Claudia Roth zur Debattenkultur im Bundestag

"Es ist extrem aggressiv geworden"

Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth (Grüne), äußert sich am 30.05.2016 in Berlin zum Thema Rassismus.
Claudia Roth sieht die Schuld an der Klimaverschlechterung bei der AfD. © dpa
Moderation: Ute Welty · 04.02.2019
Aggressivität, ein rüder Umgangston: Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth zufolge hat sich das Klima im Bundestag deutlich verschlechtert. Die Verantwortung dafür liege bei der AfD und deren systematischer Provokation durch Anträge oder Zwischenrufe.
Der Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth zufolge hat sich das politische Miteinander im Bundestag im Vergleich zu vorangegangenen Legislaturperioden deutlich verschlechtert.
"Ich erlebe einen deutlichen Unterschied zu den vergangenen Legislaturen. Es ist extrem aggressiv geworden, es ist rüde geworden, es ist provokant geworden. Man erlebt systematische Provokationen als Stilmittel. Es ist nicht so, dass man das Gefühl hat, was ja gut wäre, dass das Ziel ist, dass man miteinander streitet, dass man miteinander fightet um die besten Ideen, die besten Konzepte", sagte Roth im Deutschlandfunk Kultur.
"Sondern man sieht tatsächlich eine extrem aggressive Grundstimmung, Entgrenzung von Sprache. Es werden Worte benutzt, die bisher im Hohen Haus, wenn ich das so sagen darf, definitiv aus gutem Grund nicht zu Hause waren."
Die Schuld an dieser Klimaverschlechterung hat der Grünen-Politikerin zufolge die AfD, "die ihre Idee eines anderen Deutschlands, einer anderen Gesellschaft so in den Bundestag einbringt".
So setze die Partei über systematische Provokationen oder durch Anträge, die sie einbringe, sehr oft den Sound.
Alexander Gauland und Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD
Alexander Gauland und Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD© dpa/Wolfgang Kumm

Das Parlament lebt von der Redefreiheit

"Unsere Demokratie lebt von der Meinungsfreiheit, und es kann überhaupt nicht darum gehen, die Meinung von irgendjemand einschränken zu wollen, das Parlament lebt von der Redefreiheit, das ist ein sehr, sehr, sehr hohes Gut", betont Roth.
"Aber wenn die Rede dazu benutzt wird, ganze soziale Gruppen – seien es Frauen, seien es Geflüchtete, seien es Homosexuelle, LGBTIQs – zu verhetzen, auszugrenzen, zu versuchen rauszunehmen aus dem Bunten, aus der bunten Vielfalt, dann, glaube ich, ist es sehr, sehr wichtig, dass die anderen zusammenhalten und nicht auch Tendenzen spürbar werden, dass man Worte, dass man Begriffe, dass man Themen der AfD immer wieder selber mobilisiert."
Als Bundestagsvizepräsidentin ist Claudia Roth mit dieser Veränderung des Kommunikationsklimas in besonderer Weise konfrontiert, denn zu ihren Aufgaben gehört auch, die Plenarsitzungen zu leiten. Und das ist offenbar mitunter schwierig. Zwar gebe es eine Liste von Ausdrücken, die zu rügen seien.
"Aber die kommt auch zum Teil aus den Fünfzigerjahren. Das hat mit der Realität nichts zu tun", sagt Roth.
Sie versuche einzugreifen, wenn sie merke, dass ein Redner ganze Gruppen ausgrenze oder versuche, die Geschichte umzudeuten.
"Aber es ist sehr schwer, weil wir sind ja sehr viele und bestimmte Zwischenrufe kann man gar nicht richtig hören, man kann sie nicht richtig identifizieren. Und es vermehrt sich die Beschwerde, dass es vor allem, wenn Frauen ans Redepult gehen, dann zu hämischen Bemerkungen kommt, die die Frau als Frau treffen und nicht die Politikerin als Politikerin."
(uko)
Mehr zum Thema