Chancengleichheit in den USA

Bildung wird vererbt – unter Reichen

College-Absolventen in Kalifornien
College-Absolventen in Kalifornien im Mai 2012 © imago/ZUMA Press
Von Wolfgang Stuflesser · 04.05.2015
"Vom Tellerwäscher zum Millionär" – das war einmal in den USA. Wer heute aufsteigen will, braucht eine gute Ausbildung, die sich viele aber kaum leisten können. Der Durchschnittsstudent nimmt zigtausende Dollar an Kredit auf.
Soziologie, Erziehungswissenschaft und… Journalismus: Das sind drei der Studiengänge, die sich nach einer Kalkulation des amerikanischen Job-Portals Salary.com am wenigsten rechnen. Denn wer in den USA studiert, muss im Vergleich zu Europa hohe Studiengebühren zahlen – im Schnitt mehr als 20.000 Euro pro Jahr. Deshalb kann man die Frage verstehen, die John Green, Autor zahlreicher Jugendbücher, in seinem Videoblog stellt: Lohnt sich das Studium überhaupt?
"Das sei eine interessante Frage, fährt Green fort – nicht nur für Schüler, sondern auch für Ältere, die oft noch Jahrzehnte nach dem Uni-Abschluss ihre Kredite dafür abstottern."
In der Tat sind die Studienschulden in den USA auf Rekordniveau: bei umgerechnet 1,2 Billliarden Euro, das ist mehr, als alle US-Amerikaner zusammengenommen an Kreditkartenschulden angehäuft haben. Bei diesen Eckdaten wundert es nicht, dass Kinder reicher Eltern deutlich häufiger einen Uniabschluss machen als die aus ärmeren Schichten: Nach einer Studie der Universität von Michigan gehen von den reichsten 25 Prozent der Schüler 80 Prozent aufs College, und die überwiegende Mehrheit von ihnen macht auch einen Abschluss.
Nur ein Drittel schafft den Abschluss
Bei den ärmsten 25 Prozent der Schüler gehen dagegen nur knapp 30 Prozent aufs College – und nur ein Drittel schafft den Abschluss. Zugespitzt formuliert: Bildung wird in den USA vererbt – und zwar innerhalb der reichen Familien. Da helfe es auch nicht, dass sich die Unis inzwischen verstärkt auch um Kinder aus ärmeren und Einwandererfamilien bemühen, argumentiert Clarence Wong in einem Kommentar für den Radiosender KQED:
"Die Wahrheit ist: Der traditionelle College-Absolvent, dessen Familie eine Uni seit Generationen besucht hat, verhält sich so, als gehöre ihm der Laden. Verglichen mit den Kindern aus schwarzen oder Einwandererfamilien fühlt sich diese Gruppe in der Uni zuhause, noch bevor sie den ersten Tag dort waren."
Und das, obwohl Präsident Lyndon B. Johnson schon in den 60ern ein großes Bildungsprogramm angestoßen hat, mit der Forderung und dem Versprechen, Armut dürfe die Leute nicht vom Lernen abhalten – und das Lernen müsse einen Ausweg aus der Armut bieten.
Dass sich so viele Studierende in den USA verschulden, zeigt den hohen Stellenwert, den sie einer guten Ausbildung beimessen. Doch weil die US-Politik seit Jahrzehnten einen Linie der Steuersenkungen und damit der Kürzungen auch bei den Bildungsausgaben fährt, mussten die Unis zum Ausgleich ihre Gebühren deutlich erhöhen: Während die Kosten für ein Jahr College in den 70ern noch etwa 15 Prozent des Durchschnittseinkommens entsprachen, sind es heute 45 Prozent. Oder, wie es der Komiker John Oliver in seiner Satiresendung ´Last Week Tonight` formuliert: Die Politiker in den USA seien der Ansicht, dass Bildung zwar unglaublich wichtig ist, aber doch nicht so wichtig, dass sie dafür Geld ausgeben.
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