Chemie statt Natur

„Pesto verde in Premium-Qualität nach traditionellem Rezept“, wirbt der Lebensmittelkonzern auf dem Etikett und verspricht damit indirekt viel Olivenöl, viel Parmesankäse und Pinienkerne. Aber weit gefehlt! Am meisten drin ist Sonnenblumenöl, dazu Geschmacksverstärker und Gewürze.
Eben alles, was billig ist und für lange Haltbarkeit sorgt. Willkommen in der Welt der industrialisierten und globalisierten Ernährungsindustrie, wo die Qualität nichts und der Preis alles ist.

Der Lebensmittelkritiker Hans-Ulrich Grimm hat sich nicht zum ersten Mal mit den wohlfeilen Versprechungen und der düsteren Wirklichkeit der Lebensmittelindustrie auseinandergesetzt. In seinem neuen Buch „Tödliche Hamburger“ nimmt er sich diesmal der Gefahren durch die Globalisierung an.

Lebensmittel werden immer häufiger rund um den Globus geschickt. Fastfood, Fleisch, Obst und Gemüse reisen monatelang über die Weltmeere, bevor sie im Supermarkt landen. Um die langen Reisen unbeschadet zu überstehen, muss die Lebensdauer der leicht verderblichen Ware künstlich erhöht werden. Also setzt man Gase, Pestizide und Konservierungsstoffe ein, um irgendwelche Erreger, die sich auf den wochenlangen Fahrten ungehemmt vermehren könnten, unter Kontrolle zu halten.

Allerdings hilft die eingesetzte Chemie immer weniger. So starb ein amerikanisches Mädchen nach dem Genuss eines mit E-Coli-Bakterien verseuchten Cheeseburgers – kein Einzelfall, wie Grimm eindrucksvoll belegt. Der einst seltene Erreger lässt sich trotz strenger Hygienemaßnahmen immer häufiger in Lebensmitteln nachweisen.

Krankmachende Keime reisen inzwischen mit der Nahrung rund um die Welt und kommen damit an Orte, an denen sie vorher nie zu finden waren. Und Ulrich Grimm nimmt seine Leser mit auf diese Reise: mal an die Nordsee, wo ein Ehepaar nach dem Verzehr von vergiftetem Fisch fast gestorben wäre, dann nach Storkow, wo sich Salmonellen epidemisch ausbreiteten. In der Südsee recherchiert er die Ausbreitung von Diabetes.

Das Buch ist, wie man es von dem Autor kennt, bissig, sarkastisch und ironisch. Man merkt schon deutlich, dass Hans-Ulrich Grimm früher beim „Spiegel“ gearbeitet hat. Er weiß zuzuspitzen, seine Argumentation scheut nicht vor drastischer Vereinfachung zurück, prangert an. Ob Hormone im Fleisch und in Plastikflaschen, Gentechnik, verseuchtes Viehfutter, durch Massentierhaltung verbreitete Krankheitskeime – er greift alles auf und an.

Verarbeitete Lebensmittel, so Hans-Ulrich Grimm, bieten mangelhafte Ernährung: Wichtige Vitamine werden bei der Fertigung zerstört, Geschmacksverstärker, künstliche Enzyme und Aromen gaukeln dem Gaumen Frische und nicht vorhandene Inhaltsstoffe vor. Chemie statt Natur. Die moderne Ernährung aus der Tüte ist für den Autor hauptverantwortlich für Fettsucht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten.

Wirklich neu ist das nicht, wie man überhaupt vieles aus seinen vorherigen Büchern wiederfindet. Wer sich aber noch nicht mit der Qualität der Tiefkühlkost sowie der abgepackten Lebensmittel von der Selbstbedienungstheke auseinandergesetzt hat, dem wird das Buch auf den Magen schlagen. Glaubt man dem Autor, dann sind die Verhältnisse mehr als beunruhigend.

Zum Autor:
Der 55-jährige Hans-Ulrich Grimm, Ex-„Spiegel“-Korrespondent, hat sich mit seinen äußerst kritischen Büchern wie „Die Suppe lügt“ oder „Die Kalorienlüge“ über die Lebensmittelindustrie und ihre vermeintlich gesunden Produkte einen Namen gemacht. Immer wieder zeigt er, wie die Verbraucher gewusst über die Inhalte der verarbeiteten Lebensmittel betrogen werden, wie viel Chemie in ihnen steckt, wie künstlich sie sind. Das gilt auch für sein jüngstes Werk.

Besprochen von Johannes Kaiser

Hans-Ulrich Grimm: Tödliche Hamburger. Wie die Globalisierung der Nahrung unsere Gesundheit bedroht
Hirzel Verlag
174 Seiten, 26 Euro