Chor der Woche

Gemeinschaft ist alles

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Maigrün im Wald des Sauerlandes. © picture alliance / Klaus Rose
Von Gerrit Stratmann · 16.05.2014
Thieringhausen liegt auf einer Anhöhe im Sauerland. Es gibt dort eine alte Gaststätte, die nur am Wochenende geöffnet hat, einen Schützenverein und – einen Chor. Vocalitas ist für die Mitglieder nicht nur ein Verein zum Wohlfühlen, sondern auch ein Chor mit Ambitionen.
Der Saal des Jugendheims ist gerade groß genug für die mehr als 50 Sängerinnen und Sänger. Der eingeschossige Bau liegt hügelan am Rande der 500-Seelen-Gemeinde Thieringhausen. In dem kleinen Ort in der Nähe von Olpe ist der Chor seit über 40 Jahren eine feste Größe. Der heutige Vorsitzende Elmar Heller ist seit der Gründung mit dabei.
"Wir singen natürlich bei runden Geburtstagen hier im Ort, wenn es gewünscht wird, wir singen in der Kirche hier bei bestimmten Anlässen, oder gerade hatten wir den Thieringhauser Wandertreff, wo wir dann auch uns präsentieren – also für die Dorfgemeinschaft sind wir schon identitätsprägend."
Um in dieser Dorfgemeinschaft Anschluss zu finden, dafür ist der Chor neben dem Schützen- und Tennisverein des Ortes eine der besten Gelegenheiten. Diese Erfahrung hat zumindest Alt-Sängerin Heike Thiemann gemacht. Sie ist 2005 mit ihrem Mann von Niedersachsen nach Thieringhausen gezogen.
"Ich glaube nicht, dass mein Mann und ich so schnell viele Leute kennengelernt hätten, wenn ich hier nicht mitsingen würde. Es gehört ja auch dazu, dass man sich dann ein bisschen beteiligt jetzt wie am ersten Mai, wo dann nicht nur gesungen wird, sondern wo wir dann eben Thekendienste machen, Kuchen backen, wie das eben so hier auf dem Dorf üblich ist, und so kriegt man dann auch seinen Kontakt."
Ein einmaliger Chor
Den zu bekommen, das macht der Chor allen Neulingen leicht. Wolfgang Schmidt verstärkt den Bass von Vocalitas bereits seit 1979.
"Wir sind ein einmaliger Chor. Das ist etwas, was man sehr oft gesagt bekommt, auch von neuen Sängern. Die sagen immer, man ist bei euch, man ist einmal da, spätestens beim zweiten Mal ist man vereinnahmt. Dann gehört man dazu, ob man will oder nicht, und man ist dabei. Man ist einfach dabei."
Auch Waltraud Scharge hat sich mit Ende 60 entschlossen, ihrem langjährigen Kirchenchor den Rücken zu kehren und bei Vocalitas noch einmal etwas Neues auszuprobieren.
"Ich bin jetzt etwa anderthalb Jahr hier drin. Und es macht mir also sehr, sehr viel Freude hier. Ich bin happy, das kann ich dabeisagen."
Weit über Thieringhausen und Kreis Olpe hinaus
Angefangen hat der Chor 1972 unter dem Namen Gemischte Stimmen Thieringhausen. Damals fanden die Proben noch in der Kapelle des Ortes statt. Heute reichen die Kontakte weit über Thieringhausen und den Kreis Olpe hinaus. Chorfahrten führten die Mitglieder nach Dresden und sogar bis nach Prag. Eine Beschränkung auf bestimmte Genres oder Sprachen gibt es bei Vocalitas nicht.
"Wir singen auch viele englische oder generell ausländische Sachen. Wir haben schon Russisch gesungen und Spanisch. Also alles eigentlich. In Prag haben wir Tschechisch gesungen ..."
Carola Feldmann gehört mit 37 zu den jüngeren Mitgliedern des Vereins. Mit englischen Texten hat sie kein Problem, aber auf den gemeinsamen Auftritt mit dem Ensemble Cancioneta Praga mussten sich beide Chöre besonders vorbereiten.
"Ja, wir haben vorher ein bisschen geübt mit den Tschechen. Wir haben ihnen Deutsch so ein bisschen, die Aussprache, näher gebracht und sie uns das Tschechische, und dann hat das geklappt. Das war ein Lied, was wir gemeinsam gemacht haben, und da gab es halt eine deutsche Strophe und eine tschechische und eine englische, und das hat funktioniert. Also die haben hinterher alle gesagt, sie hätten uns gut verstanden."
Titel "Meisterchor" verteidigen
Auch auf das Vorsingen für die Auszeichnung zum Meisterchor will der Chor sich gut vorbereiten. Dieser Titel muss alles fünf Jahre vom Chorverband Nordrhein-Westfalen bestätigt werden, sonst verfällt er. Vocalitas verteidigt ihn in diesem Jahr zum vierten Mal in Folge, mit Sonderproben und einer zusätzlichen Prise Nervosität vor dem entscheidenden Auftritt. Warum der Chor sich das antut? Albert Ohm, Gründungsmitglied und mit 80 Jahren der älteste Sänger des Vereins, bringt es auf den Punkt.
"Da ist man an für sich ist man da stolz drauf, wenn man das geschafft hat, und auch in einer einigermaßen guten Punktzahl. Und dann muss man sich ja auch anstregend, und die meisten, die strengen sich auch an."
"Wichtig ist zuallererst, dass sich ein Chor auf ein solches Ziel mal freut. Und wenn er sich auf ein solches Ziel freut, dann hat er auch eine gesunde Motivation. Das ist, glaube ich, die große Stärke hier in Thieringhausen."
Michael Rinscheid führt den Chor bereits zum dritten Mal durch die Prüfung. Der hauptberufliche Chorleiter ist von der Leistungsbereitschaft der Laiensänger bei Vocalitas angetan. Trotzdem kommt die Freude auf den Proben nicht zu kurz, ergänzt Alt-Sängerin Uschi Sondermann.
"Mir geht es so: Ich bin noch keine zehn Minuten hier oben und hab das erste Mal schon schallend gelacht, und für mich ist so eine Chorprobe Therapie und Entspannung und Erholung, und ich schalte ab von allem, was sonst drumrum gewesen ist. Wir lachen viel in der Probe, obwohl wir so leistungsorientiert proben."
Natürlich hat der Chor auch nach der Prüfung noch viel vor. Zwei Konzerte stehen dieses Jahr noch an, eine CD Aufnahme ist seit Langem überfällig, und Chorleiter Michael Rinscheid hat auch noch ein paar Projektideen.
"Was für jeden Chor, der überwiegend a cappella musiziert, besonders ist, ist auch die Arbeit mit Orchester. Also das würde ich sehr gerne machen, ich mach das persönlich sehr gerne. Und das ist für jeden Chor, der es nicht gewohnt ist, eine besondere Herausforderung."
Deutschlandradio Kultur stellt jeden Freitag um 10:50 Uhr im "Profil" Laienchöre aus der ganzen Republik vor. Im "Chor der Woche" stehen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes, jeden Alters, jeder Formation und Größe oder Stilrichtung, seien sie Mitglied eines Chorverbands oder auch nicht.
Mit freundlicher Unterstützung des Deutschen Chorverbands
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