Chris Marker dachte "Ökonomie, Politik und Ästhetik zusammen"

Christa Blüminger im Gepräch mit Gabi Wuttke · 30.07.2012
Als einen zentralen "neuen" Filmemacher des 20. Jahrhunderts hat die Filmwissenschaftlerin Christa Blüminger den verstorbenen Chris Marker gewürdigt. Der französische Künstler sei ein Vorreiter des Experiments und der Intermedialität gewesen, so Blüminger.
Die Filmwissenschaftlerin Christa Blüminger von der Université Paris betonte, dass der öffentlichkeitsscheue Chris Marker sehr produktiv und sehr kommunikativ gewesen sei und über ein unglaublich beeindruckendes Netzwerk verfügt habe. Bis kurz vor seinem Tod im Alter von 91 Jahren, sei er mit vielen für ihn wichtigen Menschen in Kontakt gewesen und habe sich mit ihnen ausgetauscht.

Seine Leistung als Filmemacher sei es gewesen, neue Formen des Essayismus im Bereich des Dokumentarfilms zu entwickeln, sagte Blüminger. Weil er von der Fotografie und der Schriftstellerei kam, habe er zu den Berufenen gehört, dieses neue Text-Bild-Verständnis zu denken, erläuterte sie.

In seinem ersten Film "Les statues meurent aussi" von 1953 sei er für seinen Mitregisseur und Freund, Alain Resnais, sehr wichtig gewesen: "Weil Marker Montageformen, die er schon entwickelt hatte in seinen Fotobüchern, für den Film fruchtbar machte."

Besonders faszinierend sei für sie, dass Marker sich als Vorreiter in seinem ganzen Werk treu geblieben sei: politisch und ästhetisch. Er habe immer aus der Perspektive der Zukunft die Gegenwart betrachtet und dabei ständig mit verschiedenen Medien experimentiert. Zuletzt habe er sich als Künstler sehr intensiv mit dem Medium Internet beschäftigt. Wie sein Kollege Jean-Luc Godard sei Chris Marker immer seiner Zeit voraus gewesen, so Blüminger.

Marker habe einer Künstlergeneration angehört, die Geschichte selbst gemacht habe: "Marker war im Widerstand tätig, das hat ihn wohl sehr geprägt." Ohne sich je ideologisch zu verfangen, sei er politisch äußerst engagiert gewesen, sagte Blüminger. Weil Marker seinen kritischen Geist behalten habe, zeigen seine Arbeiten bis zuletzt, wie gut er es verstand, "Ökonomie, Politik und Ästhetik zusammen zu denken".

Das vollständige Gespräch mit Christa Blüminger können Sie mindestens bis zum 30.12.2012 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.