Chilly Gonzales über seine Liebe zu Enyas Songs

"Wenn ich Enya höre, denke ich, alles wird gut"

11:31 Minuten
Der kanadische Musiker Chilly Gonzales, eigentlich Jason Charles Beck, sitzt bei einem Konzert am 21.08.2019 in der Hamburger Elbphilharmonie am Flügel.
Der Jazz-Musiker Chilly Gonzales ist fasziniert von Enyas Musik und hat ihr ein Buch gewidmet. © picture alliance / Jazz Archiv Hamburg / Michi Reimers
Moderation: Oliver Schwesig · 13.10.2020
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Chilly Gonzales hat ein Buch über seine Faszination für die Sängerin Enya geschrieben, deren Songs in der Popwelt oft als esoterisch belächelt werden. Der Musikgeschmack sollte sich stärker an der Intuition orientieren, findet der kanadische Musiker.
"Wenn ich Enya höre, denke ich, alles wird gut. Ich stelle mir dann vor, ich bin ein Baby und werde von einer irischen Märchenprinzessin in den Schlaf gesungen." So lauten die ersten Zeilen in Chilly Gonzales Buch, das der kanadische Musiker für die Reihe KiWi Musikbibliothek geschrieben hat und das nun veröffentlicht wurde.
Enyas New-Age-Musik, bei der Gonzales jedes Mal zuverlässig ein wohliges Gefühl überkommt, wird in der Popwelt und den Feuilletons oft als sehr esoterisch und harmlos belächelt. Was genau fasziniert das musikalische Mastermind Gonzales an der irischen Musikerin Enya?

Gemeinschaftsstiftende Musik

"Ich hatte nicht allzu viele berührende Momente in meiner Kindheit, deswegen suche ich jetzt nach berührenden Momenten in der Musik", sagt Chilly Gonzales. Gerade die Weichheit in Enyas Musik beruhige ihn sehr und verschaffe ihm regelmäßig Erholung von der Schnelllebigkeit der Gesellschaft.
Chilly Gonzales findet, Enyas Musik funktioniere wie eine Art Wiegenlied. Es sei Musik, die gemeinschaftsstiftend ist. In der Popmusik gehe es immer sehr viel um das Ego der jeweiligen Sänger oder Musikerinnen. Bei den Songs von Enya gehe es viel mehr um Gemeinschaft und das Zusammensein. Als er Enya zum ersten Mal mit 16 Jahren hörte, war er sofort begeistert, sagt Gonzales. "Das klang anders, ihre Musik war nicht so wie die restliche Popmusik. Sie hatte etwas Ätherisches, etwas nicht Greifbares. Das gefällt mir."

Instrument der Selbstdefinition

Er schäme sich nicht dafür, Enyas Werke gut zu finden, so Gonzales. Vielmehr finde er es traurig, dass Menschen ab dem Erwachsenenalter nicht mehr auf ihre Intuition hörten, wenn es darum gehe, Musik gut oder schlecht zu finden. "Im Teenager-Alter verwandelt sich Musikgeschmack zu einem Instrument der Selbstdefinition. Das ist ein intellektueller Prozess, in dem wir entscheiden, welche Musik wir gut finden und zu welcher gesellschaftlichen Gruppe wir uns zuordnen möchten."
Jazz-Musiker Chilly Gonzales im Studio von Deutschlandfunk Kultur
Er schäme sich nicht dafür, Enyas Musik gut zu finden, so Jazz-Musiker Chilly Gonzales im Deutschlandfunk Kultur.© Deutschlandradio / Oliver Schwesig
Manchmal passt Musik, die einen fasziniert, dann nicht mehr zum eigenen Selbstbild. Daher kommt auch das Konzept des Guilty Pleasure, bei dem man intuitiv Gefallen an etwas findet, aber der Intellekt einem einzuflüstern versucht, das wäre "nicht cool". Das findet Gonzales "nicht gesund" und fordert, dass wir natürlicher über Musik sprechen. "Wir müssen über Musikgeschmack sprechen wie über Bananen: Entweder ich mag sie, oder eben nicht."
(hhe)

Chilly Gonzales, Enya
Kiwi Musikbibliothek Band 10
Verlag Kiepenheuer&WItsch, 96 Seiten, 10 Euro.

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