Circus Belly wegen Corona gestrandet

"Wir müssen weiter, wir müssen spielen"

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Ein Milch trinkender Schimpanse und Zirkusdirektor Klaus Köhler sitzen in freundschaftlicher Haltung in einem Affengehege auf zwei Stühlen nebeneinander.
Warten auf bessere Zeiten: Schimpanse Robby, Zirkusdirektor Klaus Köhler und ein anschmiegsamer Hund. © imago/localpic
Von Felicitas Boeselager · 06.05.2020
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Auch dem Zirkus macht Corona zu schaffen. Der Circus Belly ist in Bremen gestrandet. Geldspenden und ein kostenloser Lageplatz lindern zwar die Not fürs Erste. Aber Schimpanse Ronny und die Zirkusfamilie Köhler sehnen sich nach der Manege.
Zirkusdirektor Klaus Köhler sitzt auf einem roten Samtstuhl vor einem seiner Wohnwagen. Die Sonne scheint auf den großen Platz im Bremer Osten, dort wo Circus Belly sein Lager aufgeschlagen hat. Köhler erzählt von den 350 Jahren Zirkus-Tradition seiner Familie.
"Mein Großvater, das war ja Julius Lauenburger der Todesspringer. Der ist ganz hoch auf eine Leiter gegangen, da war so ein Brett, was immer höher wurde und dann ist er dort rückwärts runter mit Salto Mortale gesprungen. Er war im ersten Weltkrieg, hat die Sache da mitgemacht. Er war Klavierspieler, Hafenspieler und Akrobat. Und so haben unsere Leute auch alle Musik gemacht, also meine Mutter und Onkeln und Tanten."
Auch während der Kriege sei seine Familie als Artisten aufgetreten. Der Zirkus sei damals sogar besonders beliebt gewesen, denn hier hätten sich die Menschen ablenken lassen können von den Sorgen Nöten des Krieges. Nun steht der Zirkus seit über zwei Monaten an einer Stelle und Aufführungen gibt es auch keine mehr.
"Da würde sich mein Großvater im Grabe umdrehen, dass so eine Pandemie da ist und der Zirkus steht, wo der Zirkus ewig gespielt hat."

Die Reserven gehen zur Neige

Köhler führt über den Zirkusplatz und zeigt seine Tiere. Pferde, Kamele, Lama, Schlangen, Hunde, Alligatoren und eine Schimpanse sind hier mit ihm gestrandet. Diese Tiere brauchen Kraftfutter, Heu, Bananen, oder – wie Köhler sagt – anderes Tiermaterial zum Fressen. 1400 Euro koste ihn das im Monat. Ein Glück fällt ein gestrandeter Zirkus auf:
"Einige Leute haben mich auch finanziell unterstützt, dass ich Futter kaufen konnte und das habe ich auch getan. Gott sei gedankt, dass das so ist. Für den Platz brauche ich nichts zahlen."
Den stellt ihm eine Erbengemeinschaft während der Krise umsonst zur Verfügung. Außer Geld haben ihm Menschen aus der Umgebung auch Kraftfutter und Heu gespendet, sodass die Tiere bisher genug zu fressen hatten. Nichtsdestotrotz seien die Reserven des Zirkus langsam aufgebraucht. Die Soforthilfe, die er vor über einem Monat beantragt hat, ist auch noch nicht da.

Schimpanse Robby gehört zur Risikogruppe

Klaus Köhler ist zum Gehege seines Schimpansen gegangen. Robby ist 49 Jahre alt, der letzte Affe, der in Deutschland in einem Zirkus gehalten wird. Er freut sich über den Besuch von Köhler und nimmt mit seinen langen Affenfingern vorsichtig Köhlers Hand. Robby gehört als Affengreis zur Risikogruppe, aber Köhler macht sich keine großen Sorgen um ihn.
"Robby ist kerngesund, der kriegt selten eine Erkältung. Was er in der ganzen Zeit mal hatte, das war eine Erkältung und die ging wieder weg."
Zumal dem Affen ohnehin nur Köhler, oder ein anderes Familienmitglied nahe kommt.

"Ein Zirkus muss nach Zirkus aussehen"

Im bunten Zirkuszelt stehen keine Stühle. An die Manage erinnert ein Kreis voll Sägespäne, auf dem zwischen zwei Böcken ein Seil gespannt ist. Am hinteren Ende des Zelts steht ein riesiger, blauglänzender LKW, es riecht nach Lack.
"Wir haben noch Reparatur-Arbeiten. Sie müssen sich das vorstellen, wir haben Fahrzeuge, an denen muss alles gut gesichert sein. Die Reifen müssen gut sein. Und meine Söhne sind schon dabei, das in einen ordentlichen Zustand zu bringen. Denn wenn ein Zirkus verlottert und verschlottert irgendwo ankommt, dann ist das nicht das Wahre. Ein Zirkus muss auch nach Zirkus aussehen."

Täglich Training und Proben

So wie Köhler selbst sind auch seine Kinder dem Familien-Zirkus treu geblieben. Vier seiner sechs Kinder wohnen mitsamt ihren Kindern in den vielen Wohnwagen, die um das Zirkuszelt herum stehen. Vor einem der Wohnwagen ist ein faltbares Schwimmbad aufgebaut. In einer Ecke beim Zirkuszelt trainieren seine Enkel, machen schwitzend Kniebeugen und Dehnübungen.
"Hier wird jeden Tag trainiert und geprobt. Hier vergeht kein Tag, an dem sowas nicht passiert. Also Arbeit, die ist immer hier bei uns. Hier gibt es nicht 'Wir haben nichts zu tun, wir können uns mal hinsetzen'. Wie soll es mit der Artistik weiter gehen? Mensch und Tier müssen im Training bleiben, so ist das."

Die Zirkusfamilie hält die Stellung

So bringt Köhler selbst gerade einem seiner Hunde bei, auf einem Seil zu laufen. Die Artisten, die nicht zur Familie gehören, sind zu Beginn der Krise abgereist. Sie kommen aus allen Ecken Europas und wollten heim bevor die Grenzen schlossen. Sie kämen aber sofort zurück, wenn der Zirkus wieder auftreten darf, sagt Köhler. Um die Menschen macht er sich ohnehin keine großen Sorgen, er und seine Familie kämen schon irgendwie über die Runden:
"Ich sag ihnen nur eins im Leben, der Mensch kann nur essen und trinken, mehr kann er nicht. Und wir kommen mit allem gut klar. Wir sind keine Leute, die hoch auf dem Ross leben und sagen so 'Shit, wir können dieses Jahr nicht in Urlaub fahren' und wir können das nicht machen. Ich bin mein ganzes Leben noch nicht im Urlaub gewesen, Urlaub habe ich, wenn ich bei meinen Tieren bin."
Dass der Zirkus steht, das fällt ihm aber trotzdem sichtlich schwer:
"Wir müssen weiter, wir müssen spielen."
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