Christian Jankowski

Meister der verwirrenden Performance

Der Videokünstler Christian Jankowski spricht am Sonntag (20.05.2012) während des Gottesdiensts in der evangelischen Brenzkirche in Stuttgart im Gewand eines Pfarrers. Erstmals wird die Videoinstallation "Casting Jesus" von Jankowski, die zeigt wie eine Jury unter 13 Schauspielern Jesus castet, in einer Kirche gezeigt.
Der Videokünstler Christian Jankowski im Gewand eines Pfarrers (Videoinstallation "Casting Jesus"). © picture alliance / dpa / Franziska Kraufmann
Von Anette Schneider · 06.07.2015
Christian Jankowski ist der Chefironiker des Kunstbetriebs. Jetzt erhielt der Video- und Performancekünstler in Hamburg den Finkenwerder Kunstpreis – und nutzte auch diesen Anlass, um das Publikum in die Irre zu führen.
"Hallo und herzlich willkommen zu unserer Sendung auf Vernissage TV. Wir sind immer noch auf der Messe Art Cologne 2008, und Sie können sich hier in dieser Sendung auf ganz, ganz tolle Kunstwerke freuen..."
Verkaufsfernsehen für Kunst, made by Christian Jankowski.
Als würden sie Hausschuhe und Kochtöpfe anpreisen, bieten eine Moderatorin und ein Moderator Kunst an: Jeff Koons, Richard Artschwager, Franz West - und: Christian Jankowski. Die eingeblendete Telefonnummer wird eifrig genutzt.
Der Video- und Performancekünstler Christian Jankowski inszeniert Gespräche und Rollenspiele so geschickt, dass man als Besucher oft nicht weiß: Ist es Fake oder Wirklichkeit?
So erging es auch den geladenen Gästen bei der Preisverleihung des Finkenwerder Kunstpreises, als ein Kunstvermittler von Airbus ans Mikrofon trat und verkündete, der Konzern werde ab sofort eine eigene Kunstsammlung aufbauen:
"Und - sonst wäre es ja kein Jankowski, gibt es da auch noch eine andere Ebene, in der er seiner Kunstberatung eine neue Komponente hinzufügt. Nämlich: Er konnte mich davon überzeugen die erste Edition dieser neuen Arbeit 'Kunstberatung' Airbus zu schenken."
Spielerisch und selbstironisch
Jankowskis Film-Collagen enthüllen spielerisch, ironisch und selbstironisch die Abgründe von Kunstbetrieb, Kunstmarkt und Medienmacht. Dabei arbeitet er gern mit ausgewiesenen Experten zusammen: Am Anfang seiner Künstlerlaufbahn befragte er Wahrsagerinnen nach seiner Karriere. In einem öffentlichen Gespräch bat er Literaturkritiker um Tipps zum Schreiben eines Buches - die er dann in die Praxis umsetzte. Und in "Casting Jesus" wählen Vertreter des Vatikan aus 12 Schauspielern den besten aller Jesusse aus.
"Ich glaube an Experten. Die haben ja schon ein ganz eigenes Fachwissen. Eine eigene Art, die Welt zu sehen, auf die Welt zu gucken, Sachen und Situationen zu analysieren. Genau da sehe ich große Verwandtschaft zu Kunstwerken, die eigentlich auch immer wieder ermöglichen, ein anderes Weltbild zu vermitteln oder eine andere Perspektive auf die Welt, in der wir leben, zu werfen."
Der Performance- und  Videokünstler Christian Jankowski, aufgenommen am 25.7.2008 bei einem Dreh im Kunstmuseum in Stuttgart
Der Künstler Christian Jankowski (r), aufgenommen bei einem Dreh im Kunstmuseum in Stuttgart© picture-alliance / dpa / Bernd Weißbrod
Im Kunsthaus zeigt Christian Jankowski Fotografien und Video-Filme aus gut 20 Jahren. Gleich im Foyer läuft die Arbeit "Heavy Weight History", die vor zwei Jahren in Warschau entstand, und in der ein aufgeregter Reporter eine Gruppe Gewichtsheber bei sehr eigenwilligen Sportübungen begleitet:
"Die Association of Polish Weight Lifters, und die kamen dann aus dem ganzen Land angereist in die Hauptstadt, und haben dort Skulpturen, die im öffentlichen Raum stehen, versucht anzuheben und zu stemmen als Gemeinschaftssport. Es ist ja eigentlich ein singulärer Sport, wo die alleine gegeneinander kämpfen. Auf einmal geht es da um Gruppensport, Mannschaftssport."
Denkmale stürzen – und alles andere
Ob der Revolutionär Ludwig Warynski oder eine gewaltige Skulptur von Ronald Reagan - die Männer geben ihr Bestes. Jankowskis Arbeit ist ein irrwitziges Sinnbild dafür, wie Geschichte auf unseren Schultern lasten kann. Doch, so suggeriert das gemeinsame Handeln eben auch: Wenn wir schon Denkmalestürzen können, können wir noch ganz anderes stürzen!
Der Künstler, der seit zehn Jahren eine Professur in Stuttgart innehat, lernte in den 90er-Jahren bei Franz Erhard Walter in Hamburg. Dort entstanden auch zwei weitere Videoinstallationen, die in der Ausstellung zu sehen sind. für die Arbeit "Ungläubiges Glück" muss man auf einen Nachbau des Checkpoint-Charlie klettern:
"Und wir saßen da und haben ein paar Bier getrunken. Und auf einmal sagt der Wirt über den Tresen: Die Deichtorhallen sind geöffnet! Äh, also das konnten wir überhaupt nicht glauben."
Der Film erzählt eine witzig-verwirrende Geschichte über den Zufall, dass die Eröffnung der Hamburger Deichtorhallen auf den selben Tag fiel wie der Mauerfall.
Und in einem Science-Fiction-Film untersucht Jankowski hinterlistig, was 100 Jahre nach Eröffnung der Galerie der Gegenwart von der damals dort präsentierten Kunst übrig geblieben ist.
"Es geht also oft auch um eine Interpretation der Interpretation, wie sich Geschichte eben kreativ weiter verändert. Dass auch die Wichtigkeit, oder dass, was jetzt gerade als wichtige Kunst angesehen wird, natürlich auch unglaublich dadurch wichtig wird, wie wichtig man es jetzt gerade macht. Und dass es auch nicht für immer so sein muss."
Weshalb man sich in Jankowskis Kunst-Verkaufsfernsehen statt für die Plastikblume von Jeff Koons vielleicht lieber doch für die DVD von Jankowski entscheiden sollte.

Die Ausstellung CHRISTIAN JANKOWSKI  - Überbelieferte Kunstgeschichte anlässlich der Verleihung des diesjährigen Kunstpreises Finkenwerder ist bis zum 23.8.2015 im Kunsthaus Hamburg zu sehen.

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