Castro "gibt Signale der Öffnung"

Stefan Kornelius im Gespräch mit Gabi Wuttke · 27.03.2012
Das Regime in Havanna scheine "die Kirche als eine Art Mittler installieren zu wollen", meint Stefan Kornelius, Leiter des Ressorts Außenpolitik bei der "Süddeutschen Zeitung". Der Empfang des Papstes sei ein behutsames Zeichen für mehr Toleranz.
Gabi Wuttke: Revolution und Religion, das passt selten zusammen. Deshalb ist der Besuch von Benedikt XVI. auf Kuba auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach Castros Sieg eine heikle Angelegenheit. Schon im Vorfeld haben sich die Gefängniszellen mit Regimegegnern gefüllt, der Papst seinerseits ließ schon kurz nach seiner Ankunft bei der ersten Messe keinen Zweifel, was er von den Verhältnissen hält.

Zum "Mediengespräch" im Deutschlandradio Kultur begrüße ich um 8:10 Uhr Stefan Kornelius, Leiter Außenpolitik bei der "Süddeutschen Zeitung". Guten Morgen!

Stefan Kornelius: Guten Morgen.

Wuttke: Gestern Abend unserer Zeit ist Benedikt auf Kuba gelandet, da wendet sich Ihr Korrespondent heute erst mal einem Chevrolet Baujahr '55 mit einem frischen südkoreanischen Motor zu.

Kornelius: Ja, das ist nicht das Papamobil, aber es ist ein Signal, ein Zeichen für die Verhältnisse auf Kuba, denn dieser Chevrolet und andere Beispiele, die in unserem Stück genannt werden, zeugen von einer neuen Öffnung in Kuba, von einem Hauch von Privatwirtschaft, von der Option, dass gerade entlassene Staatsbedienstete, die sich verzweifelt auf die Suche nach neuen Einkunftsmöglichkeiten machen, eben Privatinitiative ergreifen und diese legendären alten amerikanischen Schlitten herrichten, umbauen und tatsächlich auch wieder anbieten für den Verkauf, und die Oldtimer-Sammler in der ganzen Welt strömen nach Havanna, um diese Fahrzeuge zu kaufen.

Wuttke: Andererseits: Wir als gute beziehungsweise schlechte Touristen, Havanna ohne diese alten Autos könnte sich ja keiner vorstellen.

Kornelius: Na ja, es scheinen noch ein paar da zu sein, ich glaube, mehrere Zehntausend, schreibt unser Korrespondent, und es ist wohl so ein Markenzeichen, aber natürlich wird auch der Wandel vor Kuba nicht Halt machen. Je stärker sich das Land öffnet, desto mehr Handel wird betrieben, desto mehr kommen natürlich auch neue Fahrzeuge rein. Aber diese Nostalgie ist, glaube ich, das Falsche, an dem man festhalten sollte, wenn man über das moderne Kuba nachdenkt.

Wuttke: Denken wir also oder halten wir positiv fest: Das Leben auf Kuba ist ein ganz klein bisschen leichter geworden. Ist es mit Raúl Castro auch einfacher, Korrespondenten zu akkreditieren?

Kornelius: Es scheint so zu sein. Wir hatten jahrelang Schwierigkeiten, auf die Insel zu kommen, wie viele Kollegen auch. Jetzt vor der Papstvisite ging es relativ unproblematisch, ein Visum zu beantragen, auch zu bekommen. Es sind sehr viele Journalisten dort. Man muss ja auch wissen: So ein Besuch eines Papstes erzwingt ja auch geradezu eine Öffnung eines Landes. Man kommt rein, man berichtet darüber, die ganze Welt schaut darauf. Das hilft allen Menschen, die dort nach Öffnung streben, die die Freiheit dort stärker einklagen, und zwingt auch so ein Regime zur Toleranz, und Raúl Castro scheint eben auch nachgeben zu wollen. Er hat den Papst selbst empfangen, er war auch auf der Messe gestern dabei, er gibt Signale der Öffnung, also das sind so ganz behutsame Zeichen, die ich mit Interesse verfolge.

Wuttke: Sie sagen, es ist jetzt relativ leichter und hängt auch mit dem Besucher und seinem Status zusammen. Wie ist das denn in den letzten Jahren gewesen? Wie schwierig war das, einen Korrespondenten nach Havanna zu kriegen?

Kornelius: Im Prinzip mussten die Korrespondenten als Touristen einreisen. Es ist den meisten Journalisten, die als Touristen einreisten und dann recherchierten, auch nichts geschehen. Im Zweifel würde man verhaftet, vielleicht ausgewiesen, das ist aber nie vorgekommen. Aber ein offizielles Journalistenvisum gab es eigentlich nicht, oder nur unter Schwierigkeiten. Das ist jetzt mit der Papstvisite wohl anders. Es wird ja auch vor diesen Besuchen ausgehandelt, unter welchen Konditionen sie stattfinden, der Papst selbst bringt ein ganzes Flugzeug mit Journalisten mit. Das sind dann wirklich auch Möglichkeiten, wo auch die Kirche oder der Vatikan als Staatsbesuch Konditionen einklagen kann für die Öffnung eines Landes.

Wuttke: Welchen Arbeitsauftrag haben Sie denn Ihrem Korrespondenten Peter Burghardt gegeben? Wird das Treffen mit Raúl Castro im Mittelpunkt der Berichterstattung in der "SZ" stehen?

Kornelius: Ja. Das Zentrum wird dann morgen sein, von heute auf morgen, mit einer großen Reportage, für die er jetzt viele Tage recherchiert hat, auch in den Dissidentenkreisen, auch in den Kirchenkreisen. Die Kirche selbst ist ja, sagen wir mal, ein Nukleus der Öffnung, nur zehn Prozent der Kubaner sind praktizierende Katholiken, wohl mehr als die Hälfte ist aber katholisch und die Staatsführung selbst scheint die Kirche als eine Art Mittler auch installieren zu wollen oder benutzen zu wollen für Öffnung, für die Vermittlung zwischen den Dissidenten und der Staatsmacht, mit dem Ziel, eine behutsame Öffnung hinzubekommen.

Wuttke: Wie wichtig ist denn für die Leser der "Süddeutschen Zeitung" so eine ordentliche journalistische Papstbegleitung?

Kornelius: Ich glaube, sehr wichtig, weil erstens ist der Papst der Papst und für uns Deutsche ist es auch sogar ein deutscher Papst. Die "Süddeutsche Zeitung" beobachtet sehr genau den Vatikan, wie alle großen Zeitungen, denke ich, auch in diesem Land, und wir bemühen uns eigentlich bei jeder Papstreise, die von einer gewissen Relevanz ist, dabei zu sein, und diese Reise nun nach Mexiko und Kuba hat extreme symbolische Bedeutung, es ist die zweite Papstreise nach Kuba überhaupt. Natürlich kommt Benedikt XVI. nicht an Johannes Paul II. heran, in der Wirkung, in der Symbolkraft, die er entfaltet, aber gleichwohl ist es der amtierende Papst und wir nehmen das sehr genau wahr, zudem er auch in letzter Zeit nicht sehr öffentlich gewirkt hat und man doch immer wieder sich fragen muss, welche Kraft entwickelt er noch im Amt.

Wuttke: Heute im Mediengespräch der "Ortszeit" Stefan Kornelius, der Leiter Außenpolitik der "Süddeutschen Zeitung".

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema