Christoph von Dohnányi bei den Wiener Philharmonikern

Atmosphärisch dicht

Der Dirigent Christoph von Dohnányi
Dirigent mit Weitblick: Christoph von Dohnányi © Archiv Deutschlandradio
Moderation: Olaf Wilhelmer · 10.12.2019
Klang und Struktur, Trauer und Erlösung: Mit einem subtil komponierten Programm schlagen die Wiener Philharmoniker einen Bogen von der hauseigenen Tradition zur internationalen Moderne- von Brahms zu Ligeti. Am Pult Altmeister Christoph von Dohnányi.
"Brahms, der Fortschrittliche": Mit diesem vielzitierten Schlagwort deutete Arnold Schönberg nicht nur die Musik des romantischen Klassizisten Johannes Brahms neu, sondern ordnete seine eigene Schule in die Wiener Tradition ein. So avanciert die Musik von Schönberg, seinen Lieblingsschülern Anton Webern und Alban Berg nebst anderen Komponisten auch wirken mochte, so sehr wurzelte sie immer in der Musikweltstadt an der Donau.
Wenn die Wiener Philharmoniker Brahms‘ Dritte Sinfonie mit dem Violinkonzert von Alban Berg kombinieren, bringen sie zwei im Grunde genommen eng verwandte Stücke zusammen: Äußerst subtil gesetzt, mit zahlreichen Anspielungen versehen, zugleich nostalgisch – und ja, "wienerisch" klingend, wie eine Vortragsbezeichnung bei Alban Berg lautet. Sein Violinkonzert, "Dem Andenken eines Engels" gewidmet, ist ein instrumentales Requiem für Manon Gropius, eine Tochter der mit Berg eng verbundenen Alma Mahler-Werfel.

Ouvertüre mit Vorspiel

Eine nicht weniger sinnfällige Konstellation leitet das Konzert im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins – in dem die Philharmoniker einst Brahms‘ Dritte uraufführten – ein: Die "Atmosphères" von György Ligeti, jenes immer wieder Staunen erregende, überaus feingliedrige Klanggespinst aus dem Jahre 1961, gehen nahtlos in das zarte Tremolo über, mit dem Richard Wagner sein "Lohengrin"-Vorspiel beginnt.
Der Goldene Saal des Wiener Musikvereins
Atmosphärische Hülle: Der Goldene Saal des Wiener Musikvereins gilt als einer der schönsten und wohlklingendsten Konzertsäle der Welt© Archiv Deutschlandradio
Für dieses wahrhaft "atmosphärische" Programm haben die Wiener Philharmoniker einen Dirigenten eingeladen, der zu den "Großen Alten" der Kapellmeisterzunft zählt und der kürzlich seinen 90. Geburtstag feiern konnte. Mehr als 100 Mal stand Christoph von Dohnányi schon am Pult der Wiener Philharmoniker bzw. im Graben des Orchesters der Wiener Staatsoper. Stets vermochte er den "Wienern" außergewöhnliche Impulse zu vermitteln, indem er über die Grenzen des Repertoires hinaus dachte und seine Interpretationen mit analytischem Scharfsinn und phänomenaler Transparenz vorstellte.
Olaf Wilhelmer im Gespräch mit Christoph von Dohnányi:
Aufzeichnung vom 24. November 2019 im Musikverein Wien
György Ligeti
"Atmosphères" für großes Orchester
Richard Wagner
Vorspiel zum 1. Aufzug der Romantischen Oper "Lohengrin"
Alban Berg
Konzert für Violine und Orchester ("Dem Andenken eines Engels")
Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 3 F-Dur op. 90
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