Chorgesang statt Blutbad
Im klassischen Western folgt Schuss auf Schuss – nur der Held überlebt. Bei Julian Rosefeldt hingegen findet sich spontan ein Cowboy-Chor zusammen. Der Filmemacher spielt mit den Erwartungen der Zuschauer und sorgt für originelle Überraschungen.
„Ich hab einen Sohn, der ist zweieinhalb Jahre alt. Für den besteht die Welt aus der Oderberger Straße, aus Paris, München und Berlin – da waren wir zuletzt. Und wenn irgendjemand weggeht, fragt er immer: Gehst du nach München, gehst du in die Oderberger Straße ... is total super. Der erschließt sich seine Welt jetzt ganz neu so für sich. Und jeden Tag bin ich erfreut und überrascht davon, wie der mir die Welt beschreibt, wie der mir zeigt, wie die Welt eigentlich funktioniert.“
Es ist genau dieser frische Blick auf die Welt, der Julian Rosefeldts Filminstallationen ausmacht.
Bei seiner neuesten Arbeit, einem Western, findet im Saloon gerade eine fröhliche Schlägerei statt, als fünf Männer die Szene betreten.
Ein Schuss in die Decke, plötzlich ist es totenstill. Alle starren auf den Schützen – und der geübte Western-Zuschauer erwartet nun eine wilde Schießerei, ein Blutbad. Doch stattdessen formieren sich die Cowboys, die sich eben noch geprügelt haben, zu einem Chor und singen ...
„Ja du bist darauf vorbereitet, dass dies und das passiert in einem Western. Und ich lass halt was völlig anderes passieren – was dann wiederum im Umkehrschluss dir vor Augen führt, wie sehr du dich eigentlich in bestimmten Erfahrungsmustern bewegst und das erwartest. Und das ist, glaub ich, das mit dem Überraschungsmoment – dass dir das den Boden unter den Füßen wegzieht, weil du auf einmal was siehst, was da gar nicht sein soll.“
„American Night“, so der Titel der Installation, besteht aus fünf Filmen, die gleichzeitig auf fünf Leinwänden ablaufen: ein Cowboy, der durch eine einsame Landschaft reitet, eine leere Westernstadt, ein paar Männer am Lagerfeuer, ein Saloon und eine Frau, die vor einer Blockhütte wartet.
Es ist eine Auseinandersetzung mit der Konstruktion von Filmrealität und dem amerikanischen Gründungsmythos von Freiheit und Unabhängigkeit. Etwa, wenn mitten in der Westernstadt ein Hubschrauber landet, aus dem GIs springen, die die Häuser einnehmen.
„Ich schließ diesen Gründungsmythos kurz quasi mit Gegenwartspolitik, mit dem was draus geworden ist und mit der Pervertierung dieses Freiheitsgedankens.“
Wie alle seine Filme hat Julian Rosefeldt auch „American Night“ detailverliebt und mit großartigen Bildern inszeniert. Der 43-jährige gebürtige Münchener mag das Barocke und das Malerische an Landschaften. Und er mag es, auf richtigem Film, auf Zelluloid zu drehen, statt auf Video.
„Mich interessiert das Filmen mit Film, weil es sehr malerisch ist – man geht anders ran als beim Video. In dem Moment, wo du ein Lastwagen voll Licht irgendwo aufbauen musst, fängst du natürlich schon genau an drüber nachzudenken: über Farben und Texturen und Licht und Schatten und frag mich was. Und dann kommen die ganzen anderen Gewerke dazu. Also man arbeitet eher so Schicht für Schicht, eben wie in der Malerei.“
Rosefeldt, der inzwischen mit seiner Lebensgefährtin und zwei Kindern in Berlin wohnt, ist groß und schlaksig, hat kurze, graue Haare und blaue Augen. Der studierte Architekt begann seine künstlerische Laufbahn mit dem Fotografieren von Reisereportagen. – Oder genauer gesagt: Er begann sie, als er wegen einer – wie er es nennt – „plötzlich auftretenden Foto-Lähmung“ – aufhörte, zu fotografieren.
„Ich war in Havanna, wollte eigentlich ganz viel Fotografieren und sah diese ganzen Klischeepostkarten. Und ich hatte überhaupt keinen Bock da auch nur ein einziges Bild zu machen – weil ich das Gefühl, alles was ich da mache, hat relativ wenig mit mir selbst zu tun. Und ich bin so eine Art von Erfüllungsgehilfe und mach eigentlich Bilder, die andere Leute im Kopf haben. Nicht die, die ich selber im Kopf hab.“
Also nimmt Julian Rosefeldt diese „Bilder der anderen“ genauer unter die Lupe. Gemeinsam mit seinem Studienkollegen Piero Steinle analysiert er Filmschnipsel aus Kino- und Fernseharchiven und ordnet sie zu Collagen. – Erst 1999, als Rosefeldt wegen eines Stipendiums nach Berlin kommt, beginnt er, eigene Bilder zu drehen.
„Ein Thema, was immer wieder aufkommt ist so – ja schon irgendwie der Mensch zurückgeworfen auf sich selbst, oder irgendwie der Mensch im Angesicht von irgendwas Übermächtigen oder so. Der Mensch am Abgrund. Aber eben um Gottes Willen nie pessimistisch.“
In „Stunned Man“, dem zweiten Teil seiner „Trilogie des Scheiterns“ zeigt Rosefeldt einen Berlin-Mitte-Typen im Hamsterrad des Lebens. Er kocht sich einen Espresso, nimmt ein Buch aus dem Regal, setzt sich an seinen Laptop. Daneben, auf der zweiten Leinwand, ist der gleiche Mann zu sehen – in einer gespiegelten Wohnung. Scheinbar völlig grundlos tritt er das Bücherregal um und legt nach und nach die ganze Wohnung in Schutt und Asche. Schließlich springt der Mann durch den Badezimmerspiegel, in die andere Wohnung und beginnt sein Werk von vorn – während sich der erste ans Aufräumen macht.
„Es gibt natürlich immer ein großes Vergnügen an der Tragik, es ist immer sehr humorbelastet. Jemand der in einem Kinofilm über sein Schicksal weint ist ja ungleich viel unerträglicher wie jemand, der es gar nicht bemerkt. Und das ist ein Gedanke, der mir an meinen Figuren gefällt, dass das Leute sind, die in so einer komischen aberwitzigen Situation sich befinden, aber sich dieses Aberwitzes gar nicht bewusst sind.“
Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im „Chor der Woche“ sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der „normalen“ Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.
Es ist genau dieser frische Blick auf die Welt, der Julian Rosefeldts Filminstallationen ausmacht.
Bei seiner neuesten Arbeit, einem Western, findet im Saloon gerade eine fröhliche Schlägerei statt, als fünf Männer die Szene betreten.
Ein Schuss in die Decke, plötzlich ist es totenstill. Alle starren auf den Schützen – und der geübte Western-Zuschauer erwartet nun eine wilde Schießerei, ein Blutbad. Doch stattdessen formieren sich die Cowboys, die sich eben noch geprügelt haben, zu einem Chor und singen ...
„Ja du bist darauf vorbereitet, dass dies und das passiert in einem Western. Und ich lass halt was völlig anderes passieren – was dann wiederum im Umkehrschluss dir vor Augen führt, wie sehr du dich eigentlich in bestimmten Erfahrungsmustern bewegst und das erwartest. Und das ist, glaub ich, das mit dem Überraschungsmoment – dass dir das den Boden unter den Füßen wegzieht, weil du auf einmal was siehst, was da gar nicht sein soll.“
„American Night“, so der Titel der Installation, besteht aus fünf Filmen, die gleichzeitig auf fünf Leinwänden ablaufen: ein Cowboy, der durch eine einsame Landschaft reitet, eine leere Westernstadt, ein paar Männer am Lagerfeuer, ein Saloon und eine Frau, die vor einer Blockhütte wartet.
Es ist eine Auseinandersetzung mit der Konstruktion von Filmrealität und dem amerikanischen Gründungsmythos von Freiheit und Unabhängigkeit. Etwa, wenn mitten in der Westernstadt ein Hubschrauber landet, aus dem GIs springen, die die Häuser einnehmen.
„Ich schließ diesen Gründungsmythos kurz quasi mit Gegenwartspolitik, mit dem was draus geworden ist und mit der Pervertierung dieses Freiheitsgedankens.“
Wie alle seine Filme hat Julian Rosefeldt auch „American Night“ detailverliebt und mit großartigen Bildern inszeniert. Der 43-jährige gebürtige Münchener mag das Barocke und das Malerische an Landschaften. Und er mag es, auf richtigem Film, auf Zelluloid zu drehen, statt auf Video.
„Mich interessiert das Filmen mit Film, weil es sehr malerisch ist – man geht anders ran als beim Video. In dem Moment, wo du ein Lastwagen voll Licht irgendwo aufbauen musst, fängst du natürlich schon genau an drüber nachzudenken: über Farben und Texturen und Licht und Schatten und frag mich was. Und dann kommen die ganzen anderen Gewerke dazu. Also man arbeitet eher so Schicht für Schicht, eben wie in der Malerei.“
Rosefeldt, der inzwischen mit seiner Lebensgefährtin und zwei Kindern in Berlin wohnt, ist groß und schlaksig, hat kurze, graue Haare und blaue Augen. Der studierte Architekt begann seine künstlerische Laufbahn mit dem Fotografieren von Reisereportagen. – Oder genauer gesagt: Er begann sie, als er wegen einer – wie er es nennt – „plötzlich auftretenden Foto-Lähmung“ – aufhörte, zu fotografieren.
„Ich war in Havanna, wollte eigentlich ganz viel Fotografieren und sah diese ganzen Klischeepostkarten. Und ich hatte überhaupt keinen Bock da auch nur ein einziges Bild zu machen – weil ich das Gefühl, alles was ich da mache, hat relativ wenig mit mir selbst zu tun. Und ich bin so eine Art von Erfüllungsgehilfe und mach eigentlich Bilder, die andere Leute im Kopf haben. Nicht die, die ich selber im Kopf hab.“
Also nimmt Julian Rosefeldt diese „Bilder der anderen“ genauer unter die Lupe. Gemeinsam mit seinem Studienkollegen Piero Steinle analysiert er Filmschnipsel aus Kino- und Fernseharchiven und ordnet sie zu Collagen. – Erst 1999, als Rosefeldt wegen eines Stipendiums nach Berlin kommt, beginnt er, eigene Bilder zu drehen.
„Ein Thema, was immer wieder aufkommt ist so – ja schon irgendwie der Mensch zurückgeworfen auf sich selbst, oder irgendwie der Mensch im Angesicht von irgendwas Übermächtigen oder so. Der Mensch am Abgrund. Aber eben um Gottes Willen nie pessimistisch.“
In „Stunned Man“, dem zweiten Teil seiner „Trilogie des Scheiterns“ zeigt Rosefeldt einen Berlin-Mitte-Typen im Hamsterrad des Lebens. Er kocht sich einen Espresso, nimmt ein Buch aus dem Regal, setzt sich an seinen Laptop. Daneben, auf der zweiten Leinwand, ist der gleiche Mann zu sehen – in einer gespiegelten Wohnung. Scheinbar völlig grundlos tritt er das Bücherregal um und legt nach und nach die ganze Wohnung in Schutt und Asche. Schließlich springt der Mann durch den Badezimmerspiegel, in die andere Wohnung und beginnt sein Werk von vorn – während sich der erste ans Aufräumen macht.
„Es gibt natürlich immer ein großes Vergnügen an der Tragik, es ist immer sehr humorbelastet. Jemand der in einem Kinofilm über sein Schicksal weint ist ja ungleich viel unerträglicher wie jemand, der es gar nicht bemerkt. Und das ist ein Gedanke, der mir an meinen Figuren gefällt, dass das Leute sind, die in so einer komischen aberwitzigen Situation sich befinden, aber sich dieses Aberwitzes gar nicht bewusst sind.“
Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im „Chor der Woche“ sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der „normalen“ Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.