Chemie ist wenn es kracht und stinkt

05.08.2012
Der Chemiker und Komiker Andreas Korn-Müller, auf der Bühne "Magic Andy" genannt, möchte vor allem eins: Für Chemie begeistern. Wissenschaft als Show ist sein Motto und so zeigt er in "Da stimmt die Chemie", wie man Blut mit Vollwaschmittel zum Leuchten bringt und was Elektronen mit Außenministern gemeinsam haben.
Er trägt die Chemie auf die Bühne und bringt Menschen mit seinen Experimenten zum Lachen. Andreas Korn-Müller ist Comedian und er ist Chemiker. Chemiker war er zuerst, das hat ihm aber nicht gereicht, und so tourt er zum großen Entsetzen seines Doktorvaters seit einigen Jahren durch Fernsehshows, Festivals und Museen und lässt es mit viel Vergnügen, krachen, brennen oder stinken.

Seine Fans sind begeistert, besonders wenn Andreas Korn-Müller, der sich auf der Bühne "Magic Andy" nennt, in seinen Zauberkostümen oder im Westernoutfit wieder mal ein Dynamitfass in Luft sprengt. Wissenschaft als Show lautet sein selbstgestellter Auftrag, den er auch in seinem dritten Buch "Da stimmt die Chemie" verfolgt. Viele Gags, Witze und skurrile Vergleiche dazu Experimente zum Nachmachen. Das Buch ist eine Art Überraschungspaket für Omas, Onkels, Tanten, Eltern und Kinder, die es in den Ferien gern mal knallen lassen.

Wen Chemie bis dato nicht interessierte, wird dieses Buch aber nicht unbedingt überzeugen. Denn trotz der enormen Begeisterung, die der Autor für sein Fachgebiet hat, fehlt es an echten, realen Bezügen. Blut mit Vollwaschmittel zum Leuchten zu bringen, ist für den Chemieunterricht oder eine Fernsehshow sicher spektakulär, für das alltägliche Verständnis bringt es wenig. Leider sind es lediglich die Effekte der Chemie und nicht ihr Nutzen, die der Autor beschreibt. Schade! Hier wurde die Chance vergeben, zu zeigen, dass Chemie sehr viel mehr ist, als wenn es kracht und stinkt.

Gelungen sind dagegen die kurzen Einführungen zum Aufbau der Materie. Mit einfachen Erklärungen und anschaulichen Vergleichen bekommt selbst der absolute Chemieanfänger einige gute und grundsätzliche Einblicke in die Welt der Atome und Moleküle. Das gelingt durch den Vergleich mit ganz alltäglichen Dingen wie Fußballstadien oder Vogelschwärmen. So soll der Leser sich beispielsweise viele kleine Vögel vorstellen, die um seinen Kopf schwirren, um das Zusammenspiel zwischen Atomkern und Elektronen zu erfassen.

Zugegeben ein seltsames Bild, aber diesen Vergleich versteht jeder. Ebenso einleuchtend ist die Analogie zwischen Elektronen und Außenministern. Elektronen agieren so wie es die Außenminister einzelner Ländern innerhalb von Staatengemeinschaften tun. Immer im eigenen Interesse, aber für den Zusammenhalt der Gemeinschaft. Denn: Chemische Reaktionen sind immer Gleichgewichtsreaktionen – einzige Ausnahme, Kernspaltung und Kernfusion. Prima, wieder was gelernt! Danke Herr Lehrer.

Auch wenn er genau das nicht sein möchte, Andreas Korn-Müller ist wie ein Chemielehrer. Lustig und engagiert, aber doch sehr in seinem Fach gefangen. Gute grundsätzliche Erläuterungen, doch was fehlt, ist zum Beispiel eine kritische Haltung zur Chemie. Kein Wort zu Chemieskandalen der Vergangenheit oder aber Forschung im Zusammenhang mit Kriegen.

Stattdessen plaudert der Autor über die Erfindung des Streichholzes und wie einer seiner Freunde bei einem Versuch mit dem roten Phosphor auf den kleinen Hölzern fast sein Augenlicht verlor. Das zeigt immerhin, dass Chemie durchaus gefährlich sein kann. Ohne die richtige Ausrüstung verzichtet man deshalb besser auf die zahlreichen Experimente im Buch. Und schaut sich lieber eine der vielen unterhaltsamen und hochexplosiven Showauftritte des Autors an. Live ist er nämlich ein richtiger Knaller.

Besprochen von Susanne Nessler

Andreas Korn-Müller: "Da stimmt die Chemie. Wissenswertes aus dem Reich der Moleküle"
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2012
256 Seiten, 8,99 Euro