Chile

"Brand hat dieses Weltkulturerbe verschont"

Zwei Frauen nach dem Brand in der Nähe von Valparaíso
Vor allem die Armenviertel außerhalb des historischen Zentrums wurden vom Brand in Valparaíso zerstört. © dpa / picture alliance / Felipe Trueba
Peer Vorderwülbecke im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 14.04.2014
Die Feuerwalze habe "traurigerweise besonders die Ärmsten der Armen getroffen", berichtet Südamerika-Korrespondent Peer Vorderwülbecke. Das Unesco-Weltkulturerbe sei von dem Großfeuer nicht erreicht worden.
Liane von Billerbeck: Wie ein Amphitheater liegt die chilenische Stadt Valparaíso am Pazifik, deren Zentrum gehört seit zehn Jahren zum UNESCO-Weltkulturerbe. Doch die Nachrichten, die derzeit aus Chiles Kulturmetropole kommen, die sind dramatisch: Eine Feuerwalze, die von einem Waldbrand ausgegangen sein soll, wälzt sich durch die Stadt, hat mehrere Stadtviertel vernichtet, es gab Tote, tausende Menschen verloren ihr Zuhause, die Präsidentin hat den Notstand ausgerufen. Wir wollen jetzt mit unserem Südamerika-Korrespondenten, mit Peer Vorderwülbecke sprechen über Valparaíso. Ich grüße Sie!
Peer Vorderwülbecke: Ja, hallo!
von Billerbeck: Wie ist die Situation aktuell in Valparaíso?
Vorderwülbecke: Also ich würde sagen, das Schlimmste ist erst mal überstanden, die Situation ist stabil, aber natürlich wird immer noch gegen das Feuer gekämpft, immer noch sind 2.000 Soldaten im Einsatz, zusätzlich zu den Feuerwehrkräften, und es gibt immer noch Brandherde, die immer wieder aufflackern. Und insofern, man kann sagen: Es gibt jetzt keine Gefahr mehr für die Menschen, aber immerhin ist die Bilanz ja trotzdem verheerend: zwölf Tote hat es gegeben, 10.000 sind evakuiert worden, 2.000 Häuser zerstört, 8.000 beschädigt, das kann man jetzt schon fast als Bilanz so stehen lassen. Aber wie gesagt, es ist noch nicht alles unter Kontrolle.
von Billerbeck: Wie kam es zu dem Brand, gibt es da schon genauere Angaben?
Vorderwülbecke: Also man weiß eigentlich nur, woher der Brand kam, nämlich aus den umliegenden Waldgebieten. Wie es dazu gekommen ist, ob das am Ende eine unachtsam weggeworfene Zigarette gewesen ist oder Funkenflug, weil Leute gegrillt haben – man kann es wirklich nicht sagen, man weiß es auch nicht, und natürlich hat man in der momentanen Situation auch damit zu tun, den Brand direkt zu bekämpfen, um dieser Folgen irgendwie auch Herr zu werden. Diese Ursachenforschung, das wird in den nächsten zwei, drei Tagen vielleicht kommen.
von Billerbeck: Nun ist Valparaíso Unesco-Weltkulturerbe, die bunte Stadt, die Stadt mit den bunten Häusern. Welche Teile der Stadt sind denn eigentlich von dem Brand betroffen?
Vorderwülbecke: Also dadurch, dass der Brand ja von außen kam, von den Waldgebieten, sind es eben auch die Außenbezirke gewesen. Valparaíso liegt ja auf mehreren Hügeln und die sind teilweise schwer zugänglich, da gibt es manchmal nicht mal richtige Straßen, sondern so Art Teleféricos, also auch so Zahnradbahnen, die das alles erschließen. Und diese Armenviertel, da sind die Häuser natürlich ganz häufig aus simplen Materialien, also aus Holz meistens gebaut, und das brennt natürlich besonders schnell, und insofern hat es eben traurigerweise besonders die Ärmsten der Armen getroffen.
Menschen beobachten den Großbrand auf dem Ramaditos-Hügel in der chilenischen Hafenstadt Valparaíso.
Menschen beobachten den Großbrand auf dem Ramaditos-Hügel in der chilenischen Hafenstadt Valparaíso.© picture-alliance / dpa / Felipe Trueba
von Billerbeck: Beschreiben Sie uns doch mal für den Nicht-Ortskundigen: Wo liegt denn der Teil, der zum Unesco-Weltkulturerbe gehört? Wie gefährdet ist der?
Vorderwülbecke: Also der liegt natürlich direkt am Wasser. Das ist eine schöne, große Bucht, Valparaíso heißt ja auch "das paradiesische Tal", wenn man das übersetzt, und da ist auch der Hafen gelegen, der sehr wichtig ist für diese Stadt. Und das Ganze sieht dann eben, Sie haben es vorhin auch schon erwähnt, sieht aus wie ein Amphitheater, wie ein natürliches, und mitten da drin, da liegt eben die Altstadt, dieses Unesco-Weltkulturerbe, und insofern kann man da praktisch von Glück reden, dass der Brand von außen – wenn man da von Glück reden möchte –, dass der Brand eben von außen gekommen ist und damit eben dieses Weltkulturerbe verschont hat.
von Billerbeck: Das ist nicht der erste Großbrand in Valparaíso. Man hörte in Berichten von Evakuierten, das schon ihre Eltern und Großeltern abgebrannt sind. Warum ist die Stadt so gefährdet?
Vorderwülbecke: Also da kann ich keine wissenschaftliche Begründung liefern, allerdings hätten die spanischen Eroberer vielleicht damals auf die Ureinwohner hören sollen, die Mapuche haben nämlich diese Region "verbranntes Land" genannt. Also das heißt, diese Region ist tatsächlich immer wieder Opfer von großen Bränden geworden. Man kann davon ausgehen, dass es auch so ein bisschen an der Saison liegt, also jetzt war natürlich der Sommer, der geht zu Ende, da ist alles sehr trocken, sehr heiß ist es gewesen, und dann kommen diese Berge, möglicherweise frischen dann immer Winde auf, vielleicht ist es auch diese Situation der Bucht, die diese Winde da noch kanalisiert und damit Feuer, wenn sie dann entstehen, auch noch anfacht. Das kann man vermuten. Aber eine richtige Erklärung habe ich dazu nicht.
Ausflugsziel in paradiesischer Lage
von Billerbeck: Valparaíso, Sie haben es gesagt, ist eine bedeutende Hafenstadt. Sie gilt aber auch als die Kulturmetropole Chiles. Viele Touristen kommen da hin, gucken sich diese Unesco-Weltkulturerbe-Stadt an. Aber welche Bedeutung hat die Stadt auch für Chile?
Vorderwülbecke: Also es ist tatsächlich so was wie die Kulturhauptstadt Chiles, muss man ganz klar sagen. Es gibt ganz viele Museen, es gibt ganz viele Institutionen, der nationale Kulturrat ist dort, und es ist natürlich auch ein Ausflugsziel, ich habe schon gesagt, diese paradiesische Lage zieht natürlich dann auch viele Chilenen aus Santiago – das ist ja dieser Sechs-Millionen-Moloch, der ist nicht so richtig schön, da gibt es auch viel Smog –, und Valparaíso ist sozusagen das Gegenteil, das ist die schöne kleine Schwester von Santiago de Chile, und insofern, und Sie haben auch schon gesagt, welche Persönlichkeiten dort gewirkt und gelebt haben oder daher stammen, so wie Pablo Neruda oder eben auch die Familie Allende, Isabel Allende oder auch Salvador Allende stammen aus dieser Stadt. Und insofern ist das natürlich die kulturelle und die kulturell bedeutendste Stadt des Landes, ganz klar.
von Billerbeck: Es ging aber auch, wenn man es so bisschen zusammenfasst, der Putsch aus dieser Stadt aus, Augusto Pinochet war da Flottenadmiral, der spätere Diktator, das heißt, man hat beide Seite in dieser Stadt: einerseits die Unesco-Kulturstadt, die Dichter, und andererseits den Diktator.
Vorderwülbecke: Ja, ganz klar, man hat ja auch die Politik in dieser Stadt. Man darf ja nicht vergessen, dass Valparaíso auch der Sitz des Parlaments ist. Also da ist natürlich sehr, sehr viel gebündelt. Und dass jetzt Augusto Pinochet aus Valparaíso kommt, das ist natürlich ein Aspekt, den man nicht der Stadt zuschreiben kann. Dieser ganze Putsch hat natürlich in Santiago stattgefunden. Insofern ist die Stadt dann von dem Putsch direkt ... Würde ich jetzt nicht sagen, dass sie ein Zentrum dieses Putsches im Jahr 1973 gewesen ist, sondern es ist schlicht und ergreifend so, dass Augusto Pinochet daher stammt. Aber wie gesagt, Politik und Kultur, alles vereinigt sich in dieser kleinen Stadt, die ja nur 300.000 Einwohner hat.
von Billerbeck: Die Brände, haben Sie gesagt, haben die Armenviertel getroffen, das Unesco-Weltkulturerbe ist erst mal nicht gefährdet. Trotzdem die Frage: Was wird dieser Brand für das Image und für die Anziehungskraft von Valparaíso bedeuten?
Vorderwülbecke: Also ich denke erst mal, dass so viel auf diesen touristischen Aspekt, über den wir jetzt schon gesprochen haben, und dieses Unesco-Weltkulturerbe ... Das ist davon natürlich nicht betroffen. Man muss sagen, dass Chile ja ein Land ist, was sehr häufig von Erdbeben oder anderen Katastrophen heimgesucht wird. Das hat auch mit der geologischen Situation zu tun. Eigentlich gibt es sehr gute Vorbereitungen in der Stadt, die Aufräumarbeiten funktionieren gut, es gibt Fluchtpläne, es gibt Katastrophenpläne, und die Evakuierung hat auch relativ gut funktioniert, es gab nur zwölf Tote, nur, kann man vielleicht sagen bei so einem großen Brand. Und insofern kann man vielleicht sagen, dass die Auswirkungen wahrscheinlich relativ schnell beseitigt werden können.
von Billerbeck: Unser Korrespondent Peer Vorderwülbecke über Valparaíso, die chilenische Stadt, UNESCO-Weltkulturerbe, die derzeit gegen einen verheerenden Großbrand kämpft. Ich danke Ihnen!
Vorderwülbecke: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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