CDU-Politiker wirft Moskau "neoimperiale" Politik vor

Eckart von Klaeden im Gespräch mit Leonie March |
Angesichts der Krise im Kaukasus hat der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckart von Klaeden, gefordert, die deutsche Russlandpolitik grundlegend zu überdenken. Die Politik Russlands gegenüber seinen Nachbarstaaten habe "deutlich an Aggressivität zugenommen", sagte der CDU-Politiker.
Leonie March: Große Besorgnis und scharfe Kritik, das sind die internationalen Reaktionen auf die neuesten Nachrichten aus Moskau. Einstimmig hat das Parlament gestern gefordert, Südossetien und Abchasien als unabhängig anzuerkennen. Die Entscheidung liegt jetzt bei Präsident Medwedew. Unisono haben ihn US-Präsident Bush und Bundeskanzlerin Merkel davor gewarnt, die Resolution zu unterschreiben, denn eine Abspaltung der beiden Provinzen widerspricht internationalen Verträgen. Die territoriale Einheit Georgiens ist für den Westen nicht verhandelbar.
Über die Entwicklung spreche ich jetzt mit Eckart von Klaeden. Der CDU-Politiker ist außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Guten Morgen, Herr von Klaeden!

Eckart von Klaeden: Guten Morgen, Frau March.

March: Mahnungen und Kritik aus dem Westen haben Moskau in den vergangenen Wochen ja nicht sonderlich beeindruckt. Wie wird sich Medwedew jetzt gegenüber der Parlamentsforderung verhalten?

von Klaeden: Ich hoffe und erwarte, dass er sich so verhalten wird, wie das schon angesichts eines Beschlusses der Fall war, der einige Monate alt ist und der in ähnlicher Weise die Anerkennung von Südossetien und Abchasien gefordert hat. Dieser Beschluss ist im Westen kaum zur Kenntnis genommen worden, aber er ist auch damals vom russischen Präsidenten nicht umgesetzt worden.

March: Das heißt, Moskau legt es Ihrer Meinung nach nicht auf eine weitere Eskalation an?

von Klaeden: Das werden wir sehen. Wie gesagt, Sie hatten mich ja nach meiner Hoffnung gefragt oder nach dem, was ich für richtig halte. Da kann ich nur appellieren, dass es zu diesem Schritt nicht kommt. Aber wir müssen unsere Politik zu Russland grundlegend überdenken und nüchtern analysieren. Dazu gehört sicherlich auch die Nachbarschaftspolitik Russlands, die in den letzten Jahren, aber insbesondere in den letzten Monaten nicht nur gegen Georgien, sondern auch gegenüber der Ukraine und den baltischen Staaten deutlich an Aggressivität zugenommen hat.

March: Was würde eine Abspaltung der beiden Provinzen von Georgien denn für die Region bedeuten, zum Beispiel für die Krim?

von Klaeden: Der NATO-Botschafter Russlands hat ja schon im Juni die territoriale Integrität der Ukraine in Frage gestellt, indem er gesagt hat, es bestände ja für Russland die Möglichkeit, den russisch-ukrainischen Freundschaftsvertrag aus den 50er Jahren zu kündigen, in dem festgelegt ist, dass die Krim eindeutig zur Ukraine gehört. Das sind unverhohlene Drohungen, die gegenüber der Ukraine auch ausgestoßen worden sind. Ich erinnere an die Rede des russischen Präsidenten Medwedew Mitte Juli gegenüber seinen Botschaftern, wo er ziemlich unverhohlene Drohungen gegenüber den baltischen Staaten ausgestoßen hat. Auch darüber ist in Deutschland kaum berichtet worden. Das sind alles Dinge, die wir heute neu bewerten müssen und worauf wir unsere Politik einstellen müssen. Und was Georgien und die Ukraine angeht, finde ich, muss jetzt die Europäische Union ihre Politik gegenüber diesen Ländern intensivieren, die demokratischen, rechtsstaatlichen, marktwirtschaftlichen Kräfte stärken. Insbesondere was Georgien angeht müssen wir dem Land helfen, die Voraussetzungen zu erfüllen, um in das "Membership Action Plan"-Programm der NATO aufgenommen werden zu können.

March: In einem Artikel für den aktuellen "Spiegel" schreiben Sie, Herr von Klaeden, den autoritären Tendenzen in Russland müssen wir offen und beherzt entgegentreten. Welche Handlungsmöglichkeiten bleiben der EU und Deutschland denn gegenüber Russland?

von Klaeden: Wir haben eine Reihe von Handlungsmöglichkeiten, die aber nur dann erfolgreich sind, wenn wir in der Tat in der Europäischen Union geschlossen und entschlossen auftreten. Ich sehe im Großen und Ganzen drei Felder. Das erste sind die Wirtschafts- und Energiebeziehungen zu Russland. Das zweite ist die Nachbarschaftspolitik und das dritte ist das Verhalten Russlands im Europarat und auf internationaler Bühne. Was das erste angeht, so haben wir auch dort ja feststellen müssen, dass es immer stärker Tendenzen zur Reverstaatlichung, zu einem staatsoligarchischen Kapitalismus in Russland gibt. Dort müssen wir stärker als bisher auf das Prinzip der Reziprozität, also der Gegenseitigkeit setzen und darauf achten, dass die für Russland vorläufig verbindliche Energie-Charta auch tatsächlich umgesetzt wird. In der Nachbarschaftspolitik müssen wir nicht im militärischen Sinne, aber was politische, was wirtschaftliche Unterstützung angeht diejenigen stabilisieren, denjenigen helfen, die sich in Richtung Westen, Richtung Demokratie, Richtung Marktwirtschaft ausrichten wollen. Beim dritten Feld, also Russlands Auftreten auf europäischer und internationaler Bühne, müssen wir darauf achten, dass Russland sich an die Verpflichtung hält, die es selber eingegangen ist. Russland ist zum Beispiel, was die Ratifizierung des Protokolls zur Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte angeht, das einzige Land von den 47 Mitgliedsstaaten des Europarates, das dieses Protokoll nicht ratifiziert hat. Das müssen wir Russland gegenüber stärker einfordern als bisher.

Wenn wir Georgien betrachten, so müssen wir sehen, dass die Aggression Russlands gegenüber Georgien auch gegen uns gerichtet ist – und zwar aus zwei Gründen. Der eine Grund ist, dass Georgien ein Land ist, das nach Westen strebt – bei allen Schwierigkeiten und bei allen Fehlern, die auch der Präsident Saakaschwili gemacht hat. Aber die demokratische und marktwirtschaftliche Ausrichtung des Landes steht aus meiner Sicht, wenn man Umfragen und auch die Abstimmung in der Bevölkerung ansieht, außer Zweifel. Und das zweite ist: Georgien ist für uns von strategischer Bedeutung, was unsere Energieversorgung angeht. Durch Georgien laufen zwei wichtige Pipelines, die aus Aserbaidschan über die Türkei, Rumänien, Bulgarien nach Mittel- und Westeuropa führen sollen. Und Russland hat sicherlich ein Interesse, auch dort die Abhängigkeit, die einseitige Abhängigkeit von uns weiter zu erhalten. Vor diesem Hintergrund müssen wir auch das russische Agieren in Georgien betrachten.

March: Sie haben gerade gesagt, Europa braucht vor allem Geschlossenheit. Momentan ist das nicht der Fall. Müssen Frankreich und Deutschland hier mehr auf die Sorgen der osteuropäischen Staaten eingehen?

von Klaeden: Jedenfalls mehr als das unter der rot-grünen Regierung, unter der Achse Chirac/Schröder/Putin der Fall gewesen ist. Das hat damals sehr viel Misstrauen gesät. Und wir müssen uns in dem, wie wir über die Schwierigkeiten sprechen, die die baltischen Staaten, Polen und auch andere Länder mit Russland haben, davon verabschieden zu glauben, dass das allein auf historische Erfahrungen zurückgeht, sondern es sind aktuelle Erfahrungen, die diese Staaten mit Russland machen. Bei vielen in Deutschland herrscht immer noch die Vorstellung vor, dass nach dem Ende der Sowjetunion die Entwicklung Russlands einhellig positiv gewesen ist. In den 90er Jahren haben wir es mit Defiziten im demokratischen Russland zu tun gehabt und wir haben alle gehofft, dass Russland sich immer weiter nach Europa integrieren würde. Aber Putin hat sein Land in eine Sackgasse geführt. Das gilt für die Entwicklung im Inneren, was Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und so weiter angeht. Das gilt für die Frage der Wirtschaft und das gilt eben auch für die Außenpolitik. Auf dieses zweite neue autokratische neoimperiale Russland, auf das müssen wir uns einstellen und auf dieses Verhalten unsere Politik ausrichten.

March: Eckart von Klaeden. Er ist der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch.

von Klaeden: Bitte sehr!


Das Gespräch mit Eckart von Klaeden können Sie bis zum 26. Januar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio