Christoph Heesch, Daria Tudor und das Philharmonische Streichquartett

Kammermusik aus der Universität der Künste Berlin

Der junge Cellist mit schwarzen, kurzen Haaren steht mit seinem Instrument vor einem Graffiti, das eine große, rote Hand mit gekrümmten Fingern zeigt.
Der Cellist Christoph Heesch © Christoph Heesch / Nikolaj Lund
Moderation: Christine Anderson  · 02.03.2021
Frühlingshafte Kammermusik für Duo und Streichquartett. Auf dem Programm: Werke von Prokofjew, Tsintsadze und Dvořák, voller Naturklänge und reich an tänzerischer Energie.
Die Künstler des heutigen Abends gehören der jungen und sehr jungen Generation an. Die Pianistin Daria Tudor und der Cellist Christoph Heesch studieren an der Universität der Künste Berlin. Das Philharmonische Streichquartett ist eine Kammermusikformation der Berliner Philharmoniker. Das Ensemble wurde im Winter 2018 gegründet und widmet sich seither den verschiedensten Epochen der Quartettliteratur.
Mitgeschnitten wurde in zwei Sälen der Universität der Künste Berlin. Und auch das Tonmeisterteam, das für den guten Klang der Aufzeichnungen verantwortlich war, besteht aus Studierenden dieses Hauses.

Einzige Cellosonate Prokofjews

Mit dem ersten Programmpunkt begegnen wir gleich einem späten Meisterwerk von Sergej Prokofjew. Entstanden ist seine Sonate für Violoncello und Klavier op. 119 im Jahr 1949, sie ist das einzige Werk Prokofjews für diese Besetzung.
Die Sonate hat eine gleich zweifache Widmung, einerseits ist sie dem Cellisten Mstislaw Rostropowitsch zugeeignet, der das Werk unzählige Male gespielt hat, andererseits ist sie Levon Tadevosovich Atowmjan gewidmet, einem Freund von Dmitrij Schostakowitsch, der aus zahlreichen seiner Filmmusiken und Ballette Orchestersuiten für den Konzertsaal zusammengestellt hat.

Oberflächlich massentauglich

Prokofjews Cellosonate entstand 1949, in einer schwierigen Zeit. Ein Jahr zuvor, im Februar 1948 hatte Prokofjew - genau wie Schostakowitsch - harsche Angriffe der stalinistischen Kulturbürokraten hinnehmen müssen.
Der gegen die beiden in einer öffentlichen Kampagne vorgebrachte Vorwurf des "Formalismus" und die dahinterstehende Unterstellung "westlicher Dekadenz" konnte zu Aufführungsverbot oder Deportation führen und eine Künstler-Existenz zerstören. Prokofjew erfüllt danach oberflächlich alle Forderungen nach Volkstümlichkeit seiner Musik und macht sich damit unangreifbar, jedoch zieht er bei vielen folkloristischen Momenten eine zweite, quasi schattenhafte Ebene ein.

Blendend hell

Der Schluss des dritten Satzes zum Beispiel mündet demonstrativ in ein reines C-Dur. Hier hat Prokofjew mit Hilfe von Rostropowitsch den Spielern zwei unterschiedliche Varianten des Notentextes angeboten. Unsere Musiker haben die virtuosere von beiden ausgewählt.
Eine junge Frau mit langen, braunen Haaren sitzt vor einer Wand, an der sich die hellen Reflexionen eines Fensters abzeichnen.
Die rumänische Pianistin Daria Tudor ist heute Klavierpartnerin.© Damir Babacic
Virtuos auf ganz andere, eher traditionelle, Weise sind die "Fünf Stücke im Volkston" des georgischen Komponisten Sulkhan Tsintsadze. Geboren 1925, wurde er in Tiflis und Moskau als Cellist und Komponist ausgebildet. Tsintsadse war Mitglied des Georgischen Streichquartetts und wurde später Professor und zeitweise auch Leiter des Konservatoriums in Tiflis. Sein Werkverzeichnis umfasst vier Sinfonien, zwei Opern, einige Ballette, zwölf Streichquartette und vieles mehr.

Komponierte Folklore

Seine "Fünf Stücke im Volkston" sind im Jahre 1950 entstanden, 25 Jahre war der Komponist damals alt. Sie sind dem legendären russischen Cellisten Daniil Shafran gewidmet, der für sein hochvirtuoses und risikoreiches Spiel bewundert wurde und die Stücke oft aufgeführt hat.
Das Werk besteht aus Sätzen, die Liedern und Tänzen aus der georgischen Heimat des Komponisten nachempfunden sind.

Musik für den Ringkampf

Der erste Satz heißt "Arobnaja", das bedeutet so viel wie "Handkarren-Lied". Der zweite Satz ist nach dem Instrument "Tschonguri" benannt", einer gezupften Laute aus dem Westen Georgiens. Tsintsadse hat hier das Solo-Cello dem Charakter der Laute angenähert, in dem er es ohne Bogen einsetzt, alle Töne werden also durch Zupfen der rechten und linken Hand erzeugt. Auch der dritte Satz, "Satchidao", hat Bezug zu einer kaukasischen Tradition, zu den alt-georgischen Ringkämpfen, die schon in Quellen aus dem 9. Jahrhundert erwähnt werden.
Zwei Ringer werden dabei während des Kampfes auf einem Sandplatz vom Kreis der Zuschauer angefeuert. Dazu singt und spielt man eine bestimmte Musik, eben den Sachidao. An vierter Stelle steht dann ein Wiegenlied und ganz zuletzt folgt nochmals ein schnelles Tanzlied.

Endlich wieder in Böhmen

Das 13. Streichquartett in G-Dur ist, wie auch das 14. Quartett, im Jahr 1895 entstanden und gehört zu den weniger bekannten Kammermusikwerken von Antonín Dvořák. Trotz seiner Reize stand es stets im Schatten des "Amerikanischen Quartetts".
Dvořák war nach der dreijährigen amerikanischen Episode seit 1895 wieder zu Hause in Böhmen. Er erfreute sich an seinem Garten, hörte den Singvögeln zu, machte Spaziergänge in der Natur. Bald begannen die Einfälle nur so aus ihm herauszusprudeln und in wenigen Wochen entstand das G-Dur-Quartett. Naturklänge, prägnante gestische Einfälle, die an Dvořáks orchestrale Märchendichtungen voller Hexen und Kobolde erinnern, und auch ein böhmisches Dorffest mit seinen ausgelassenen Springtänzen meint man, vor sich zu sehen.
Aufzeichnung vom 1. und 2. März 2021
aus dem Konzertsaal und dem Kammermusiksaal der Universität der Künste Berlin
Sergej Prokofiew
Sonate für Violoncello und Klavier C-Dur, op. 119
Sulkhan Tsintsadze
"Fünf Stücke im Volkston"

Christoph Heesch Violoncello
Daria Ioana Tudor, Klavier

Konzertpause
Christine Anderson im Gespräch mit Helena Berg, Daria Tudor und Christoph Heesch
Antonín Dvořák
Streichquartett in G-Dur Nr. 13, op. 106

Philharmonisches Streichquartett:
Dorian Xhoxhi, 1. Violine
Helena Berg, 2. Violine
Kyoungmin Park, Viola
Christoph Heesch, Violoncello

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