Gedichte aus dem Turm in Glut
Werke für Chor a cappella haben naturgemäß eine Textgrundlage. Der RIAS Kammerchor interpretiert diesmal vier äußerst ernste Werke auf Gedichte von Friedrich Hölderlin und Andreas Gryphius, darunter auch eine Uraufführung des Dresdner Komponisten Torsten Rasch.
Zum Feiern war Andreas Gryphius am Ende des 30-jährigen Krieges nicht zumute. „Welt, rühme was du willst, ich muß die Trübsal preisen" – mit diesen Worten bedachte er den Friedensschluss von Münster und Osnabrück, der einen nie dagewesenen Kriegsdauerzustand beendete. Wie konnte ein Künstler 1937 ahnen, dass es noch schlimmer kommen sollte? Karl Amadeus Hartmann schrieb - als seine "Volksgenossen" jubelten - seine Gryphius-Kantate in weiser Voraussicht.
Dichtet Gryphius noch über die Verwüstungen des Krieges "Die Türme stehn in Glut, die Kirch' ist umgekehret...", zog sich der weltenferne Hölderlin in einen heilgebliebenen Turm zurück, um seinem Dichterwerk nachzugehen. Für des Poeten Zustand hatte schon der schlesische Kollege Gryphius die rechten Worte gefunden: "Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod/Was grimmer denn die Pest und Glut und Hungersnot/Daß auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen." Allerdings wurde Friedrich Hölderlin nicht seelisches Opfer des Krieges, sondern das einer Krankheit.
Gegen den Verlust des Seelenschatzes helfen Musik und Singen. Die Verse des Tübinger Turmdichters Friedrich Hölderlin haben immer wieder die Komponisten angeregt - vom jungen Ernst Krenek über den reifen György Ligeti bis zum Zeitgenossen unserer Tage, dem Dresdner Torsten Rasch, der dafür bekannt ist, in den Gewässern des aggressiven Bombast-Pop zu fischen und somit die so genannte Ernste-Musik-Szene effektvoll aufzulockern. Sein Hölderlin-Zyklus "...in der Hülse von Schnee" liegt druckfrisch auf den Pulten der Sängerinnen und Sänger des RIAS Kammerchores und ihres Chefdirigenten Hans-Christoph Rademann.
Live aus dem Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin
György Ligeti
Drei Phantasien nach Friedrich Hölderlin für 16-stimmigen gemischten Chor a cappella
Ernst Krenek
"Die Jahreszeiten" - Vier kleine Chöre nach Gedichten von Hölderlin für mehrstimmigen gemischten Chor a cappella op. 35
Torsten Rasch
"...in der Hülse von Schnee..." Ein Hölderlin-Zyklus für gemischten Chor (Uraufführung)
ca. 20.50 Uhr Konzertpause
Karl Amadeus Hartmann
"Friede Anno 48" - Kantate für Sopran, vierstimmigen gemischten Chor und Klavier nach Texten von Andreas Gryphius
Johanna Winkel, Sopran
Philip Mayers, Klavier
RIAS Kammerchor
Leitung: Hans-Christoph Rademann