter Arbeit geleistet haben. Wir haben hier unser eigenes Gesundheitsamt. Wir haben kurze Wege mit Feuerwehr und andere durch diskutiert immer als Mannschaft. Da hat natürlich eine Stadt eine sehr gute Möglichkeit, alles daranzusetzen die Pandemie in den Griff zu kriegen. Das haben wir gemacht.
Deutschlandfunk Kultur: Wie würden Sie denn jetzt die Lage einschätzen im Februar 2021? Haben Sie die Pandemie unter Kontrolle?
Madsen: Wenn ich so zurückschaue auf März letzten Jahres, da habe ich das Gefühl, dass wir mitten in einen Orkan, ein schwieriges Unwetter starten. Und wenn ich dann plötzlich auf den Herbst gucke, dann stellt es mich zumindest vor ein Bild, nämlich: "Corona hat immer wieder eine neue Überraschung für uns bereit. Immer dann, wenn wir denken, wir haben etwas gut im Griff, dann kommt eine Mutation oder etwas anderes. Das heißt, was wir als Lernkurve mitnehmen müssen: Wir können uns nie sicher fühlen. – Ob ich das Gefühl habe, dass wir das im Griff haben? Ich sitze jeden Tag und drücke mir die Daumen blau, dass wieder kein Mensch in Rostock verstorben ist. Das ist für mich das Allerwichtigste, viel wichtiger als eine Sieben-Tage-Inzidenz. Wenn a jeden Tag eine Null ist, dann ist das für mich ein Glück. So lange habe ich das dann auch ganz gut im Griff.

Inzidenwert lag nur einmal über 50

Deutschlandfunk Kultur: Im Mai 2020 konnten Sie für Rostock vermelden: "Die Stadt ist Corona-frei." – Dann kamen die Lockerungen und wir haben erlebt, dass die Infektionszahlen dann wieder schnell angestiegen sind. Also, haben wir uns da zu sicher gefühlt? Haben Sie sich da in Rostock vielleicht zu sicher gefühlt, zu sorglos agiert?
Madsen: Meine Zahlen sind nie hochgeschossen. Das ist, glaube ich, worauf man wirklich auch achten muss. Wir hatten einen einzigen Tag im Ganzen, wo wir einmal über 50 waren. Das war der 11. Januar 2021. Ansonsten war hier immer das Ausbruchgeschehen, und das, obwohl wir ein Tourismusort sind, sehr gut im Griff. Ich würde also nicht sagen, dass wir irgendwas unterschätzt haben, sondern immer sehr wachsam waren. Wir sind jeweils auch nie aus dem Krisenmodus rausgegangen, im Gegenteil. Wir haben ganz genau die Zahlen analysiert und darauf geschaut, was ist denn morgen zu erwarten, und dann auch so agiert. Aber das Wichtige ist, dass man wachsam ist.
Deutschlandfunk Kultur: Ein wichtiges Instrument, Sie haben das schon angesprochen, ist die Nachverfolgung von Infektionen. Viele Gesundheitsämter waren mit diesen Aufgaben schnell überfordert, insbesondere zu dem Zeitpunkt, als die Infektionszahlen wieder hochgeschnellt sind. Wie haben Sie das in den Griff bekommen?
Madsen: Auch da, glaube ich, ist es wichtig, dass wir uns alle mal vor Augen halten: Ein Gesundheitsamt mag prüfen, ob Kinder zur Schule kommen können. Die machen Impfungen. Und auf einmal wird eine weltweite Pandemie über uns gespült. Auf einmal müssen die sich mit Pandemie, mit Testungen, mit Hygienekonzepten, mit Impfkonzepten auseinandersetzen, mit Beihilfen, um festzustellen, wie können wir eine Verbreitung eindämmen – also, neben der Normalaufgabe eine Wahnsinnsaufgabe on top.

"Unser Gesundheitsamt startete auf zwei rostenden Fahrrädern"

Ein bisschen habe ich das verglichen mit einem Formel-1-Rennen. Und unser Gesundheitsamt ist auf zwei rostenden Fahrrädern gestartet. Das Rennen kann man nicht gewinnen. Auch wenn man den Menschen da einen Tesla hinstellt, haben sie immer noch keinen Führerschein dafür. Dann ist es ziemlich schwierig, am Ende des Tages dieses Rennen zu gewinnen.
Also: Was muss man? Man muss neben die technische Aufrüstung natürlich auch Men-Power reinbringen, absolute Unterstützung von oben an der Verwaltungsspitze und dann gemeinsam als Mannschaft das Ding nach vorne bringen. Und ich glaube, das ist ein bisschen das, was ganz wichtig ist. Es ist natürlich auch ganz wichtig, dass wir immer wieder miteinander uns motivieren, sich dieser Aufgabe zu stellen. Man kann also dann auch nicht Weihnachten freimachen, weil, der Virus macht nicht frei. Und so muss man einander mitnehmen. Ich bin sehr, sehr dankbar, dass ich so motivierte Menschen in meinem Gesundheitsamt habe.
Deutschlandfunk Kultur: Was sagen Sie den Landräten, Bürgermeistern aus ihrer Umgebung, die höhere Infektionszahlen haben? Das klingt alles plausibel, was Sie sagen, klingt aber irgendwie auch so plausibel, dass man sich wundert. Machen das nicht alle so? Was sagen Sie denen, wenn die sagen: "Sag mal, wie habt ihr das geschafft?"
Madsen: Ich finde auch, dass vieles banal klingt. Aber wenn Sie zum Beispiel in Ihren eigenen Reihen mal nachfragen, "könnte ich bitte eine Lagerliste bekommen von dem, was wir an Schutzmaterial haben", und das löst aus, dass Sie danach eine Bestellung haben für 300.000 Einweganzüge, weil Sie festgestellt haben, wir brauchen ein paar mehr davon, dann, glaube ich, liegt es in der Natur der Sache, dass die Menschen dann vielleicht ein bisschen zögern, das zu bestellen. Das geht direkt auf den Haushalt und ob man am Ende des Tages jemanden dabei unterstützt, das muss man dann erstmal sehen.
Deswegen, glaube ich, haben wir auch immer da hin und wieder das Problem, dass der eine oder andere vielleicht etwas zögerlicher unterwegs ist, weil er sich ganz sicher ist, ob er tatsächlich das Geld eines Tages bekommt. Und dann kann er das aus dem eigenen Haushalt gar nicht wuppen.

"Sind die Unternehmen in zwei Monaten noch da?"

Deutschlandfunk Kultur: Am vergangenen Mittwoch haben die Bundesregierung und die Länderchefs erneut beraten und den Lockdown verlängert bis zum 6. März. Das heißt, Geschäfte und Restaurants bleiben vorerst geschlossen. Nur Friseure dürfen schon früher öffnen. Bei den Schulen wollen und können die Länder eigene Wege gehen. – Wie zufrieden sind Sie mit den Beschlüssen, die da gefällt wurden?
Madsen: Ich würde es mal so ausdrücken: Ich bin Handballtrainer. Und diese großen Runden mit Bundeskanzlerin und unseren Ministerpräsidenten ist so ein bisschen wie im Handball. Wenn Sie einen Timeout machen, dann holen Sie die Mannschaft an die Bank und sprechen mit denen und sagen, "das ist jetzt unsere Strategie". Die letzten Male habe ich ein bisschen das Gefühl, dass wir die Mannschaft an die Bank holen und sagen: "Weiter so!" Das machen Sie einmal. Und die Spieler machen sich ihr eigenes "Weiter so!". Dann holen Sie die nochmal ran und sagen: "Weiter so!" – Jetzt würde ich irgendwann als Spieler anfangen mich zu wundern. Wie ist unsere Strategie? Wie wollen wir das Ganze angehen.
Ich glaube, das, was wir jetzt, was die Bevölkerung, was wir auf kommunaler Ebene brauchen, ist diese klare Strategie. Was haben wir vor? Nicht nur ein "Weiter-so", sondern: Wie geht es weiter?
Deutschlandfunk Kultur: Können Sie diese Strategie erkennen?
Madsen: Im Moment habe ich, wie gesagt, das Gefühl, dass wir sagen: "Weiter so!" Wir wollten in Richtung 50 kommen. Als wir uns den 50 in der 7-Tage-Inzidenz näherten, wollten wir dann 35. Mein Gefühl ist: In zwei Monaten wird Corona noch da sein, aber was ich nicht weiß, ist: Wie geht es unseren Kindern und Jugendlichen in zwei Monaten? Wie geht es Menschen mit Erkrankungen in zwei Monaten? Wie stehts um die Unternehmen? Sind die alle überhaupt noch da in zwei Monaten?
Also, wenn wir wissen, dass das Virus in zwei Monaten noch da ist, dann müssen wir einen Weg finden, wie wir mit dem Virus leben, nicht, ob wir damit leben. Das, glaube ich, ist ein bisschen das, was wir jetzt uns alle wünschen. Also: Wie kann der Weg sein? – Da habe ich auch angeboten, Rostock kann da durchaus ein Pilot sein. Weil, was wollen wir denn machen? Wenn unsere Methode immer ist, "wir machen einen Lockdown"? Da haben wir ja, wenn die dritte, vierte, fünfte, sechste Welle kommen sollte, wenig Kenntnis darüber, was wir alternativ machen können. Also, was bedeutet es, wenn eine Schule aufbleibt? Was bedeutet es, wenn der Schuhladen aufbleibt? Was bedeutet es, wenn das Café offenbleibt?

"Rostock macht alle Schulen auf"

Ich würde zum Beispiel sagen: "Rostock macht alle Schulen, alle Klassen auf uns wir testen in großem Stil – freiwillig, wer möchte, zweimal die Woche. Oder wir bieten auch an, in der nächsten Stufe, zwei Wochen später dann den Handel zu öffnen – natürlich nur für Rostockerinnen und Rostocker. Das heißt, in den Kaufhof kommt nur jemand mit einem Rostocker Personalausweis.
Wir würden dann auch gleichzeitig Alarmsysteme machen, wo man erkennen kann, wenn zu viele Menschen in der Fußgängerzone gleichzeitig sind. Dann würde eine rote Lampe aufleuchten. Das können wir auch digital an die Smartphones übermitteln. Das heißt also, man kann von zu Hause aus schon sehen: "Okay, heute ist doch sehr viel los in der Innenstadt. Das ist jetzt kein glücklicher Moment."
Deutschlandfunk Kultur: Also, Ihr Vorschlag ist: In Rostock großflächig öffnen und schauen, was passiert?
Madsen: Ich sage mal: Nicht in der naiven Auslegung, "mal schauen, was passiert", sondern ganz genau hinschauen, was passiert. Ich wünsche mir das nicht nur für Rostock, sondern für mehr Regionen in Deutschland, damit man das valide später hat. Wir brauchen Daten, datenbasiertes Leben, auf die wir zurückgreifen können. Wir müssen jetzt nach vorne schauen. Es wird ein Leben erstmal mit Corona sein.
Und daher: Wenn ich eine Schule öffne, immer genau darauf achte, was passiert mit meinen Zahlen. Den Menschen auch klarmachen: Wenn wir neue Inzidenzen bekommen, wenn die Zahlen hoch gehen, müssen wir gegensteuern. Es muss jeder verstehen, dass wir Maßnahmen ergreifen, sie lockern, und wiederum Maßnahmen ergreifen, wenn wir sehen, dass wir eine Entwicklung haben, die wir nicht haben wollen.
Aber denken, wir würden irgendeines Tages eine Inzidenz haben, mit der sorglos einfach alles machen könnten, ich glaube, das wird sehr lange dauern. Und bis dahin brauchen wir einen Weg. Wir brauchen Lösungen. Wir brauchen eine Leitschnur für Wirtschaft, für die Bildung. Kinder haben ein Anrecht auf Bildung. Und Kinder brauchen Kinder. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Die dürfen wir nicht fallen lassen.
Deutschlandfunk Kultur: Wie kann denn eine gezielte, kluge Öffnungsstrategie aussehen? Aus dem Herbst des letzten Jahres wissen wir: Auch da dachte man, dass man mit Hygienekonzepten das unter Kontrolle halten kann. Die Erfahrung sagt, es hat nicht geklappt.
Also, laufen wir nicht Gefahr, dass wir die Fehler aus dem letzten Jahr wiederholen, wenn wir diese Strategie, die Sie gerade vorgeschlagen haben, machen?
Madsen: Absolut. Das ist ein Spagat. Wenn auf der einen Seite die Menschen sich wünschen, ihre Kinder sollen in die Schule und Bildung haben, dann öffnen wir natürlich. Auf der anderen Seite braucht es Stringenz. Wenn ich also sage, jemand darf ins Restaurant, dann darf er nicht auf den Zettel "Mickey Mouse war hier essen" schreiben, sondern wir müssen das digital erfassen. Und wenn jemand sagt, "ich möchte meine Daten dort nicht erfasst haben", dann – müssen wir leider sagen – kann er nicht ins Restaurant.

"Kann verstehen, wenn die Menschen Corona-müde sind"

Ich kann sehr gut verstehen, wenn die Menschen Corona-müde sind, wenn sie das Ganze nicht mehr wollen und können. Aber das geht uns allen so. Also, ich kenne niemanden, der sich im Schuhladen beim Schuhkauf infiziert hat, trotzdem haben wir den Schuhladen geschlossen. Ich glaube, diese Konzepte, die Hygienekonzepte waren ordentlich ausgearbeitet. Sie müssen aber befolgt werden.
Deutschlandfunk Kultur: Wir haben über Schule gesprochen, wir haben über Unternehmen gesprochen. Wir haben über den Einzelhandel gesprochen. Die Kultur leidet natürlich auch sehr stark unter den Lockdown. – Wo würden Sie sagen, das ist prioritär, das sollten wir als Erstes öffnen und dann über kluge Konzepte nachdenken?
Madsen: Ich würde im Moment sehr, sehr gerne alle Kinder und Jugendliche in die Schule schicken. Ich würde ihnen auch ihren Sport und ihr Hobby wieder ermöglichen, weil ich glaube, dass Bewegung gesund hält. Ich bin auch überzeugt, dass – wie gesagt – "Kinder Kinder benötigen". Danach würde ich tatsächlich gerne ein Modell ermöglichen, in dem wir handeln, also die Wirtschaft hochfahren vierzehn Tage später. Da kann auch Kultur und Kunst, Sport mit drin sein.
Aber wir können das nicht mehr in dem Format, was wir vielleicht kannten. Wir können nicht 30.000 Menschen ins Ostseestadion lassen, sondern wir müssen ein Modell finden, was tragbar ist und was verantwortungsvoll ist. Im dritten Lockdown hätten wir wieder nichts anderes in der Werkzeugkiste, als zu sagen: Wir fahren alles runter und man muss nur gegensteuern, ein bisschen öffnen, gegensteuern… Ich glaube, konsequentes Handeln und Gucken ist ein Weg. Wir können ja den Menschen auch nicht in einem Jahr sagen, jetzt sind die Zahlen gut, jetzt würden wir die Schulen öffnen, jetzt würden wir die Geschäfte öffnen. Und merken, es sind gar keine Geschäfte mehr da. Aber andererseits, wir müssen das gemeinsam auch wollen. Es hilft ja nichts, wenn ich eine Schule öffnen will und die Menschen nachher verärgert sind, weil es zu Infektionen kommt. Das ist klar. Aber, so ganz ohne den Weg, glaube ich, geht’s auch nicht.
Deutschlandfunk Kultur: Sprechen wir über Schulöffnungen: Wenn wir uns vorstellen, jetzt sitzen wieder dreißig Schüler dicht gedrängt in den Klassenräumen und halten Unterricht ab, das ist sicherlich für die Bildung möglicherweise gut. Aber auf der Hand liegt doch die Gefahr, dass dann die Schulen zu Superspreader-Orten werden, also, von dort aus die Infektion sich wieder ausbreiten kann. – Welche Konzepte sehen Sie denn genau, das verhindern zu wollen? Sind die Schulen darauf vorbereitet?
Madsen: Also, es gibt sicherlich Möglichkeiten, um Risiko ein stückweit zu minimieren. Zum einen würden wir Schulen öffnen, aber ohne Präsenzpflicht. Das heißt, man muss nicht, wenn man sich dabei nicht wohlfühlt, in die Schule kommen. Dann ist man aber in der Eigenverantwortung, mit dem Lernstoff hinterherzukommen.
Wir haben Konferenzräume eingerichtet, womit man digitale Formate denjenigen übermitteln kann, der nicht dorthin kommt. Wir haben für Rostock über 3.000 Endgeräte besorgt für Familien, die vielleicht selber nicht im Besitz von einem elektronischen Endgerät sind.
Dann muss man sicherlich darüber reden, dass man im Unterricht – egal, unabhängig vom Alter – eine Maskenpflicht hat. Das ist nicht schön, auch nicht etwas, was ich mir wünsche, aber es ist immer noch besser als die Alternative, dass wir die Kinder und Jugendlichen nicht in die Schule bringen. Selbstverständlich, ein Restrisiko bleibt.
Deutschlandfunk Kultur: Es gibt einen Vorschlag von 14 Wissenschaftlern, darunter bekannte Virologen, Ökonomen, Sozialwissenschaftler. Die haben eine No-Covid-Strategie vorgestellt, die einige Gemeinsamkeiten auch hat mit dem, was Sie vorgestellt haben, nämlich eine Öffnungsperspektive. Nur werden die noch etwas konkreter und sagen: "Wir müssen erst die Fallzahlen runterbringen." Da wird der Wert "10" genannt. Und die Regionen, die das schaffen, können öffnen – kontrolliert. Was halten Sie von dieser Strategie?

"Wir sind so weit, dass wir das wagen können"

Madsen: Ich tue mich immer schwer mit einer Zahl so, jener Zahl so. Wir sind im Moment, wie gesagt, bei 18. Wir waren teilweise bei Mitte 40 und hatten immer noch keine Kliniken, die nicht mehr hinterherkamen. Unser Gesundheitsamt ist hinterhergekommen. Im Moment, wenn ich mit meinem Klinikum spreche, fahren wir volles Programm mit allem – Krebsvorsorge, Krebs-OPs, alles läuft mit vollem Programm. Das heißt, im Moment befindet sich Rostock in einem Zustand, in dem wir – wie ich empfinde -, ob man das "No Covid" oder a-bit-Covid nennen würde, doch sagen können: Wir sind so weit, dass wir das wagen können. Und wir müssen agil bleiben. Wir müssen immer reagieren, wenn wir feststellen, es entwickelt sich anders als gewollt.
Ich kann der Theorie gut folgen, die darf nur nicht zweieinhalb Jahre dauern, bis wir da angekommen sind. Da muss es auch einen pragmatischen Ansatz geben.
Deutschlandfunk Kultur: Aber ist nicht das das Problem, auch in der Strategie, die jetzt Bund und Länder verfolgen, nämlich bundesweit einheitliche Regeln zu setzen, die alle befolgen müssen, egal, ob sie einen Inzidenzwert von 20 oder von 200 haben? Was auch denen dann schwer fällt, die gut vorangekommen sind wie Rostock. Also, diese Strategie der regionalen Differenzierung, wäre das nicht ein Ansatz, der dann auch Bemühungen belohnt, erfolgreich gegen die Pandemie angegangen zu sein?
Madsen: Ja. Das erfordert natürlich auch enorm viel Mut. Auf der einen Seite gibt es das ja im Kleinen schon. Verschiedene Bundesländer haben ja unterschiedliche Regelungen. Auch innerhalb von MV gibt es unterschiedliche Stufen. Da haben wir eine Landesampel. Das Problem ist allerdings nur: Wenn das Land die Ampel schon durchbricht, also, wenn das Land auf Gelb oder Rot steht, dann ist auch jeder Kreis, jede Stadt auf Gelb oder Rot. Das heißt, in dem Moment ist es eigentlich egal, wo Rostock steht, weil das Land eine gewisse Zahl erreicht hat. Das ist manchmal schwer an Bürgerinnen und Bürger zu vermitteln.
Aber ich glaube, man darf auch nicht vergessen, dann würde man auch sehr, sehr viel Verantwortung vielleicht in kleinere Kreise oder Städte auch reinschieben, wo Menschen vielleicht Druck machen und sagen: "Jetzt macht doch mal die Schule auf! Im Nachbarkreis geht’s auch." Daher wünschen sich sicherlich auch viele einen gewissen Korridor von oben – wie beim Straßennetz vielleicht eine Bundesautobahn, eine Landstraße und unten die kleine Straße. Und jeder hat dann seine Möglichkeiten, ein wenig zu agieren. Wir brauchen aber den Spielraum. Da muss jeder so ein bisschen sein Spielfeld bekommen.
Deutschlandfunk Kultur: Viele Hoffnungen werden ja darauf gesetzt, dass jetzt endlich Impfstoffe vorhanden sind und dass sich damit die Lage entspannen kann. Jetzt stellen wir fest, es ist nicht genug Impfstoff da, um auch da jetzt zügig voranzukommen. Auf jeden Fall ruckelt das alles doch ziemlich. – Welche Erwartungen haben Sie, dass wir jetzt durch eine forcierte Impfstrategie da vorankommen?
Madsen: Ich glaube, wir haben uns alle große Hoffnungen gemacht, als gesagt wurde, diese großartige Leistung letztendlich, dass ein Impfstoff so schnell gefunden wurde, dass er auch noch hier in Deutschland gefunden wurde, ist doch super. Wir haben unser Impfzentrum sofort aufgebaut. Wir hatten aber auch schon bereits erste Fahrzeuge, den Mitarbeitern zugeordnet. Wer sitzt auf welchem Fahrzeug? Wie ist es ausgerüstet? Wir hatten die Pflegeheime und Einrichtungen vorher kontaktiert und gefragt, "wer von Ihnen wäre bereit sich impfen zu lassen - jetzt, später oder nein", und hatten damit sehr schnell eine Liste bereits schon lange, bevor es Impfstoff gab. Dass wir, als wir dann loslegten, natürlich uns gewünscht hätten, mehr Impfstoff zu haben, ist klar.

Hohe Impfbereitschaft

Was wir aber auch gemacht haben: In unserem Impfzentrum haben wir die Impfboxen vermietet an niedergelassene Ärzte, so dass die die Chance haben, ihre über 80-jährigen Patienten dort einzuladen und zu impfen. Weil, mein Gefühl war, als ich das erste Mal im Impfzentrum war, war das sehr beängstigend, so ein Riesenraum, viele Stühle, Menschen in Schutzanzügen. Wenn eine ältere Herrschaft dorthin kommt, wie wäre dann deren Gefühl? Und dann ist es zumindest gut, wenn es der eigene Arzt ist, der da sitzt und einen impft. Das hat auch gut geklappt. Jetzt wünschen wir uns natürlich noch, dass wir mehr Impfstoff bekommen, damit das dann auch weiterkommen kann, damit wir möglichst vielen Menschen diesen Schutz auch geben können. Wir haben bisher eine sehr hohe Impfbereitschaft. Das freut mich natürlich sehr.
Deutschlandfunk Kultur: Und Sie haben auch gefordert, dass schneller geimpft wird. Im Moment ist es ja vielerorts so, dass ein Teil zurückgehalten wird, um sicher garantieren zu können, dass dann in drei oder vier Wochen auch die zweite Impfung durchgeführt werden kann. – Müssen wir die Impfstrategie ändern?
Madsen: Ich komme ja aus Dänemark. In Dänemark hat man zwölf Impfgruppen, statt drei Einstufungen wie in Deutschland. Damit hat man das viel transparenter für jemanden gemacht, wann er denn eigentlich dran ist. Wenn Sie 64 Jahre alt sind, dann wissen Sie, dass Sie genau in der Gruppe 5 oder 6 sind. Sie wissen dann auch, wann ist Gruppe 5 oder 6 dran. Das ist ja in Ordnung, wenn ich weiß, ich bin erst in zwei Monaten dran, aber ich weiß genau, wann ich dran bin. Das wäre das eine.
Das andere, was ich gefordert habe, weil es mich ein stückweit geärgert hat, dass wir die Hälfte aller Impfstoffe, die wir haben, dass das Land die quasi zentral lagert, uns nur die Hälfte gibt und die andere Hälfte einlagert. Man kann, so ist es mir zumindest beschrieben worden, auch noch deutlich später diese Zweitimpfung setzen. Ich würde jetzt im Moment lieber dafür plädieren, dass wir sehr viel, sehr schnell unsere Risikogruppen geimpft kriegen und dass wir dann diese Booster-Impfung, die zweite Impfung etwas später ansetzen, vielleicht dann auch einige Wochen hätten, wo wir dann keine Neuimpfung machen könnten, wenn wir in Risikogruppe 2 oder 3 gehen. Und wir sind, glaube ich, bei Buchstabe D angelangt. Wir haben noch sehr viele Bürgerinnen und Bürger über 80, die hier keine Impfung haben.
Deutschlandfunk Kultur: Herr Madsen, Sie haben schon die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns angeführt. Ist das eigentlich schon klar absehbar? Es wird immer davon gesprochen, da droht eine Pleitewelle. Wenn man auf die Zahlen schaut, die kann man bislang nicht feststellen. Auch die Zahl der Arbeitslosen ist derzeit noch gering. – Also, können Sie schon absehen, wie groß die wirtschaftlichen Schäden sind, die das zum Beispiel in Rostock hinterlässt?
Madsen: Ich glaube, wenn wir heute gemeinsam durch die Rostocker Innenstadt laufen würden, da würden wir jetzt an einigen Geschäften vorbeilaufen, die es demnächst nicht mehr geben wird. Das kann man natürlich im Moment schwer sehen, weil die Geschäfte noch da sind. Ich glaube auch, dass es auch für viele andere Branchen eine Riesenherausforderung ist, wieder auf die Beine zu kommen. Man sollte nicht verkennen, dass einige Branchen seit Monaten geschlossen sind. Einige haben gar keine Wirtschaftshilfen erhalten. Einige bekommen was, aber auch in sehr begrenztem Umfang. Viele von diesen Hilfen sind zu bürokratisch und zu kompliziert. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren ihre Arbeitsplätze.

Werftindustrie kündigt 1000 Beschäftigten

Auch hier sehen wir schon große Konzerne, ich glaube, diese Woche hat eine Werft, die hier in Rostock ist, verkündet, dass tausend Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Das sind wirklich schwerwiegende Folgen mit lang gezogenen Schatten, für die wir noch sehr lange arbeiten müssen.
Deutschlandfunk Kultur: Verschärft wird das durch Hilfen, die zu bürokratisch gehandhabt werden. Jetzt haben wir da ja schon Erfahrungen gemacht. Die Corona-Hilfen im vergangenen Frühjahr wurden kritisiert: nicht ausreichend, zu wenig, dauert zu lange. Jetzt das Gleiche! Das dauert zu lange, kommt nicht an. – Wie ist das zu erklären, dass das da so hakt?
Madsen: Ja, weil ich auch hier denke, dass vieles sehr schnell gehen soll und musste. Vielleicht wäre es besser, etwas weniger rauszugeben, dafür deutlich digitaler. Also, jemand gibt ein, "ich bin Unternehmer, ja/ nein, also ja, hab Mitarbeiter ja/ nein." Und dann kommt zumindest ein Teil der Hilfe als Soforthilfe. Und dann wird später geprüft, ob man einen etwas umfangreicheren Antrag stellen kann oder ob man das gar nicht erst macht. Also, wir brauchen da ein schmaleres Verfahren, schnelleres, digitaleres. Aber die Geschäfte einfach so dastehen zu lassen, ist – glaube ich – auch keine Lösung.
Deutschlandfunk Kultur: Herr Madsen, jetzt wissen wir, es gibt mutierte Viren, die deutlich ansteckender sind, die infektiöser sind. Virologen warnen. Die Fallzahlen werden selbst bei dem Lockdown, so wie wir ihn haben, in den nächsten Wochen wahrscheinlich hochgehen, weil sich das Virus schneller ausbreitet. – Macht es da Sinn, jetzt zu sagen, "wir müssen öffnen", wenn wir jetzt schon fürchten müssen, dass die Zahlen sowieso hochgehen, weil wir Mutationen haben, die ansteckender sind?
Madsen: Nein. Natürlich macht es dann nicht Sinn, wenn die Zahlen hochschießen. Andererseits: Wann würden wir denn sagen, dass wir soweit wären, dass sie nicht mehr hochschießen? Ich glaube, wir kommen nicht darum, einen Weg mit dem Virus zu finden. Und wir haben immer wieder das Problem, so ist mein Gefühl: Im Frühjahr war es doch quasi ausgestorben. Jeder ist in seiner Wohnung geblieben. Keiner hat sich rausgetraut.
Jetzt habe ich Lockdown und die Stadt ist voll. Die Menschen sind unterwegs. Die halten Abstand, halten sich an Regeln, sind sehr vernünftig. Aber es ist eine andere Art des Lockdowns. Es ist ja kein echtes Lockdown. Es ist einfach ein anderes Benehmen. Wir haben einen neuen Weg gefunden, wir Menschen. Wir sind nicht mehr bereit, in unseren Wohnungen wochenlang die Erfurter Rauhfasertapete anzuschauen, sondern wir sind gesellig. Wir wollen Menschen treffen. Wir sind draußen unterwegs. Das ist nicht das, was wir uns wünschen, aber so verhält sich letztendlich der Mensch.

Infektionszahlen werden wieder steigen

Deswegen werden wir einen Weg finden müssen mit dem Virus. Das wird bedeuten, dass die Zahlen hochgehen. Deswegen ist es ja auch umso wichtiger, dass wir unsere Hochrisikogruppen geschützt bekommen, dass wir einen kontrollierten Verlauf haben und immer wieder gegensteuern. Man muss auch mal sagen: "So, jetzt wieder strenge Maßnahmen, jetzt wieder ein bisschen zurückfahren." Das wird der Weg sein – rein und raus.
Deutschlandfunk Kultur: Anfang März werden Bund und Länder, die Bundesregierung und die Regierungschefs der Länder erneut zusammenkommen und beraten, wie es weitergeht. – Ihre Hoffnung ist, dass es dann zu wirklichen Öffnungsschritten kommt – auf die Gefahr hin, dass dann die Infektionszahlen wieder hochgehen? Oder was wären Ihre Wünsche?
Madsen: Ich habe schon im Dezember gesagt, als man sagte, "wir öffnen am 11. Januar", es gibt drei mögliche Szenarien: Am 11. Januar wird man sagen, "die Zahlen sind gestiegen, sie sind gleich geblieben oder gefallen". Aber es wird auf alle drei die gleiche Antwort geben:
Wenn sie gestiegen sind: Wir müssen an den Maßnahmen festhalten, damit sie nicht weiter steigen. Wenn sie gleich geblieben ist: Wir müssen an den Maßnahmen festhalten, damit sie nicht steigen. Und wenn sie gefallen wären, würden wir sagen: Jetzt dürfen wir das nicht aufs Spiel setzen.
Und ein stückweit ist es auch das Gefühl, was wir jetzt über eine längere Zeit miteinander committen. Und da brauchen wir mehr Ehrlichkeit, nämlich: Wie werden wir jetzt weitermachen? Wie ist ein Leben mit dem Virus? Wir werden also nicht drum herumkommen. Es gibt immer wieder einen neuen unbekannten Faktor, im Moment ist es die Mutation, dass wir aufzeichnen, dass es Pilotregionen in Deutschland geben kann, dass es einen Weg geben kann mit dem Virus und dass es Stück um Stück in Richtung Normalität kommt. - Meine Hoffnung ist, dass man da einen Weg uns aufzeichnet.
Deutschlandfunk Kultur: Herr Madsen, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Madsen: Sehr gerne.

Claus Ruhe Madsen, geboren 1972 in Kopenhagen, ist Oberbürgermeister von Rostock. Er wuchs in Dänemarkt auf, machte dann als Unternehmer in Deutschland Karriere, war von 2013 bis 2017 Präsident der Industrie- und Handelskammer in Rostock. Als parteiloser Kandidat setzte er sich, unterstützt von CDU und FDP, 2019 bei den Bürgermeisterwahlen in der Hansestadt durch.