Chinas Bankenkrise bedroht deutsche Exporte

Horst Löchel im Gespräch mit André Hatting · 24.06.2013
China droht eine handfeste Finanzkrise, ähnlich wie den USA 2008 nach der Lehman-Pleite. Der Ökonom Horst Löchel warnt davor, dass die mangelnde Kreditvergabe in China negative Auswirkungen auf die deutsche Exportwirtschaft haben könnte.
André Hatting: In Europa streiten sich gerade die Finanzminister darüber, wie man Bankenkrisen verhindert und wer die Zeche zahlen soll, wenn trotzdem mal wieder ein Kreditinstitut kollabiert. Die abgebrochenen Gespräche in Luxemburg sollen diese Woche fortgesetzt werden.

Und während man hier an einem Masterplan gegen Finanzkrisen bastelt, droht eine ganz neue Gefahr, und zwar aus China. Die Banken dort zählen zu den größten der Welt. Und denen geht gerade das Geld aus. Die Zinsen, zu denen sich Chinas Kreditinstitute gegenseitig Kredite geben, sind zeitweise auf bis zu 25 Prozent hochgeschossen. Dieser Interbankenhandel droht einzufrieren, befürchten chinesische Börsenexperten. Genau das wäre das Szenario wie 2008 vor der Lehman-Pleite in den USA. An deren Folgen knabbern wir bis heute.

Am Telefon begrüße ich jetzt Professor Horst Löchel. Er ist Ökonom an der privaten Hochschule für Finanzwirtschaft der Frankfurt School of Finance. Guten Morgen, Herr Löchel!

Horst Löchel: Ja, guten Morgen, Herr Hatting!

Hatting: Was ist da gerade los in China?

Löchel: Na ja, also es hat ja letzte Woche doch, wie Sie schon gesagt haben, einen dramatischen Anstieg der Geldmarktzinsen gegeben. Das wirklich Überraschende ist, dass im Gegensatz zu früheren Zeiten, das hat es immer mal wieder gegeben, die Zentralbank eben nicht eingegriffen hat und eben die Geschäftsbanken nicht mit Liquidität versorgt hat. Und darüber gibt es jetzt Spekulationen, warum sie das gemacht hat.

Die wahrscheinlichste und beste Interpretation ist, dass sie einfach den Banken sagen will, so geht das nicht, ihr könnt nicht so viele Kredite herausgeben. Ihr müsst dafür sorgen, dass ihr auch genügend Liquidität habt, und ihr könnt nicht immer auf uns rechnen. Das ist, glaube ich, der Hauptgrund hier für die Zentralbank, nicht einzugreifen.

Hatting: Also ein bisschen Luft herauslassen aus dem aufgeblähten Banken- und Immobiliensektor?

"Schlechte Anzeichen"

Löchel: Ja, das ist völlig richtig. Also es ist so, man muss sehen, dass also die Kreditvergabe der chinesischen Banken doch sehr, sehr expansiv ist. Also wir haben hier, um eine Zahl zu nennen, 200 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung betragen die Kredite. Das ist ein Anstieg von 120 Prozent in den letzten fünf Jahren. Und auch jetzt, in den ersten drei, vier, fünf Monaten dieses Jahres ist die Kreditvergabe weiter gestiegen, obwohl das Wirtschaftswachstum für chinesische Verhältnisse eher schwach sind. Und das sind natürlich schlechte Anzeichen.

Hatting: Also wenn die Zentralbank damit so eine Art Kreditklemme provoziert, weil die Zinsen so in die Höhe schießen, spielt sie da ein bisschen mit dem Feuer?

Löchel: Sie spielt mit dem Feuer, das ist richtig. Andererseits muss man sagen, die chinesischen Banken sind ja Staatsbanken. Das heißt, die können immer damit rechnen, dass letztlich der Staat oder die Zentralbank da eingreift. Und das führt eben auch zu schlechtem Geschäftsverhalten, eben zu viele Kredite, zu viel Liquidität rausgeben. Und wenn ich mich da immer auf die Zentralbank verlasse, dann habe ich eben kein gutes Geschäftsmodell.

Und die chinesische Regierung, das Finanzministerium hat ja auch am Donnerstag, Freitag eine Stellungnahme herausgegeben und hat darin erklärt, die Banken müssen sich vorbereiten, auch auf Zinsliberalisierung, auf eine freie Marktwirtschaft und eben dafür Sorge tragen, dass sie selbst immer genügend Liquidität haben. Das kann eben nicht immer über die Zentralbank laufen.

Hatting: Besteht die Gefahr, dass Kredite platzen, Firmen in die Insolvenz gehen, vielleicht auch Banken zusammenbrechen?

""Dass die Banken selbst umfallen, das halte ich für unmöglich""

Löchel: Also dass Banken zusammenbrechen, die Gefahr besteht nicht. Die großen Banken sind ja Staatsbanken. Damit haben sie praktisch eine Staatsgarantie, das ist nicht möglich. Davon geht auch niemand in China aus. Aber wenn die Kredite jetzt kürzer gehalten werden, werden natürlich die ausscheiden, die ihre bisherigen Kredite mit neuen Krediten finanziert haben, weil die eben keine Geschäftsmodelle in der Realität haben, die es ihnen möglich machen, so viel Geld einzuspielen, dass sie ihre Kredite zurückzahlen können.

Die werden tatsächlich in Schwierigkeiten kommen. Und möglicherweise werden diese Kredite auch platzen. Und das ist eben auch schlecht für die Banken, weil das bedeutet eben auch einen Vermögensverlust. Aber dass die Banken selbst umfallen, das halte ich für unmöglich, weil sie, wie gesagt, staatsgeschützt sind und im Staatseigentum sind.

Hatting: Aber geplatzte Kredite könnten eben auch geplatzte Geschäfte bedeuten. Welche Folgen hätte das für uns in Europa und den Rest der Welt?

Löchel: Na ja, unser Außenhandel mit China, also unsere Exporte aus Deutschland nach China betragen ja immerhin 6,5 Prozent aller Exporte in die Welt. Das ist also ein ganz, ganz wichtiger Handelspartner, auch für die Arbeitsplätze hier in Deutschland. Und jede Verlangsamung des Wachstums in China – und das würde eben eintreten, wenn da Kredite platzen – ist eben schlecht für unsere Exporte und unsere Arbeitsplätze hier. Das ist völlig klar.

Hatting: Ist China ein Sonderfall oder sehen Sie noch mehr Schwellenländer gefährdet?

Löchel: Also die Schwellenländer sind grundsätzlich gefährdet in so einer Weltwirtschaftsdelle, will ich das mal nennen. Das Wachstum ist ja nur drei bis vier Prozent, weltwirtschaftlich im Schnitt in diesem Jahr. Und China ist ein Fall, aber die Schwellenländer insgesamt in Asien, aber auch anderswo, sind jetzt betroffen. Betroffen, weil eben auch ausländisches Kapital da abfließt, das Wachstums da runter geht. Und das ist schlecht für diese Schwellenländer, aber auch schlecht für die Welt. Ich hoffe, dass sich das wieder gibt, wenn die Weltwirtschaft insgesamt anzieht.

Hatting: Seit Jahresbeginn sind die Börsenindizes der Schwellenländer um durchschnittlich 14 Prozent eingebrochen und die Talfahrt geht offenbar noch weiter. Also doch die Ansteckung, vor der man sich immer gefürchtet hat?

Löchel: Es passiert jetzt das, womit man immer schon mal gerechnet hat. Diese Schwellenländer, die sind ja nun seit zehn, fünfzehn Jahren mit Wachstumsraten von acht, neun Prozent, zehn Prozent in China. China ist 30 Jahre um zehn Prozent gewachsen. Diese Zeiten sind vorbei. Diese Länder wachsen zwar immer noch schnell, sagen wir, mit sieben, acht Prozent, aber eben nur mit sieben, acht Prozent, nicht mit zehn Prozent.

Und das bedeutet eben auch, dass die Kapitalflüsse dort etwas abebben werden. Das verlangsamt das Wachstum dort weiterhin mit den entsprechenden negativen Folgen für die Weltwirtschaft und auch für Europa und Deutschland, das ist klar.

Hatting: In dieser Woche beraten die Finanzminister der EU darüber, wie man zukünftige Banken- und Wirtschaftskrisen verhindern kann. Unter anderem überlegt man, wie man verhindern kann, dass die Steuerzahler die Zeche zahlen, wenn eine Bank insolvent geht. Der richtige Weg?

Löchel: Ich denke, ja. Also wenn wir die Währungsunion hier in Europa stabil machen wollen, brauchen wir eine Bankenunion, das ist völlig klar. Zweitens muss sichergestellt werden, dass dieses Anreizsystem, was ja so ähnlich ist wie in China, obwohl es privatwirtschaftlich ist, also dass eine große Bank immer damit rechnen kann, dass der Steuerzahler zahlt, dass dieses Anreizsystem gestoppt wird und die Eigentümer und möglicherweise auch die Gläubiger zuerst mal in die Tasche greifen müssen, um möglicherweise Banken zu retten. Und dann im Grenzfall dieser europäische Rettungsschirm eingreift. Ich denke, das ist richtig, sonst kriegen wir hier die Krise nicht in den Griff.

Hatting: Horst Löchel, Professor für Volkswirtschaftslehre an der privaten Frankfurt School of Finance and Management. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Löchel!

Löchel: Sehr gerne!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Hafen von Hongkong
Hafen von Hongkong© dpa / picture alliance / Imaginechina Mo weinong
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