CDU-Politiker Laschet fordert Ausbau von Ganztagsschulen

Der Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, hat an seine Länderkollegen appelliert, Ganztagsschulen in allen Schultypen zu stärken. Nordrhein-Westfalen habe mit dem Ausbau von über 250 Ganztagshauptschulen "sehr positive Erfahrungen" gemacht, sagte der CDU-Politiker. Gerade Kinder mit Zuwanderungsgeschichte hätten "ganz andere Chancen" erfahren als zuvor.
Birgit Kolkmann: Statt nachmittags rumhängen in der Schule, Mittag essen und weiterlernen, Hausaufgaben erledigen, auch mit Betreuung, Arbeitsgemeinschaften besuchen, Sport und Musik machen. Ganztagsschulen sind in Deutschland immer noch nicht die Regel. Doch da, wo es sie gibt, kommen sie gut an, ebenso wie das Programm zum Ausbau der Ganztagsschulen, das 2003 noch von der rot-grünen Bundesregierung aufgelegt worden war. 7000 Schulen erhielten bislang die Förderung, das ist jede fünfte allgemeinbildende Schule und fast vier Milliarden an Bundesmitteln wurden dafür ausgegeben.

Die neue Bundesregierung will das Programm auch nach 2009 fortsetzen. Das soll Thema beim Bildungsgipfel im Oktober sein und ist es bereits auch diese Woche bei einem großen Kongress zur Ganztagsschule in Berlin. Die Ländern sind nun gefragt und gefordert. Am Telefon begrüße ich Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet von der CDU. Schönen guten Morgen!

Armin Laschet: Guten Morgen!

Birgit Kolkmann: Herr Laschet, geht aus der Sicht eines Integrationsministers am Prinzip Ganztagsschule gar kein Weg vorbei?

Laschet: Gar kein Weg vorbei wäre vielleicht falsch gesagt. Aber die Ganztagsschulen sind ein ganz wesentliches Element auch unseres Aktionsplanes Integration in Nordrhein-Westfalen. Denn der Ganztag ermöglicht den Kindern, die vielleicht nicht die Bildungserfahrung von zu Hause mitbringen, wie es andere Akademikerfamilien beispielsweise haben, auch am Nachmittag außerschulische Bildung zu erfahren, kulturelle Bildung, musikalische Bildung. Es ist ein erweiterter Bildungsbegriff, der in Ganztagsschulen besser zu verwirklichen ist. Und deshalb setzen wir auf mehr Ganztagsschulen.

Birgit Kolkmann: Und das gilt ja für alle Schüler, Sie haben es gerade gesagt. Welche positiven Erfahrungen haben Sie denn bisher mit der Ganztagsbetreuung gerade im Hinblick auf die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund gemacht?

Laschet: Wir haben da sehr positive Erfahrungen gerade in den letzten drei Jahren gemacht. Im Jahre 2005 bei unserer Regierungsübernahme war Ganztag wesentlich mit Gesamtschulen verbunden, da gehörte der Ganztag zur Regel. Aber Ganztagshauptschulen gab es so gut wie keine. Und deshalb haben wir zunächst auf die Hauptschulen gesetzt, es gibt inzwischen über 250. Und da merkt man dann, dass gerade Kinder mit Zuwanderungsgeschichte ganz andere Chancen erfahren. Das ist nun noch zu jung, ob da eine abschließende Bilanz zu ziehen.

Aber diese drei Jahre waren schon sehr erfolgreich. Wo es zur Regel, auch schon vorher gehörte, ist in ganz offenen Ganztagsgrundschulen, vom ersten bis zum vierten Schuljahr. Da sind übrigens auch andere Träger als Schulen beteiligt, auch die Jugendhilfe und andere, weil Bildung eben mehr ist als nur Schule.

Birgit Kolkmann: Sind denn nun inzwischen auch die warnenden Stimmen, gerade konservativer Eltern, verstummt, die befürchteten, dass ihre Kinder in der Schule umerzogen würden oder jedenfalls ihrer Kontrolle entgleiten?

Laschet: Ja, das ist ja eine der Erfahrungen insgesamt in allen westlichen Ländern, dass aus den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, wo die beiden Diktaturen immer versucht hat, Kinder den Eltern zu entziehen und in staatliche Institutionen zu bringen, dass da eine solche Grundskepsis bestand. Die bestand bei der Betreuung für die unter Dreijährigen, weil man immer die DDR-Krippen vor Augen hatte. Und die bestand natürlich auch im Schulsystem.

Und ich glaube, wir nähern uns allmählich europäischem Standard an. Unsere westlichen Nachbarn, insbesondere Frankreich und Belgien, haben ja sehr gute Erfahrungen mit Ganztagsschulen, auch mit frühkindlicher Bildung. Und ich habe den Eindruck, dass wir das heute wesentlich ideologiefreier diskutieren können, und dass ja auch in eher konservativeren Kreisen durchaus der Wert von Ganztagsschulen erkannt ist.

Birgit Kolkmann: Was halten Sie denn von den Vorschlägen des Berliner Bildungssenators Zöllner, ein verbindliches nulltes Schuljahr einzuführen, noch innerhalb der Vorschule, mit einem Regelunterricht, gerade auch, um die Sprachkompetenz zu stärken?

Laschet: Wir haben ein etwas anderes Konzept. Wir haben verpflichtende Sprachtests für alle Kinder mit vier Jahren in Nordrhein-Westfalen im Schulgesetz verankert und setzen sehr auf frühkindliche Bildung, die schon im vierten Lebensjahr beginnt. Die Kinder werden jetzt zwei Jahre vor der Schule auf Sprachkompetenz gefördert. Und das kommt übrigens nicht nur Zuwandererkindern zugute, sondern jedes fünfte Kind, das in diesem Test Sprachförderbedarf hatte, war ein deutsches Kind, weil auch die deutschen Kinder nicht mehr so Sprache sprechen, wie das für die Schule erforderlich ist. Insofern würde ich nicht setzen auf ein verpflichtendes letztes Kindergartenjahr, sondern auf frühansetzende, frühkindliche Bildung.

Birgit Kolkmann: Die dann überprüft wird, bevor das Kind dann wirklich in die Schule kommt?

Laschet: Ja, das Erste ist ja dieser vorgezogene Schuleingangstest mit vier Jahren. Damit erreichen Sie auch die Kinder, die nicht im Kindergarten sind. Und beim Eingang in die Schule wird natürlich noch einmal auch die Kompetenz der Kinder getestet. Ich verspreche mir allerdings davon, dass jedes Kind dann die deutsche Sprache spricht und wir nicht mehr spezielle Crashkurse oder Förderkurse brauchen.

Birgit Kolkmann: Diese Überprüfung der Sprachkompetenz ist ja auch ein Punkt, der im Papier für den Bildungsgipfel schon mit drinsteht. Sind dieses alles gute Ideen, der aber unbedingt Taten folgen müssen und wenn ja, welche?

Laschet: Ja, bei uns sind sie gefolgt.

Birgit Kolkmann: Auf Bundesebene.

Laschet: Verpflichtende Sprachtests halte ich für alle Bundesländer für wichtig. Dazu hatten sich die Länder eigentlich schon in der Vorbereitung des nationalen Integrationsplanes verpflichtet. Aber wenn man das auf dem Bildungsgipfel noch einmal bestätigt, ist das sicher noch mal eine Bekräftigung. Wenn man allerdings Sprache getestet hat, muss man dann auch fördern. Deshalb muss das Fördern in den Kindergärten diesem Sprachtest folgen. Und in der Schule ist der Appell, Ganztagsschulen auf allen Ebenen, sowohl in der Grundschule als auch in den Hauptschulen und Gesamtschulen und stückweise auch in Realschulen und Gymnasien, jedenfalls als Angebot.

Birgit Kolkmann: Heißt das dann in der Konsequenz auch, dass Geld in die Hand genommen werden muss, um diese Förderung durchzusetzen, in Bezug auf mehr Erzieher und auch die Ausbildung der Erzieher und Lehrer?

Laschet: Das ist das Nächste. Wir sind im Moment in allen Bundesländern dabei, auch mithilfe des Bundes, die Quantität auszubauen, ein Drittel Plätze für unter Dreijährige bis zum Jahre 2013 zu schaffen. Aber was aus meiner Sicht folgen muss, und das ist fast wichtiger als Beitragsfreiheit, ist die Qualitätserhöhung, die Erzieherinnen und Erzieher besser zu bezahlen. Denn wir fordern ihnen immer mehr ab, wir fordern ihnen frühkindliche Bildung ab, wir fordern ihnen Sprachförderung ab, wir fordern ihnen ab Betreuung für unter Dreijährige. Aber die Aus- und Weiterbildung hat da nicht mitgehalten. Und das muss der nächste große Schub jetzt sein, auf Qualität setzen und nicht nur auf Quantität.

Birgit Kolkmann: Armin Laschet, der nordrhein-westfälische Integrationsminister von der CDU zum Thema Ganztagsschulen und frühkindliche Förderung. Ich bedanke mich für das Gespräch in Deutschlandradio Kultur!

Laschet: Bitte schön!
Das vollständige Interview können Sie noch mindestens bis zum 13. Februar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören ( MP3-Audio ).