Ciani-Sophia Hoeder: "Wut und Böse"

Wie Frauen sich besser zur Wehr setzen

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Eine junge Frau in weißem T-Shrt macht ein wütendes Gesicht.
Lass deine Wut raus! Für viele Frauen könnte dabei die Anleitung zum Wütendsein von Ciani-Sophia Hoeder eine große Hilfe sein. © pictture alliance / Zoonar / Max
Von Vera Linß · 01.10.2021
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Von Frauen erwartet die Gesellschaft, dass sie ihre Emotionen unter Kontrolle und stets ein freundliches Lächeln parat haben. Diese Erwartungen sollten Frauen ignorieren, sagt die Journalistin Ciani-Sophia Hoeder.
Allem Fortschritt zum Trotz: Knapp hundert Jahre soll es noch dauern, bis Männer und Frauen gleichgestellt sind in Arbeit, Bildung und Politik – so eine Studie des World Economic Forums.
Aber geht es vielleicht nicht doch ein bisschen schneller? Und ob! Wie sich Gleichberechtigung beschleunigen lässt, dafür hat die Journalistin Ciani-Sophia Hoeder ein Rezept entworfen, das inspiriert und aufrüttelt.
Frauen sollten sich endlich eine wichtige Emotion zurückerobern, fordert die Journalistin, die für ihr Online-Lifestylemagazin ROSAMAG 2020 für den Grimme Online Award nominiert war. Nur mit dem wirksamen Einsatz der eigenen Wut ließen sich die Verhältnisse ändern.

Wütende Frauen gelten als unsympathisch

Doch warum eigentlich zurückerobern? Weil es Frauen nicht zugestanden wird, wütend zu sein. Es gebe ein "strukturelles Verlangen", ihnen ihre Wut abzuerkennen.
Beobachten lässt sich das allerorten, so Ciani-Sophia Hoeder. Sie berichtet von der eigenen Kindheit, als sie sich rabiat gegen einen Mitschüler verteidigte und dafür bestraft wurde. Sie lässt die Krankenschwester Monika Odum zu Wort kommen: "Zicke" wird diese genannt, weil sie sich gegen Überarbeitung zur Wehr setzt. Und sie zitiert Wissenschaftlerinnen wie die Psychologin Ursula Hess, die erforscht hat: Wütende Frauen gelten als unsympathisch. Im Gegensatz zu dominanten Männern.
Buchcover zu Ciani-Sophia Hoeder: "Wut und Böse"
Ciani-Sophia Hoeder gibt in "Wut und Böse" einige Tipps zu Strategien, wie Frauen ihre Emotionen offensiv und wirkungsvoll zeigen können.© Deutschlandradio/Hanser Verlage

Warum die Wut verschwiegen wird

Dahinter steckt System. Ciani-Sophia Hoeder macht das mit einem Blick in die Geschichte überzeugend deutlich. Wut von Frauen werde entweder ignoriert. Nach der Märzrevolution 1848 etwa blieben Frauen von der Politik ausgeschlossen, obwohl sie mit an der Seite der Männer gekämpft hatten. Oder die Wut werde verschwiegen. Beispielhaft ist für die Journalistin das verzerrte Bild der schwarzen Bürgerrechtlerin Rosa Parks. Diese habe sich nicht aus Müdigkeit geweigert, den Bus für Weiße zu verlassen, wie es oft dargestellt werde, sondern kalkuliert und aus Wut.
Ciani-Sophia Hoeder geht es um mehr als Aufklärung. Sie will Frauen aktivieren und eine "kleine Anleitung zum Wütendsein" vorlegen. Und das gelingt ihr mit Bravour. Etwa, wenn sie Techniken offenlegt, mit denen Männer fordern, den Frauen den Wind aus den Segeln nehmen.
"Tone policing" nennt sich eine Methode, mit der berechtigte Anliegen mit Verweis auf den Ton für nichtig erklärt werden. Die Umweltaktivistin Greta Thunberg hat man etliche Male auf diese Weise abgestempelt. Dahinter stünden immer Machtinteressen. Oder "Gaslighting" beschreibt die Taktik, Frauen zu suggerieren, dass sie übertreiben.

Suche deine Kämpfe gezielt aus!

Wie aber kommen Frauen aus diesem System raus? Wie machen sie Wut produktiv? Suche deine Kämpfe gezielt aus, lass dich nicht einschüchtern, verbünde dich, sind einige der Strategien, die Ciani-Sophia Hoeder zusammengetragen hat.
Ebenso wichtig: Sie belegt, dass Wut eine geschlechtsneutrale Emotion ist, die zu unterdrücken krank macht. Auch darüber hat die Journalistin mit Wissenschaftlerinnen gesprochen und stellt Forschungsergebnisse vor. Ganz klar: Wut gehört zum Leben auch bei Frauen dazu. Ein starkes Buch voll Leidenschaft, Klugheit und Herz, das allen, denen an Gleichberechtigung gelegen ist, definitiv weiterhelfen wird.

Ciani-Sophia Hoeder: "Wut und Böse"
hanserblau, München 2021
208 Seiten, 18 Euro

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