Chip Monck: Der Moderator von Woodstock

"Ich ging mit schlotternden Knien auf die Bühne"

08:44 Minuten
Eine Luftaufnahme zeigt das Gelände des Woodstock Festivals im August 1969.
Eine Bildszene aus dem Film "Woodstock" zeigt das Chaos, das vor und hinter der Bühne herrschte. Chip Monck half mit, es in den Griff zu bekommen. © imago / Warner Bros.
Chip Monck im Gespräch mit Andreas Müller · 15.08.2019
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Chip Monck hat viele Bühnen dieser Welt ausgeleuchtet - und für den passenden Sound gesorgt: beim Boxkampf von Muhammad Ali genauso wie bei einer Papstmesse. Oder in Woodstock. Dort wurde ihm spontan noch eine andere Rolle zuteil: Master of Ceremony.
Andreas Müller: Edward Herbert Beresford Monck, besser bekannt als "Chip" Monck, hat wie kaum ein anderer die amerikanische Popkultur seit den 1960er Jahren begleitet. Berühmt wurde er als Master of Ceremony, als Moderator beim legendären Woodstock-Festival.
Sein Beruf war und ist aber vor allem Licht- und Sounddesigner. Angefangen hat er damit im New Yorker Village Gate. Er war lange für das Licht beim Newport Folk- und beim Newport Jazz Festival zuständig und hat das legendäre Monterey Pop Festival von 1967 beleuchtet.
Auch der Boxkampf zwischen George Forman und Muhammad Ali 1974, bekannt als Rumble In The Jungle, wäre ohne Chip Moncks Unterstützung nicht denkbar gewesen. War die Beleuchtung von Konzerten immer schon eine Kunst, oder hat sie sich erst dazu entwickelt?
Chip Monck: Es liegt ganz an den Künstlern, mit denen man arbeitet, ob man ein Künstler sein darf, oder nur jemand, der die Musik unterstützt.
Müller: Wenn man an das kleine Village Gate Theatre denkt, stellt man sich eher eine schlichte Bühnenshow vor. Sie haben sich später einen Namen als Spezialist für Stadionkonzerte gemacht. Wann wurde eigentlich das Popkonzert zum großen Spektakel, kann man da ein Ereignis oder eine Jahreszahl nennen?
Monck: Ich würde sagen, beim Monterey Pop Festival 1967 war es soweit. Dort traten The Mamas & The Papas auf, Simon and Garfunkel, Jimi Hendrix und The Who. Das war ein wunderschönes Festival, das sehr professionell von Lou Adler ausgerichtet wurde, und von John Phillips von The Mamas & The Papas, sie waren die Hauptverantwortlichen.
Es war ein geschmackvolles Event, das in einer Arena für Dressurreiten stattfand. Es gab dort keinerlei Möglichkeit, Lichtquellen aufzuhängen. Der Hausmeister der Arena hatte eine sehr gute Idee: Er besorgte eine Art Radiomast, den er auf die Schaufel eines Baggers montierte, oben dran befestigte er einen Stuhl, und dann sagte er zu mir: 'So, jetzt kann ich Sie an jede Stelle bringen, an der Sie Ihr Licht aufstellen möchten.'

Zuschauer auf Beleuchtungsmasten

Also hing ich am Ende oben in dieser Konstruktion und war außerordentlich zufrieden. Mit der kleinen Ausnahme, dass ich nach etwas fragte, das mich wachhalten würde.
Und man gab mir etwas. Es stellte sich aber heraus, dass das etwas anderes war, als ich verlangt hatte, und so musste D.A. Pennebaker, der einen Dokumentarfilm über das Festival drehte, auf einer Stunde seines Materials Farbkorrekturen machen.
Müller: Vielleicht hat Sie das ja auch für diesen anderen Job qualifiziert, nämlich durch das Programm des Woodstock-Festivals zu führen …
Monck: Man muss mit solchen Dingen umgehen können. Entweder geht man mit Panik daran, oder man macht es ruhig und überlegt. Beim Woodstock Festival kletterten die Zuschauer ja haufenweise auf die Beleuchtungsmasten, um besser sehen zu können. Ein Kollege von mir wurde panisch und meinte, man muss die sofort da runter holen.
Ich ging die Sache anders an und machte eine Ansage: Leute, wenn ihr noch fünf Meter höher klettert, seid ihr unter der Plattform, auf der die Beleuchtungsanlage angebracht ist, das heißt ihr seid vor Regen geschützt, und dort könnt ihr euch auch besser festhalten. Außerdem versperrt ihr im Moment ein paar tausend Leuten die Sicht, und seit auch noch dem Sound im Weg. Also, klettert hoch und haltet euch gut fest.
Müller: Wie sind Sie eigentlich zu dem Job gekommen, durch das Programm des Woodstock-Festivals zu führen?
Monck: Michael Lang, der Organisator des Festivals, hatte sicher daran gedacht, aber er wollte keinen gewöhnlichen Moderator. Also tippte er mir um sieben Uhr in der Frühe des ersten Festivaltages auf die Schulter und meinte: Du hast doch tagsüber eigentlich nichts weiter zu tun, also mach mal den Moderator. Und sorg dafür, dass die Leute nicht so nah an der Bühne sitzen, denn wenn die Masse nach vorne drängt, werden sie an die Bühne gequetscht und sehen nichts mehr außer einer großen Sperrholzplatte.
Also ging ich mit schlotternden Knien auf die Bühne und sagte: 'Erstmal willkommen! Und zweitens brauche ich eure Mithilfe: Ihr habt schöne Sitzplätze gefunden, aber bitte steht alle nochmal auf und geht zehn Schritte nach hinten'. Ich habe erklärt, warum. Und dann habe ich gezählt: Eins, zwei, drei … und sie haben es wirklich gemacht!
Da hatte ich den Eindruck, dass ich die Sache im Griff habe. Und daran glaube ich: Gib den Leuten gute Gründe für das, was du von ihnen willst, und sie machen mit.

Woodstock und der Legendenstatus

Müller: Haben Sie dafür eigentlich extra Geld bekommen?
Monck: Nein, natürlich nicht.
Müller: Wie großartig war das Festival wirklich? Hat es seinen Legendenstatus verdient, oder ist das alles eine große Verklärung?
Monck: Jeder hat Woodstock als das genommen, wofür er es gebrauchen konnte. Aber 456.000 Menschen sind eine ganze Menge, und mit sowas muss man erstmal umgehen können.
Der Umgang mit Max Yasgur, dem Mann, dem der Grund gehörte, auf dem das Festival stattfand, war das reinste Vergnügen. Er wurde zum Helden des Festivals mit seiner Ansprache, in der er sagte: Ich bin nur ein einfacher Bauer, und ich möchte mich bei euch bedanken, und seinen wunderbaren Umgangsformen.
Das war toll. Ich persönlich habe aus Woodstock allerdings eine völlig verrostete 650.000-Watt Lichtanlage mitgenommen.
Müller: Als Papst Johannes Paul der Zweite 1987 die USA besuchte, hielt er eine Messe vor über 60.000 Menschen im Dodger Stadion in Los Angeles, auch dieses Ereignis haben Sie ins richtige Licht gesetzt. Was war beruflich die größte Herausforderung für Sie?
Monck: Au weia. Ich kann zumindest sagen, dass ich mit Woodstock beim Beginn der großen Love- and Peace-Bewegung dabei war, dieser großen positiven Energie, und ihrem Ende, dem sehr gewalttätig verlaufenen Altamont Speedway Free Festival. Es fand im Dezember desselben Jahres statt und war als Fortsetzung von Woodstock an der Westküste geplant.
Ich hatte das Produktionsmanagement inne und habe die Beleuchtung gemacht, und ich habe bei dem Job nicht nur vier Zähne verloren, sondern auch den großen Bühnenteppich. Den wollte ich allerdings wieder haben. Also habe ich eine Kiste Brandy und eine Kiste Champagner gekauft und bin zu Sonny Barger gefahren, dem Chef der örtlichen Hells Angels, die als Security beim Festival engagiert waren. Und ich habe den Teppich tatsächlich zurückbekommen.
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