Cas Mudde: „Rechtsaußen“

Die neueste rechte Welle

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Zu sehen ist das Cover des Buches "Rechtsaußen" von Cas Mudde.
Hilfe zur richtigen Positionierung: Cas Mudde hat ein populärwissenschaftliches Übersichtswerk zur äußersten Rechten vorgelegt. © Dietz / Deutschlandradio
Von Hans von Trotha · 18.01.2021
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Die extreme Rechte feiert ihre Erfolge in Wellen – gerade sind wir mitten in einer. Über Geschichte, Organisationsformen und politische Reaktionsmöglichkeiten gibt Cas Muddes fundiertes und gut lesbares Buch Auskunft.
"Während ich dieses Manuskript im Mai 2019 fertigstelle", schreibt der niederländische Politikwissenschaftler Cas Mudde, "haben drei der fünf bevölkerungsreichsten Länder der Welt (Brasilien, Indien und die USA) einen äußerst rechten Staatschef, und die weltweit größte politische Partei ist die radikal rechtspolitische Indische Volkspartei (BJP). In der Europäischen Union werden zwei Regierungen von radikal rechtspopulistischen Parteien allein regiert (Ungarn und Polen)" – und damit ist die Aufzählung längst nicht zuende.
Während diese Rezension entsteht, verstärkt die Verwaltung des Deutschen Bundestages die Sicherheitsvorkehrungen am Reichstagsgebäude, nachdem ein von Rechten aufgewiegelter Mob zum Abschluss der Trump-Präsidentschaft das Kapitol in Washington gestürmt hat.

Die Rechte kommt in Wellen

Angesichts dieser Lage und ihrer Dynamik scheint es nicht nur sinnvoll, sondern geboten, das Phänomen einer erstarkenden äußersten Rechten einmal grundlegend zu analysieren – und zwar auf wissenschaftlicher Basis und in globaler Perspektive. Denn so einleuchtend jeder Wahlerfolg einer Partei und jeder Popularitätswert einer Person als regionale Phänomene erklärbar sein mögen – es handelt sich um weltweit zu verzeichnende gesellschaftliche Verschiebungen.
Die Politikwissenschaft spricht in einer Terminologie, die uns inzwischen aus der Epidemiologie vertraut ist, von "Wellen" der äußersten Rechten nach 1945. Demnach befinden wir uns in der "vierten Welle": "In der dritten Welle von etwa 1980 bis 2000 feierten radikal rechtspopulistische Parteien zwar Wahlerfolge, verharrten jedoch weitgehend an den politischen Rändern." Doch "in der vierten Welle, die etwa um die Jahrtausendwende einsetzte, erreichten nicht nur in Europa, sondern weltweit rechtsradikale Parteien den Mainstream und wurden zunehmend zur Normalität."

Mainstreaming und Reaktionsmöglichkeiten

Damit ist die zentrale These des Buchs umrissen, das sich als populärwissenschaftliches Übersichtswerk versteht. Mudde geht dem Phänomen des von ihm so genannten "Mainstreaming der äußersten Rechten" nach. Er fragt nach Ursachen, Mechanismen und Folgen. Er klärt die Terminologie (rechtsradikal, rechtsextrem, äußerst rechts), bietet einen chronologischen Überblick, identifiziert Schlüsselideologien, Themen und Organisationsstrukturen, charakterisiert das Spitzenpersonal und geht verschiedenen Wegen der Mobilisierung ("Wahlen, Demonstrationen und Gewalt"), Ursachen für den Erfolg, aber etwa auch der Bedeutung von Genderfragen für die äußerste Rechte nach.
Wer sich von der Lektüre eindeutige Handlungsanweisungen verspricht, unterschätzt die Komplexität der Materie. Möglichen Reaktionen auf die äußerste Rechte in Verteidigung der liberalen Demokratie, deren Vorzüge Mudde am Ende kurz aber leidenschaftlich hervorhebt, kategorisiert er in: Verbot, Abgrenzung, Einbinden, stillschweigendes Tolerieren, Konfrontation, Vereinnahmung, Kollaboration.
"Die wirksamste Strategie", resümiert er, "besteht vermutlich darin, die richtige Kombination aus den verschiedenen Methoden zu finden." Muddes Buch kann helfen, sich hier bewusst zu positionieren.

Cas Mudde: "Rechtsaußen. Extreme und radikale Rechte in der heutigen Politik weltweit"
Aus dem Englischen von Anne Emmet
Verlag J.H.W. Dietz, Bonn 2020
255 Seiten, 22 Euro

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