Chodorkowski-Prozess

Russisches Gericht will Urteile überprüfen

Der russische Kremlkritiker Michail Chodorkowski spricht am 22.12.2013 im «Mauermuseum am Checkpoint Charlie» in Berlin bei einer Pressekonferenz. Foto: Michael Kappeler/dpa (zu dpa «Chodorkowski tritt ins Rampenlicht - Pressekonferenz in Berlin» vom 22.12.2013)
Der russische Kremlkritiker Michail Chodorkowski kam nach zehn Jahren Lagerhaft 2013 wieder frei und lebt seitdem zurückgezogen. Der ehemals reichste Oligarch Russlands hatte zuvor Demokratie-Projekte unterstützt, was der Staatsführung missfiel. © Michael Kappeler/dpa
Von Gesine Dornblüth · 25.12.2013
Russlands Oberstes Gericht will die Verfahren gegen Kreml-Gegner Chodorkowski und seinen Geschäftspartner Platon Lebedew prüfen. Binnen zwei Monaten soll über die Rechtmäßigkeit des zweiten Urteils entschieden werden.
Der Vorsitzende des Obersten Gerichts Russlands hat angeordnet, den ersten Strafprozess gegen den Kremlkritiker Michail Chodorkowski und dessen Partner Platon Lebedew neu aufzurollen. Das teilte ein Sprecher des Gerichts heute in Moskau mit. Beide waren 2003 verhaftet und 2005 zu neun Jahren Haft wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden.
Die Entscheidung des Obersten Richters kommt nicht überraschend. Ende Juli hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland wegen diverser Verfahrensfehler im ersten Jukos-Prozess verurteilt. Unter anderem sei die damals festgesetzte Zahlungsaufforderung in Höhe von umgerechnet knapp 400 Millionen Euro nicht rechtens, hieß es im Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs. Eine politische Motivation konnten die Straßburger Richter für den ersten Chodorkowski-Prozess nicht belegen. Das Urteil aus Straßburg trat in Russland im Oktober in Kraft. Damit war Russlands Oberstes Gericht verpflichtet zu reagieren.
Überraschend ist, dass Russlands Oberster Richter bei dieser Gelegenheit auch das zweite Urteil gegen den Kremlkritiker und seinen Partner überprüfen lassen will. Zuständig ist das Präsidium des Obersten Gerichts. Ein Bezirksgericht hatte Chodorkowski und Lebedew 2010, kurz vor ihrer bevorstehenden Freilassung, erneut verurteilt. Ihre Anwälte hatten dieses zweite Urteil in allen Instanzen angefochten und waren stets gescheitert, zuletzt im vergangenen August vor dem Obersten Gericht Russlands. Dessen Entscheidung verliert nun möglicherweise ihre Gültigkeit.
Lebedew hatte kein Gnadengesuch eingereicht
Das zweite Urteil gegen Chodorkowski und Lebedew war international weitaus stärker kritisiert worden als das erste, stand es doch in logischem Widerspruch zum ersten. In der Folge hatte Amnesty International Chodorkowski als politischen Gefangenen anerkannt.
Dessen Anwälte haben die Entscheidung des Obersten Richters begrüßt. Elena Lipcer, bis vor kurzem Verteidigerin Platon Lebedews:
"Chodorkowski und Lebedew haben die Strafe, zu der sie im ersten Prozess verurteilt wurden, längst abgesessen. Die zweite Haftstrafe basierte auf dem ersten Urteil. Ich als Juristin meine deshalb, dass mit dem ersten auch das zweite Urteil aufgehoben werden muss. Wenn das geschieht, muss Platon Lebedev sofort freigelassen werden."
Lebedew hat im Unterschied zu Chodorkowski kein Gnadengesuch eingereicht, er sitzt noch in einem Straflager in Südrussland. Seine Haftstrafe endet Anfang April 2014. Das Präsidium des Obersten Gerichts will, nach Angaben eines Sprechers, binnen zwei Monaten über die Rechtmäßigkeit des zweiten Urteils entscheiden.
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