Chor der Woche

Gesang aus dem Schweinestall

Drei Schweine stehen in einem Stall und gucken in die Kamera.
Das heutige Opernhaus von Klein Leppin war früher ein Schweinestall. © dpa/picture alliance/Bernd Wüstneck
Von Wolfgang Heidelk · 06.06.2014
Die Brandenburger Ortschaft Klein Leppin hat gerade mal 60 Einwohner. Dennoch gibt es dort ein Opernhaus: Im Schweinestall der einstigen LPG wird jedes Jahr ein Stück inszeniert. Mit dabei ist der Klein Leppiner Opernchor.
"Wir merken uns das. Ich find das eh sehr schön so. Und was hast Du für Schuhe?"
Bühnen- und Kostümbildner Aurel Lenfert schaut eine Chordame prüfend an. Sie hat eine ärmellose weiße Leinenbluse und einen langen weißen Rock angezogen. Auch Anke Sengebusch ist mit zwei prall gefüllten Plastiktüten zur Kostümprobe gekommen.
Anke Sengebusch: "Ja, es ist halt in allen Bereichen self-made-Oper. Und insofern läuft es jedes Jahr so, dass wir erst mal in unseren privaten Kleiderschrank gucken. Was für Sachen haben wir da, die entsprechend dem Konzept für diese Oper passen könnten."
Aurel Lenfert: "Es gibt zwei Gruppen, die Dido-Gruppe und die Aeneas-Gruppe. Die Landbevölkerung und die Seebevölkerung ist das bei uns und die sind in zwei Farben auseinanderzuhalten."
Nämlich weiß und beige. Die Damen nehmen die Tipps vom Profi dankbar an. Marie-Luise Schmidt hat die Anprobe schon hinter sich:
"Das gehört in Klein Leppin dazu. Das ist Teil des Programms. (Lachen) Find ich gut. Dies Jahr war es nicht so schwierig. Weiß hab ich ziemlich viel."
"So, Hexen, runter zur Probe. Der Chef wartet!"
Der Teufel kam aus der Heuluke
Stimmtraining mit Gesangspädagogin Birgit Bockler. Sie war schon bei den ersten Inszenierungen dabei, als noch viel draußen gespielt wurde, vor dem Schweinestall. Zum Beispiel bei Webers "Freischütz" 2005. Da standen im Stall noch die Futterrinnen für die Schweine:
"Der Teufel kam sozusagen aus der Heuluke raus. Das wurde richtig benutzt und da war noch nichts dran getan."
Inzwischen wurde viel gewerkelt und gebaut, alles wirkt frisch – und die Akustik stimmt sowieso.
"Ich finde, dass der Schweinestall besonders gut klingt. Man hört sich gut, hat einen guten Rückhall. Nicht übermäßig. Das find ich immer ganz besonders, da zu singen."
Die Hexen singen von der Freude an ihrem zerstörerischen Werk. Und die weiß gestrichenen Stahlträger im einstigen Stall muten jetzt fast antik an, passend zur Zeit der Handlung von "Dido und Aeneas".
Martina Christlieb übt ihre Partie auch bei der Arbeit, wenn sie zum Beispiel auf einem Traktor sitzt:
"Na ich habe mein Handy immer dabei und dann hab ich meine Kopfhörer drin und ich nehm ja grundsätzlich immer die Lieder auf, die wir singen."
Martina Christlieb ist seit zehn Jahren im Klein Leppiner Opernchor.
"Weil mir das solchen Spaß macht, hier mitzusingen. Ich kann auch keine Noten. Bin eigentlich totaler Laie. Aber man traut sich jetzt mehr zu. Am Anfang hätte ich nicht einfach so losgesungen. Und dann die ganzen Leute. Macht Spaß, mit denen zu erzählen. Alle sehr unterschiedlich. Einfach schön."
Einer der wenigen Männer im Ensemble ist Tenor Thomas Kern:
"Ich bin immer ganz beseelt, wenn ich nach Hause komme von der Probe, weil ich wirklich viel mitnehme."
Chorleiter und Dirigent Steffen Tast lebt seit 20 Jahren auf einem Gehöft gleich neben dem Festspielhaus. Zur Arbeit muss er pendeln, er ist Geiger im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin:
"Es ist wirklich so, wenn ich aus Berlin von meiner Probe komme vom Orchester und dann abends noch Chorprobe habe, und denke, jetzt könntest du auch etwas anderes machen, weil du schon fertig bist, dann sind das genau die Glücksmomente, die man bei solchen Proben erlebt, die einen erfüllen und immer weiter machen lassen."
Pause mit deftigem Eintopf
Steffen Tast: "Mittag!"
Chili con carne, Gemüsesuppe - mehrere Eintopfsorten stehen zur Wahl. Die Chormitglieder kochen selbst. Das müssen sie derzeit öfter, bei den vielen Wochenendproben, erzählt Ute Jennerjahn:
"Sodass man manchmal sich schon gar nicht mehr traut, jemanden zu fragen: Kochst du noch mal eine Suppe? Aber es sind immer welche da, die sagen, wir machen das."
Regisseurin Mira Ebert studiert mit den Sängerinnen und Sängern die Bewegungsabläufe ein. Singen und zugleich spielen - das haben die Klein Leppiner inzwischen trainiert. Später wird es noch Proben mit den Solisten geben, Gesangsstudenten und Absolventen aus Berlin.
Zur Generalprobe und zu den beiden Aufführungen wird auch das Orchester dabei sein. Das sind Kollegen von Dirigent Steffen Tast, Musiker vom Rundfunksinfonieorchester Berlin. Nach dem Wochenende mit den drei Aufführungen ist erst einmal Pause.
Ute Jennerjahn: "Für mich ist es eine schöne Sache, dass ich nach den Vorstellungen sagen kann: So, jetzt ist Sommer! Und dann, wenn nachher Weihnachten ist, oder Adventszeit, dann freut man sich schon wieder auf den Januar, wenn's dann wieder richtig losgeht."
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