Chinesische Klänge und Instrumente
Die Weltausstellung in Schanghai zeugt derzeit von chinesischer Wirtschaftskraft; chinesische Musik ist demgegenüber bei uns nahezu unbekannt. Eine reich bebilderte "Geschichte der chinesischen Musik in Bildern" gibt nun einige Einblicke in dieses reichhaltige, Jahrtausende alte Musikleben.
Zu den DDR-Büchern, die man sich als musikinteressierter Mensch vor der Wende gern gekauft hat, gehörte die "Musikgeschichte in Bildern" - gut recherchierte Bildbände über weltweite musikalische Phänomene. Der großformatige chinesische Bildband erinnert daran, denn es handelt sich um "Ein Handbuch in Text und Bild" wobei auf den über 350 Seiten vor allem die Bilder begeistern. Wandbilder, Grabbemalungen, Steinreliefs, Tonfiguren, Gemälde oder Fotografien von alten Instrumenten zeugen vom reichen Musikleben Chinas zwischen dem Altertum und dem Anfang des 20. Jahrhunderts.
Eine 5000 Jahre alte Keramikschale zeugt von frühen yuewu – Tänzen mit Musikbegleitung, eine Gattung, die sich in diesem Buch bis ins 19. Jahrhundert verfolgen lässt. Seit den ersten Kaiserreichen hatte Musik am Hof sowohl repräsentative als auch unterhaltende Funktion; es gab regelrechte Musikämter – yuefu –, deren Funktionäre beispielsweise Volkslieder sammelten. Für die Jahrhunderte vor und nach Christus belegen Steinreliefs, Grabmalereien und Tonfiguren bereits eine Vielzahl von Instrumenten, die bis heute in China gespielt werden. Die detaillierten Beschreibungen der Abbildungen erklären musikalische Funktionsweisen, Bauart und Gebrauch und leisten auch eine gesellschaftliche Einordnung.
Die weiteren Kapitel belegen nicht zuletzt den Aufschwung und die Veränderung des Musiklebens durch die Entstehung von Städten. Zahlreiche Massenszenen mit Musik veranschaulichen die wichtige Rolle von Musik bei öffentlichen Festen, während Abbildungen über den musikalischen Vortrag dramatischer Geschichten die Bedeutung des Gesanges zeigen - wobei die chinesische Oper bewusst ausgeklammert ist, denn dazu hat die chinesische Akademie der Künste einen eigenen Bildband veröffentlicht. In jedem der fünf historischen Kapitel ist der Instrumentalmusik ein eigener Abschnitt gewidmet. Die große Vielfalt an Instrumenten wird nicht zuletzt mit dem regen Austausch zwischen den verschiedenen Regionen und später auch mit dem Ausland erklärt.
Diese Geschichte der chinesischen Musik ist eine wunderbare Fundgrube für Artefakte, die das Musikleben repräsentieren. Allerdings scheint mir - und das ist vor allem Kritik am deutschen Herausgeber – die bloße Eins-zu-eins-Übersetzung dieses Bandes der chinesischen Kunstakademie für deutsche Leser unzureichend. Ein gebildeter chinesischer Leser weiß vermutlich die Namen der diversen Dynastien historisch einzuordnen, uns wäre mit einer Zeitleiste schon sehr geholfen.
Ähnliches gilt für geografische Zuordnungen: Da ist immer wieder von regionalen Musikstilen, Nord- und Südreichen etc. die Rede. Man würde gern erfahren, wo sich diese befinden, ohne zusätzlich das Internet zu bemühen. Überraschend häufig tauchen Darstellungen aus heute autonomen Regionen wie der Mongolei oder Tibet auf, die historisch nicht von jeher zu China gehören; an diesen Stellen werden leider auch ideologische Motive offensichtlich.
Alle Erklärungen beziehen sich auf die konkreten Abbildungen. Das ist einerseits gut, insofern sich die Autoren auf sichtbare Fakten beschränken; doch es gibt darüber hinaus keine weiterführenden Ausführungen, denn in den Einleitungen zu den jeweiligen Abschnitten und Unterkapiteln werden nur stichwortartig grobe Linien skizziert. So wirkt der deutsche Titel dieser Veröffentlichung letztlich als eine nicht einzulösende Anmaßung: Eine Geschichte der chinesischen Musik kann auf 350 noch so schön gestalteten Seiten nicht befriedigend dargestellt werden - das macht dieser Bildband jedem kritischen Leser deutlich. Alle Interessierten finden hier jedoch eine Fülle von ästhetisch ansprechenden visuellen Zeugnissen und Quellen, die einen anschaulichen Eindruck von der großen Bedeutung der Musik in der chinesischen Kultur vermitteln.
Über die Herausgeber:
Liu Dongsheng (*1940) ist Spezialist für chinesische Musikinstrumente, Herausgeber und Autor mehrerer Bücher über Musikinstrumente, Mitverfasser enzyklopädischer Werke über chinesische Musik. Zwei Preise der chinesischen Akademie der Künste für "hervorragende Forschungsleistungen".
Yuan Quanyou (1920 bis 2004) war Spezialistin für chinesische Saiten- und Trommelinstrumente, Mitherausgeberin von Bildbänden zur chinesischen Musikgeschichte; Facharbeiten unter anderem auch zu mongolischer Musik.
Die Herausgeber sind gleichzeitig die Autoren der Neubearbeitung dieser Geschichte der chinesischen Musik von 2006, die erste Ausgabe erschien 1988.
Besprochen von Christiane Gerischer
Liu Dongsheng, Yuan Quanyou (Hrsg.): Die Geschichte der chinesischen Musik - Ein Handbuch in Text und Bild
Eine Veröffentlichung des Instituts für Musikforschung an der Chinesischen Akademie der Künste
Aus dem Chinesischen von Ilse Reuter und Martin Gimm
Schott Verlag, Mainz 2009
381 Seiten, 49,95 Euro
Eine 5000 Jahre alte Keramikschale zeugt von frühen yuewu – Tänzen mit Musikbegleitung, eine Gattung, die sich in diesem Buch bis ins 19. Jahrhundert verfolgen lässt. Seit den ersten Kaiserreichen hatte Musik am Hof sowohl repräsentative als auch unterhaltende Funktion; es gab regelrechte Musikämter – yuefu –, deren Funktionäre beispielsweise Volkslieder sammelten. Für die Jahrhunderte vor und nach Christus belegen Steinreliefs, Grabmalereien und Tonfiguren bereits eine Vielzahl von Instrumenten, die bis heute in China gespielt werden. Die detaillierten Beschreibungen der Abbildungen erklären musikalische Funktionsweisen, Bauart und Gebrauch und leisten auch eine gesellschaftliche Einordnung.
Die weiteren Kapitel belegen nicht zuletzt den Aufschwung und die Veränderung des Musiklebens durch die Entstehung von Städten. Zahlreiche Massenszenen mit Musik veranschaulichen die wichtige Rolle von Musik bei öffentlichen Festen, während Abbildungen über den musikalischen Vortrag dramatischer Geschichten die Bedeutung des Gesanges zeigen - wobei die chinesische Oper bewusst ausgeklammert ist, denn dazu hat die chinesische Akademie der Künste einen eigenen Bildband veröffentlicht. In jedem der fünf historischen Kapitel ist der Instrumentalmusik ein eigener Abschnitt gewidmet. Die große Vielfalt an Instrumenten wird nicht zuletzt mit dem regen Austausch zwischen den verschiedenen Regionen und später auch mit dem Ausland erklärt.
Diese Geschichte der chinesischen Musik ist eine wunderbare Fundgrube für Artefakte, die das Musikleben repräsentieren. Allerdings scheint mir - und das ist vor allem Kritik am deutschen Herausgeber – die bloße Eins-zu-eins-Übersetzung dieses Bandes der chinesischen Kunstakademie für deutsche Leser unzureichend. Ein gebildeter chinesischer Leser weiß vermutlich die Namen der diversen Dynastien historisch einzuordnen, uns wäre mit einer Zeitleiste schon sehr geholfen.
Ähnliches gilt für geografische Zuordnungen: Da ist immer wieder von regionalen Musikstilen, Nord- und Südreichen etc. die Rede. Man würde gern erfahren, wo sich diese befinden, ohne zusätzlich das Internet zu bemühen. Überraschend häufig tauchen Darstellungen aus heute autonomen Regionen wie der Mongolei oder Tibet auf, die historisch nicht von jeher zu China gehören; an diesen Stellen werden leider auch ideologische Motive offensichtlich.
Alle Erklärungen beziehen sich auf die konkreten Abbildungen. Das ist einerseits gut, insofern sich die Autoren auf sichtbare Fakten beschränken; doch es gibt darüber hinaus keine weiterführenden Ausführungen, denn in den Einleitungen zu den jeweiligen Abschnitten und Unterkapiteln werden nur stichwortartig grobe Linien skizziert. So wirkt der deutsche Titel dieser Veröffentlichung letztlich als eine nicht einzulösende Anmaßung: Eine Geschichte der chinesischen Musik kann auf 350 noch so schön gestalteten Seiten nicht befriedigend dargestellt werden - das macht dieser Bildband jedem kritischen Leser deutlich. Alle Interessierten finden hier jedoch eine Fülle von ästhetisch ansprechenden visuellen Zeugnissen und Quellen, die einen anschaulichen Eindruck von der großen Bedeutung der Musik in der chinesischen Kultur vermitteln.
Über die Herausgeber:
Liu Dongsheng (*1940) ist Spezialist für chinesische Musikinstrumente, Herausgeber und Autor mehrerer Bücher über Musikinstrumente, Mitverfasser enzyklopädischer Werke über chinesische Musik. Zwei Preise der chinesischen Akademie der Künste für "hervorragende Forschungsleistungen".
Yuan Quanyou (1920 bis 2004) war Spezialistin für chinesische Saiten- und Trommelinstrumente, Mitherausgeberin von Bildbänden zur chinesischen Musikgeschichte; Facharbeiten unter anderem auch zu mongolischer Musik.
Die Herausgeber sind gleichzeitig die Autoren der Neubearbeitung dieser Geschichte der chinesischen Musik von 2006, die erste Ausgabe erschien 1988.
Besprochen von Christiane Gerischer
Liu Dongsheng, Yuan Quanyou (Hrsg.): Die Geschichte der chinesischen Musik - Ein Handbuch in Text und Bild
Eine Veröffentlichung des Instituts für Musikforschung an der Chinesischen Akademie der Künste
Aus dem Chinesischen von Ilse Reuter und Martin Gimm
Schott Verlag, Mainz 2009
381 Seiten, 49,95 Euro