Chronisch kranke Kinder

Meist tut Bewegung gut

23:32 Minuten
Ein Kind schwimmt auf dem Rücken im Schwimmbad.
Schulkind beim Schwimmunterricht: Unter ärztlicher Aufsicht können auch chronisch kranke Kinder am Sport teilnehmen und profitieren. © picture alliance / APA / picturedesk/ Barbara Gindl
Von Peter Kolakowski  · 08.01.2023
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Ob Übergewicht, Asthma oder ADHS: Mindestens jedes fünfte Kind ist chronisch krank. Tendenz steigend. Doch obwohl Sport die Gesundheit fördert, bleiben diese Kinder oft außen vor. Das muss nicht sein.
Warum werden Lehrer und Vereinstrainer trotz vielfältiger Inklusonsbemühungen bis heute nur unzureichend auf Krankheitsbilder vorbereitet? Braucht es mehr passgenaue Sportangebote wie spezielle Reha-Kurse für Kinder und Jugendliche? 
Oder ist künftig ein umfassender, ganzheitlicherer Ansatz in Kita und Schule nötig, um die Gesundheit aller Kinder durch Bewegung zu stärken? Gerade auch, um chronischen Erkrankungen im Erwachsenenalter vorzubeugen? Warum aber dürfen viele dieser Kinder dann nicht am Schulsport teilnehmen? Oder am Sport im Verein?

Kinderrechte werden nicht beachtet

„Es gibt rein rechtlich gesehen überhaupt keine Hemmnisse, dass Kinder mit chronischen Erkrankungen am Schulsport teilnehmen könnten", sagt Katrin Jackel-Neusser, Geschäftsführerin des Kindernetznetzwerks, einem Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern und jungen Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen. In diesem Bündnis sind fast alle Kinderorganisationen zusammengeschlossen, die für eine bessere Gesundheitsversorgung kämpfen. 
In der UN-Kinderrechtskonvention ist vorgesehen, dass Kinder gefördert werden, dass sie ein Recht auf ein Höchstmaß an Gesundheit haben und dass sie genau die gleichen Möglichkeiten haben, am Schulsport teilzunehmen. "Dass man guckt, nach individueller Absprache mit den Ärzten, mit den Therapeuten, was muss man beachten, um am Sport teilzunehmen, und dann geht das ganz wunderbar."
Aber viele Kinder blieben auf der Bank sitzen, sagt Jackel-Neusser. Weil sich die Lehrkräfte nicht trauten, sie am Sportunterricht teilnehmen zu lassen. "Nur Unwissenheit, Unsicherheit und manchmal auch so ein bisschen die Faulheit der Beteiligten, miteinander ins Gespräch zu kommen. Da stehen auch Selbsthilfegruppen zum Austausch bereit, wir würden auch gerne Lehrkräfte mal schulen und es wäre leicht, dass auch mit genügend Willen umzusetzen.“

Selbsthilfegruppen leisten wichtige Arbeit

Einmal im Jahr treffen sich Eltern mit ihren Kindern zu einem Familienwochenende des am sauerländischen Möhnesee. Das Motto diesmal: Sport bei Herzschwäche. Was die Rehasport-Branche nicht leisten will und die Schule noch nicht leisten kann, wird von Selbsthilfevereinen wie dem "Bundesverband Herzkranke Kinder" mit viel Schweiß und Engagement nachgeholt.
Am Möhnesee können die Kinder nach Lust und Laune herumtoben, turnen oder schwimmen lernen. Eltern können sich Vorträge von renomierten Kinder- und Sportärzten anhören, so auch von Kindersportmediziner und Herzspezialist Hannes Herholz:  „Beim Turnen sehe ich keine Probleme, nur diese statischen Belastungen wie am Reck oder am Barren, das ist nicht unbedingt förderlich."

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Sehr viele Eltern und Kinder aus ganz Deutschland seien gekommen, um sich zu informieren und Spass zu haben, sagt Hermine Nock, Geschäftsführerin des "Bundesverbandes Herzkranke Kinder". Rehasport könne für herz- und andere chronisch kranke Kinder nur eine Ergänzung zum klassischen Schul- und Vereinssport sein, nicht zuletzt weil es zu wenig Rehasport-Angebote für Kinder gibt.
„Die berufstätigen Eltern haben so viele Termine zu stemmen, wenn die dann auch noch einmal die Woche zum Herzsport müssen, ist das eine zusätzliche Belastung", so Nock. "Das war aber das ideale Sprungbrett, damit die Kinder und auch die Eltern mit Sicherheit ihre Kinder in den Breitensport überführen konnten. Und wo eigentlich ein guter Trainer, eine gute Trainerin auf die besonderen Bedürfnisse Rücksicht nehmen kann." 

Zu wenig fachgerechte Betreuung

Übrigens gilt für alle Kinder, dass sie sich zu wenig bewegen. Das wurde aktuell vom Deutschen Ethikrat und auf dem letzten Bewegungsgipfel im Dezember erklärt, an dem viele Minister und Sportexperten teilgenommen haben! 80 Prozent der Kinder bewegen sich zu wenig oder gar nicht.
„Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin fordert seit langem, dass wir stärkere verhaltenspräventive Maßnahmen brauchen", sagt Berthold Koletzko, Professor für Kinder- und Jugendmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Mitglied der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. "Es ist interessanterweise so dass viele Studien zeigen, dass Bewegung nicht nur mit Wohlbefinden zusammenhängt, sondern auch mit Leistungsfähigkeit in der Schule."
Berthold Koletzko, Professor für Kinder- und Jugendmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
"Bewegung muss Spaß machen, dann werden die Angebote auch angenommen", sagt Berthold Koletzko, Professor für Kinder- und Jugendmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.© Imago / Reiner Zensen
Ganz wichtig sei es Kinder einzubinden, die krank seien oder übergewichtig. Sie im Schulsport zu motivieren, sei nicht leicht, weil sie sich beispielsweise bei Ausdauersportarten leicht als Verlierer sähen. "Da ist es natürlich ganz wichtig, ein Angebot zu machen, wo Bewegung auch Spaß macht, wo sie mit Bewegung Spiel und Freude haben, denn nur dann wird Bewegung regelmäßig umgesetzt“, sagt Koletzko. Jedes fünfte Kind sei inzwischen zu dick und leide an Übergewicht. "Andere wieder möchten am liebsten gar nichts mehr essen. Sie glauben, je dünner sie sind, würden sie mehr geliebt oder sähen besser aus, so wie die Leute auf Instagram oder bei Heidi Klum!“
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