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Top 5 des Arthouse-Kinos

Timothy Spall als der Maler William Turner in dem Film "Mr. Turner - Meister des Lichts".
Timothy Spall als der Maler William Turner in dem Film "Mr. Turner - Meister des Lichts". © picture alliance / dpa / PROKINO Filmverleih GmbH
Von Hartwig Tegeler · 01.12.2014
Fünf Filme, ein Ranking - diese Woche ganz oben: Eine Filmbiografie, die sich vor dem Geist des Künstlers William Turner verbeugt. Ohne die Widersprüche seines Lebens auszublenden.
Platz 5: "My Old Lady" von Israel Horowitz
"Und wir töten weniger Menschen in diesem Film. In diesem Film waren es nur 48 Personen. Also wenig verglichen mit dem letzten. Was waren es noch 119."
Kevin Kline und Maggie Smith: Amerikaner erbt von Vater Wohnung in Paris, da lebt aber noch - Leibrente - die alte Engländerin. Beziehungskuddelmuddel, das auch in die Vergangenheit zurück reicht. Die alte Frau hat eine Tochter.
"Bitte werden Sie nicht vulgär."
"Nun, ich werde es versuchen, aber ich kann nichts versprechen."
Die wird gespielt von Kristin Scott Thomas ...
"Ich weiß genau, wieso Sie hier sind!"
... die gerade auch in Philippe Claudels "Bevor der Winter kommt" brilliert. Die bei François Ozon in "In ihrem Haus" brillierte, in "Bel Ami", in "Lachsfischen im Jemen", in "Sarahs Schlüssel", in in in in brillierte, brillierte, brillierte.
Ich will jetzt unbedingt den "Englischen Patienten" noch mal sehen. Weil, den "Pferdeflüsterer" - jetzt ist´s raus - noch mal zu sehen, das wird langsam peinlich. Zu "brillieren" findet mein Synonymwörterbuch u. a. noch "herausragen", "Bewunderung hervorrufen". Viel zu wenig zu Kristin Scott Thomas.
Platz 4: "Das Salz der Erde" von Wim Wenders
Bildzauberer - Zauberer der bewegten Bilder - verbeugt sich tief, sehr tief vor einem Meister der Fotografie. Schwarz-Weiß-Magie des Kinos.
"Den bringe ich um. Du, du könntest nie jemanden töten."
Platz 3: "Einer nach dem anderen" von Hanns Petter Moland
"Ich habe schon einen gewissen Jappe getötet, einen Ronaldo und einen Strike. Getötet, in Hühnerdraht gewickelt und den Wasserfall runtergeworfen."
Die Geschichte vom biederen schwedischen, in Norwegen ansässigen, zum Bürger des Jahres gekürten Schneepflugfahrer und Familienvater, der nach dem vermeintlichen Drogentod seines Sohnes - es war aber Mord - ein Massaker unter den verantwortlichen Gangsterbanden anrichtet, ist eine blutig-deftig-hemmungslose Schlachteplatte.
Wenn man sich aber von dieser als "schwarze Komödie" ausgestellten Anhäufung von Bestialitäten nicht schocken respektive abstoßen lässt, dann wird in der Wiederholungsdramaturgie dieses Films seine öde Leere schnell klar. Mit einem - soviel Paradoxie muss sein -, mit einem grandiosen Stellan Skarsgård in der Hauptrolle.
Platz 2: "Im Labyrinth des Schweigens" von Giuilio Ricciarelli
"Da draußen läuft ein Mörder frei herum."
"Mitglied der Waffen-SS, war im Krieg in Auschwitz. Der arbeitet jetzt als Lehrer und unterrichtet Kinder. Interessiert Sie das?"
Nein, die Strafverfolgungsbehörden interessierte das damals inmitten der großen Verdrängungssuppe des 1950er-Jahre keinen Deut. Ricciarellis tiefbeeindruckender Film über die Vorgeschichte des Frankfurter Auschwitz-Prozesses ist ein Erzählfilm, der von der Heldenreise seiner Hauptfigur, des jungen Staatsanwalts - gespielt von Alexander Fehling -, erzählt. Diese Reise ist eine in die Hölle des Holocaust.
Um das zu erzählen, bedient sich der Filmemacher auch einer Liebesgeschichte, die heute immer zum guten Filmton zu gehören scheint. Überflüssig. Doch allein die Tatsache, dass ein auf den Massengeschmack gerichteter Spielfilm an eine der wichtigsten historischen Personen der 1960er-Jahre erinnert, macht das alles wett. Die Rede ist vom jüdischen, emigierten Generalstaatsanwalt von Hessen, Fritz Bauer, der die Prozesse in Frankfurt sozusagen in Gang brachte. Großer Film.
Platz 1: "Mr. Turner - Meister des Lichts" von Mike Leigh
Goethes letzte Worte sollen "Mehr Licht!" gelautet haben.
Da kann William Turner mit seinem auf dem Totenbett gesprochenen "Die Sonne ist Gott!" gut mithalten. Die erste Ausstellung von Joseph Mallord William Turner fand statt im Fenster des Friseurgeschäfts seines Vaters. Doch schon mit 14 Jahren war der hochbegabte Autodidakt in diesen ausgehenden Jahren des 18. Jahrhunderts Stipendiat der Royal Academy und schnell Liebling des Londoner Kunstpublikums.
1842 malt Turner "Schneesturm auf dem Meer" und schafft eine dramatische Szenerie vom Toben der Elemente. Vier Stunden ließ er sich, um das alles zu beobachten, von den Matrosen an der Mast binden, ohne daran zu denken, sich in Sicherheit zu bringen. "Ich fühlte mich verpflichtet, davon Zeugnis abzulegen", schrieb er später und fügte hinzu: "Niemand sollte auf den Gedanken kommen, dieses Gemälde zu mögen!"
Mike Leighs großartige Filmbiografie "Mr. Turner - Meister des Lichts" verbeugt sich vor dem Geist dieses Künstlers, ohne die Widersprüche seines Lebens auszublenden. Kino, das eine Adaption der Lichtmagie des Meisters versucht. Korrektur: dem eine Adaption im anderen, dem bewegten Medium, gelingt.
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