Chor der Woche

Einfach singen

Partitur mit einer Gesangsstimme
"KataStrophe" singen am liebsten populäre Lieder, vor allem auf dem 20. Jahrhundert. © Deutschlandradio / Bettina Straub
Von Gerrit Stratmann · 04.07.2014
Der Name täuscht: KataStrophe ist kein Ort des Chaos, sondern eine echte Gemeinschaft. Die schlichte Freude am Klingen hält das Ensemble zusammen. Mit den Auftritten will der Chor seinem Publikum vor allem gute Unterhaltung bieten.
"Wir betonen ja immer: Es heißt 'Kata-Strophe', das 'S' wird groß geschrieben. Und daran hatten wir Spaß, an dieser Verbindung. Das ist uns manchmal, glaube ich, ein bisschen zum Verhängnis geworden, dass manche das lesen und denken: Was ist das denn? Und wenn die zu einem Auftritt kommen, die Erwartungen oftmals auch sehr unterschiedlich sind und denken: Na ja, kann nicht viel sein! Manchmal ist es vielleicht auch eine Bürde. Aber ich muss sagen, ich find es nach wie vor okay und kann da gut mit leben."
Sabine Weller ist mit KataStrophe bereits seit 1990 verbunden. Damals saß sie mit zwei Dutzend weiteren Interessierten auf dem zweiten Treffen des gerade neu gegründeten Chores, den ihre Mitsängerin Monika Kasperek durch ein Inserat ins Leben gerufen hatte. Mit dabei war auch der junge Kirchenmusikstudent Manfred Gnädig, der die Leitung des neuen Ensembles übernehmen sollte.
"Wir haben direkt gemerkt, dass die Wünsche und die Vorstellungen so unterschiedlich waren wie die einzelnen Leute, die mit dabei waren."
Daran hat sich ein Vierteljahrhundert später kaum etwas geändert. Regelmäßig trifft sich der Chor im St. Leonhard Gymnasium in unmittelbarer Nähe zum Aachener Dom. Aber bis jetzt hat Manfred Gnädig die Gruppe nicht von den Vorzügen kirchlicher Literatur überzeugen können. Stattdessen singt der gut 40-köpfige Chor lieber, was ihm gefällt: ein gemischtes Repertoire populärer Lieder, überwiegend aus dem 20. Jahrhundert.
"Wir sind sehr zusammengewachsen im Laufe der Jahre, wir haben viele viele tolle, aber auch traurige Momente schon gemeinsam erlebt, und das hat den Chor einfach total zusammengeschweißt, und das war so ein bisschen wie Familie, die man da gefunden hat."
Ganz viel Nähe
Ihre Familie hat Sabine Weller tatsächlich in dem Chor gefunden. Hier lernte sie ihren Mann kennen. Aber auch für andere ist der Chor eine emotionale Heimat geworden, unter ihnen Norbert Gehrmann. Der Altenpfleger aus Norddeutschland ist erst vor vier Jahren zum Bass von KataStrophe gestoßen, möchte den Chor aber nicht mehr missen.
"Das Entscheidende ist, weswegen ich kontinuierlich, auch regelmäßig dabei bin, das ist für mich die Überzeugung, dass es wesentlich zum Lebensglück für mich beiträgt."
Inge Becker: "Es bringt oft ganz viel Nähe. Das merken wir vor allem in diesen Chorwochen, wo wir eine ganze Woche, wenn wir da so viel singen, da sind wir alle sehr nah beieinander, und auch durchaus sehr emotional."
Jedes Jahr fährt die Gruppe gemeinsam für eine Woche in den Urlaub, nach Holland, Südfrankreich, an den Gardasee oder in die Ardennen. Für Musiklehrerin Inge Becker gehören diese Reisen seit 16 Jahren untrennbar zum Chorleben dazu.
"Ich hab unglaublich viel Spaß am Singen, aber ich hab auch Spaß mit den Menschen. Also das ist die Qualität einfach."
Manfred Gnädig: "Wenn ich mit meinem Chor eine Woche wegfahre, dann ist das nicht nur Arbeit und nicht nur Singen. Es ist auch ganz viel privates Leben und Erleben mit Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind. Und somit ist es für mich auch immer eine ganz tolle Woche Urlaub. Es ist auch eine Woche anstrengendes Arbeiten. Beides. Und beides passt gut zusammen."
Auftritt im Schwimmbad oder Kuhstall
Auf zwei größeren Konzerten und ein paar kleineren Auftritten im Jahr gibt der Chor sein Können zum Besten. Immer wieder einmal sucht er auch ungewöhnliche Orte zum Singen. Vor Jahren hat die Gruppe eine Probe in einem Aachener Schwimmbad abgehalten. Auch einen alten Eisenbahntunnel und einen Kuhstall haben sie schon zum Klingen gebracht.
An einen Höhepunkt erinnert sich der 53-jährige Maschinenbauer Oliver Donner noch genau: Während einer Chorfahrt nach Berlin versucht das Ensemble um Mitternacht auf den Funkturm am Alexanderplatz zu gelangen.
"Es stellt sich raus, dass der Fernsehturmchef ein ausgesprochener Chorliebhaber war, und der hat uns dann alle hochbugsiert und wir haben dann da oben zu 25 Leuten, mit Blick auf den nächtlichen Berliner Himmel, da oben ein paar Lieder gesungen. Das war zum Beispiel eine Sache aus dieser Reihe."
Requisiten sind selten
Oliver Donner: "Ich find das einen sehr schönen Aspekt beim Chorsingen, dass man also in unserer technisierten Welt nichts braucht, außer andere Stimmen und einen, der sich ein bisschen auskennt, und dann kann man eben singen. Also das finde ich in diesem Apparatewust, in dem wir uns jeden Tag bewegen, eine besonders schöne Sache."
Seine Konzerte hält KataStrophe ebenfalls eher minimalistisch. Requisiten werden nur sparsam eingesetzt. Ihre Bühnenpräsentation wollen sie gemeinsam mit einer Choreographin noch verfeinern, haben sie sich vorgenommen. Dabei ist Chorleiter Manfred Gnädig überzeugt, dass der Chor die wichtigste Frage schon geklärt hat.
"Wie sprechen wir unser Publikum an? Wollen wir die unterhalten oder wollen wir die mit großer Kunst belagern? Und ich denke, da ist KataStrophe eher ein Chor, der ein großes Talent dafür hat, sein Publikum gut zu unterhalten, und dem Publikum einfach einen schönen Abend zu machen."

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