"Caspar Western Friedrich" in München

Mühsam melancholisch

Die Münchner Kammerspiele in der Maximilianstraße.
"Caspar Western Friedrich" ist an den Münchner Kammerspielen zu sehen. © imago/ecomedia/robert fishman
Von Christoph Leibold · 28.01.2016
Mit den Mitteln des Theaters stellt Philippe Quesne das nach, was Caspar David Friedrich mit seiner Malerei machte: die Erschaffung der Natur nach unserer romantischen Idee von ihr. Aber der Abend an den Münchner Kammerspielen ist arg selbstgenügsam in der Hingabe an die Kontemplation.
Hier der lonesome Cowboy, dort die Einsamkeit in dramatischer Landschaft, wie sie Caspar David Friedrich in Gemälden wie "Der Mönch am Meer" eingefangen hat: Es ist die Vorstellung vom in der Natur verlorenen Menschen, über die der französische Theatermacher Philippe Quesne die Verbindung zwischen den Werken des deutschen Frühromantikers und den Bildwelten des Westerns herstellt.
Es beginnt wie im Kino. Zwischen Gestrüpp auf Steinen sitzen fünf Cowboys um ein Lagerfeuer, ganz vorne an der Bühnenrampe. Die Grillen zirpen, die Cowboys singen ihre Songs zu Begleitung von Gitarre, Zieh- und Mundharmonika: "My Pony, My Rifle and Me". Auf den eisernen Vorhang werden derweil, wie im Vorspann eines Spielfilms, die Namen sämtlicher an der Produktion beteiligten Personen auf und hinter der Bühne projiziert. Ein verheißungsvoller Anfang. Doch auf ihn folgt: ein großes Nichts.
Als sich der Eiserne nach dem wildwestromantisch-stimmungsvollen Prolog hebt, gibt er den Blick auf die Bühne frei, die Philippe Quesne als sein eigener Ausstatter in ein Atelier oder den Malersaal des Theaters verwandelt hat. Styropor-Steine, die aussehen wie aus einem Caspar David Friedrich-Bild herausgebrochen, liegen herum und werden im Laufe der knapp zweistündigen Aufführung von den Darstellern etwas planlos hin- und hergeräumt. Bis eine der Fels-Attrappen schließlich in Verbindung mit einem Landschaftsprospekt zu einer Art 3D-Gemälde drapiert wird, in dem die Darsteller für Selfies posieren, während malerischer Papierschnipsel-Schnee vom Schnürboden auf sie herabrieselt und die Nebelmaschine sie in dicke Schwaden hüllt.
Wie ein Marthaler-Abend ohne Rhythmus
Mit den Mitteln des Theaters stellt Quesne das nach, was Friedrich mit seiner Malerei machte: die Erschaffung der Natur nach unserer romantischen Idee von ihr. Er zaubert ein poetisches Landschaftsszenario auf die Bühne, das aber von extremer Künstlichkeit ist. Der Zuschauer sieht die Nebelwerfer, den gemalten Hintergrund und das Styropor, aus dem die Felsen sind.
So führt Quesne unser Sehnsuchtsbilder von unberührter, einsamer Natur als Ergebnis menschlicher Inszenierung und Projektion vor. Das zumindest könnte ein Ansatz der Deutung dieses zähen Abends sein, der eher von der Atmosphäre lebt als von der Aktion. "Caspar Western Friedrich" wirkt wie ein Marthaler-Abend ohne Rhythmus, dafür in Super-Zeitlupe. Da wird hin und wieder gesungen (Eichendorff/Schumanns "Mondnacht") oder aber die Wände des Bühnenraums minutenlang gestrichen. Dann wieder erzählen die Schauspieler, darunter der souverän stoische Peter Brombacher, Begebenheiten aus ihrem Leben, nahe an der Belanglosigkeit.
Mühsam ist dieser Abend in seiner ausgestellten Melancholie. Und arg selbstgenügsam in der Hingabe an die Kontemplation und seine einschläfernde Langsamkeit, die schlussendlich jedes Nachdenken zum Erliegen bringt.

Informationen der Münchner Kammerspiele