Charly Hübner

Ein Schauspieler der Extreme

Der Schauspieler Charly Hübner steht im Rahmen des Stückes "Onkel Wanja" auf der Bühne im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg.
Der Schauspieler Charly Hübner steht im Rahmen des Stückes "Onkel Wanja" auf der Bühne im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. © picture alliance / dpa / Christian Charisius
Von Christoph Leibold · 19.03.2016
Einem Millionenpublikum ist Charly Hübner als Kommissar aus dem Rostocker "Polizeiruf" bekannt. Als Theaterschauspieler wird er nun mit dem Gertrud-Eysoldt-Ring ausgezeichnet. Dabei wäre er der Bühne fast verloren gegangen.
Sein Leben lang hat Wanja das Gut der verstorbenen Schwester verwaltet und so die Karriere von deren Mann finanziert, den er für einen bedeutenden Wissenschaftler hielt. Ein fataler Irrtum. Die vermeintliche Lichtgestalt leuchtet bei näherer Betrachtung allenfalls matt.
Wie sich angesichts dieser späten Erkenntnis Wanjas Ehrfurcht in ohnmächtige Wut verkehrt hat, das glaubt man – selbst aus den hinteren Zuschauerreihe - allein an Charly Hübners dunklen Augen ablesen zu können, in deren tiefer Traurigkeit noch der Rest einstmals treuherziger Bewunderung aufblitzt.
Am Hamburger Schauspielhaus hat Bühnenbildner Johannes Schütz zentnerweise Erde auf der Spielfläche ausgekippt. Die heimischen Scholle, auf deren Pflege Wanja sein Leben verschwendet hat: in Karin Beiers Inszenierung klebt sie buchstäblich an Charly Hübners Bauernstiefeln:
"Karin Beier sagt ja immer, das ist einer der wenigen, der Hübner, der noch diese Schwere und diesen direkten Bauernton irgendwie mitbringt. Aber ich würde das selber gar nicht so empfinden, weil die Leute, die ich kennen, wo ich herkomme - da bin ich der Luftikus, sozusagen. Es gab mal - wann war denn das? - so Februar 91 oder so, da war die Entscheidung gefallen, ich will Schauspielerei machen, da hab ich mir dann einen Hut gekauft und einen langen Mantel, nicht so eine moderne Sportjacke oder so. Und dann sagte der eine, der ist später Gärtner geworden: Charly, Karneval ist im Februar!"

Bodenständig und leicht

Bei Charly Hübner gehen die Extreme eine Symbiose ein: sein Spiel wirkt bodenständig, hemdsärmelig beinah, was sicher auch mit seiner tiefen, geerdeten Stimme und seinem massigen Körper zu tun hat. Zugleich ist da aber immer auch eine Leichtigkeit, die seine Figuren abheben, loskommen lässt vom Boden eines reinen Realismus, der im Theater schnell plump wirkt.
Dem Theater schien Hübner nach seinen Frankfurter Anfangsjahren Ende und rund 40 Rollen in sieben Jahren bis 2002 übrigens fast verloren zu gehen. Nahe am Bühnen-Burnout stand er ein paar Jahre nur noch vor der Kamera, für "Das Leben der Anderen" zum Beispiel. Dann aber begegnete er – kurz vor dessen Tod – dem Theaterregisseur Jürgen Gosch. Der besetzte Hübner in seiner Züricher Inszenierung von Roland Schimmelpfennigs "Hier und jetzt".
"Das war dann ein richtig toller Schlüssel, weil Jürgen Gosch in der Phase, wo er da selber mit seiner Arbeit war, den Schauspielern so sehr viel Verantwortung überlassen hat im Finden dessen, was man so anschleppt an eine Probe. Früher hatte ich immer das Bild, die Regie hat da irgendwas vor und ich horch mir das an und kucke, wie ich mich da eingefädelt kriege. Und das hat der Gosch mir genommen und gesagt: Nö, Du hast da vier Seiten Text, das ist Dein Ding!"

Eysoldt-Ring neben Deutschem Comedypreis

Mit dem Gespür für die schauspielerische Eigenverantwortung wuchs auch Charly Hübners Souveränität. Wenn jetzt ein Kritiker den oberflächlichen Fernseh-Kommissar-Vergleich auspackt, nur weil Hübner in Dostojewskis "Schuld und Sühne" einen Ermittler spielt, der den Studenten Raskolnikow des Mordes überführen will, dann kratzt ihn das wenig. Dostojewskis Romanfigur fasziniert Hübner gleichwohl.
"Wie der versucht, nur durch Instinkt – weil Freud fing gerade erst an, die Couch aufzubauen, er hat gerade erst die Couch bestellt beim Möbelhersteller – sozusagen instinktmäßig, über Logik versucht, einen einzukreisen und sich da richtig Zeit lässt - ich lass mir Zeit, wenn Du’s warst, wirst Du sowieso irgendwann von alleine kommen – das sind einfach sensationelle Texte, die will man dann einfach spielen. Das sind Tiraden, die sind schwer zu spielen. Man denkt bei jeder Vorstellung: Och, die Kurve habe ich jetzt auch wieder sträflichst in der Mitte geschnitten. Aber das denkt man ja immer beim Spielen beim Theater."
So schlimm kann's nicht sein. Hübners Auftritt in "Schuld und Sühne" ist mit ein Grund dafür, dass es nun den Eysoldt-Ring erhält. Die Auszeichnung ergänzt Hübners stattliche Preise-Sammlung, zu der auch (schöner Kontrast!) der Deutsche Comedypreis zählt, verliehen erst vor einem halben Jahr. Und nun schon der nächste Preis.
"Das ist total absurd, ne?"
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