Chance für Quereinsteiger in Sarkozys Kabinett

Von Hans Woller |
Die Ecole nationale d'administration (ENA), Frankreichs Elitehochschule par excellence, hat dem Land in den letzten 30 Jahren 2 Staatspräsidenten und 7 Premierminister gegeben - und nun dies: Präsident Sarkozy ist von Beruf Rechtsanwalt, Premier Fillon hat ein einfaches Juraexamen.
In der Regierung findet man einen Arzt und mit Roselyne Bachelot eine Apothekerin als Gesundheitsministerin, Sozialminister Bertrand war früher Versicherungskaufmann. Im Kabinett sitzen eine Richterin, ein Lehrer, zwei frühere Büroangestellte und viele, die an Sciences PO Politikwissenschaften studiert haben, aber gerade mal zwei Abgänger der oft geschmähten Elitehochschule als Minister: Valerie Pecresse, im Hochschul- und Forschungsressort und, quasi wie ein Mann aus der alten Schule, Michel Barnier, früher schon mal Außenminister und EU-Kommissar, jetzt im Landwirtschaftsministerium.

Dazu noch drei Staatssekretäre in einem 32-köpfigen Kabinett - so wenige Ena-Absolventen wie noch nie? Ist ihre Quasi -Abwesenheit in den höchsten Sphären der Politik ein Zeichen dafür, dass die Elitehochschule ausgedient hat, nicht mehr den Anforderungen der Zeit entspricht?

"Lächerlich" sagt Jean Francois Copé, der neue Fraktionschef der bürgerlichen UMP Partei und selbst ENA-Zögling, ein reiner Zufall, die Qualität der Kaderschmiede stehe nicht in Frage. In dieselbe Kerbe haut auch der Präsident des einflussreichen Ehemaligenvereins der ENA: im politischen Leben seien persönliche Freundschaften weit wichtiger, als die Ausbildung der Ministerkandidaten.

Sie können für begrenzte Zeit zu diesem Thema auch ein Gespräch mit Jürgen Ritte, Direktor des Instituts der Etudes Franco-Allemandes an der Sorbonne in unserem Audio-on-Demand-Angebot hören.