Carstensen warnt vor Benachteiligung schwacher Bundesländer

Moderation: Marie Sagenschneider |
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat seine Kritik an der Föderalismusreform bekräftigt und Nachbesserungen gefordert. Er stehe zwar hinter den politischen Zielen der Reform, diese dürfe aber nicht zu einer Überforderung der schwachen Bundesländer führen, sagte Carstensen.
Sagenschneider: Schnellere Entscheidungen auf Bundesebene, mehr Eigenständigkeit für die Länder: Das ist in Kurzform der Sinn der Föderalismusreform, für die ja alle sind - im Prinzip - denn die Einigkeit findet ihre Grenzen im Kleingedruckten, das durchaus große Folgen haben kann. Umstritten sind vor allem die Pläne, dass allein die Länder für die Bildungspolitik zuständig sein sollen, dass das Umweltrecht in 16 unterschiedliche Varianten verwandelt werden kann und besorgt ist so mancher auch darüber, dass in Sachen Besoldung und anderes die kleineren und ärmeren Länder im künftigen Wettbewerb ins Hintertreffen geraten. Trotzdem: Die große Koalition mit samt ihrer Fraktion haben sich für die Reform ausgesprochen, ebenso 15 der 16 Ministerpräsidenten. Heute soll die Föderalismusreform in erster Lesung im Parlament beraten werden und wir wollen im Deutschlandradio Kultur darüber mit Peter Harry Carstensen sprechen, dem CDU-Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein. Herr Carstensen, ich grüße Sie.

Carstensen: Hallo.

Sagenschneider: Sie haben zu den 15 Ministerpräsidenten gehört, die sich für die Reform ausgesprochen haben, obwohl auch Sie ja Bedenken hatten. Sind die jetzt verflogen, oder hoffen Sie noch, dass es im parlamentarischen Verfahren möglich ist, den einen oder anderen Punkt zu korrigieren?

Carstensen: Wir haben gebeten, dass es ein parlamentarisches Verfahren gibt. Ich habe meine Bedenken deutlich gemacht. Wir stehen hinter den politischen Zielen der Föderalismusreform, aber wir wissen auch, dass insbesondere kleinere und nicht so finanzstarke Länder, Schwierigkeiten bekommen müssen. Es geht ja darum, dass wir auch nicht in eine finanzielle Situation kommen, wo die rechtliche Eigenständigkeit, die uns gegeben werden soll, was auch richtig und gut ist, diese nicht ausgefüllt werden kann. Wir müssen im Wettbewerb mit finanziell stärkeren Ländern und größeren Ländern bestehen können und darum geht es auch, dass diese Eigenständigkeit auch finanziell unterfüttert werden muss.

Sagenschneider: Welche Punkte hätten Sie denn da gerne korrigiert?

Carstensen: Wir befürchten, dass es einen Wettbewerb gibt beim Laufbahn-, Besoldungs- und beim Versorgungsrecht. Das ist zwar schön, wenn man das selbst entscheiden kann, aber wenn dieses dann zu einem Hochschaukeln von Gehältern und Löhnen dort führt, dann wird es schwierig für uns. Wir stellen fest, dass die Hochschulbauförderungsmittel nicht klar geregelt sind, die Fortführung von laufenden Maßnahmen und wir stellen auch fest, dass bei überregionalen Fördermaßnahmen Länder, die schon sehr viel bekommen haben, eine gute Struktur haben, was ich ihnen sehr gönne, dort besser gestellt zu werden als die finanzschwachen Länder. Mir geht es darum, dass wir die Anstrengung, die wir zum Beispiel in Schleswig-Holstein unternehmen, um unsere Haushalte wieder zu konsolidieren, diese riesen Anstrengungen, nicht konterkariert werden. Wir sind im Moment abhängig vom Tropf und von den finanziellen Möglichkeiten, die uns der Länderfinanzausgleich gibt. Aber wir wollen auch gerne dort raus und wenn wir dort nicht raus kommen, dann wird es natürlich schwieriger werden, irgendwelche Regelungen auch im Länderfinanzausgleich zu finden.

Sagenschneider: Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, dann halten Sie nichts von dem Argument - wenn wir jetzt alles wieder aufknüpfen, dann wird das nie was mit dieser Reform - denn Sie wollen ja bestimmte Sachen wieder aufdröseln.

Carstensen: Wir müssen auch nicht alles aufknüpfen. Das ist natürlich ein Totschlagargument. Wer meint, dass wir mit unseren Anträgen und wir mit unseren Bedenken alles in Frage stellen, der irrt sich. Ich glaube, die Befürchtung, dass einzelne Änderungen des Verhandlungspaktes weitere Änderungen nach sich ziehen und dann die Gesamtreform in Frage stellen könnten, dass ist eine gewisse Schwarzmalerei. Und ich bin schon der Meinung, dass an der einen und der anderen Ecke noch mal gefeilt werden muss.

Sagenschneider: Schleswig-Holstein ist ja nicht das einzige Land, das relativ finanzschwach ist. Warum haben dann trotzdem 15 Ministerpräsidenten zugestimmt, wenn Klauseln enthalten sind, wie Sie sie vorhin genannt haben, dass laut dieser Reform zum Beispiel dem Bund untersagt werden soll, beim Aus- und Neubau von Hochschulen mit den Ländern zu kooperieren und eben direkte Finanzhilfen zu...

Carstensen: Ich unterbreche Sie gleich! Die Länder haben nicht zugestimmt! Das Verfahren ist noch gar nicht begonnen. Die Länder, die 15 Länder - ich habe mich ein bisschen gewundert über die Meldungen, die immer über die Ticker liefen, die Länderchefs hätten zugestimmt - nein, die Länderchefs haben zugestimmt, dass vier Länder diesen Gesetzentwurf einbringen, in die erste Lesung bringen. Da ging es darum, ob mehr Länder hinter dem Entwurf stehen oder ob die vier Verhandlungsländer, nämlich Bayern, Berlin, Bremen und Nordrhein-Westfalen, einbringen werden. Und dem haben die Länder zugestimmt, nicht dem gesamten Konzept, sondern dem Verfahren, wie es jetzt läuft, dem hat man zugestimmt.

Sagenschneider: Das heißt, Sie setzen jetzt auf die Parlamentarier, dass Sie Ihre Wünsche erfüllt bekommen?

Carstensen: Ich bin mir sehr sicher, dass es außerordentlich schwer sein wird. Ich weiß ja auch, ich bin ja nun kein Fantast auf diesem Gebiet, ich weiß, wie die Mehrheitsverhältnisse sind, und wie die Situation ist, aber ich habe auch die Interessen meines Landes zu vertreten, ich habe die Interessen Schleswig-Holsteins zu vertreten und ich weise auf diese Interessen und auf die Schwierigkeiten Schleswig-Holsteins hin. Ich habe selten ein Reformpaket erlebt, wo so viele sagen: Du hast ja Recht mit Deinen Bedenken, aber wir müssen hier natürlich zu einer Reform kommen. Und wir wollen diese Reform. Wir stellen uns nicht quer zu dieser Reform. Aber wir sagen, Leute bedenkt bitte, welche Schwierigkeiten das bei einem finanzschwachen Land machen wird und lasst uns drüber reden, wie wir uns finanzschwache Länder aus dieser schwierigen Position herausbringen können.

Sagenschneider: Und was machen Sie, wenn die Mehrheit der Parlamentarier das so durchwinkt, wie es jetzt geplant ist und wie es jetzt steht?

Carstensen: Wir sind Demokraten und wir haben uns Mehrheitsbeschlüssen zu stellen. Das ist immer so gewesen. Wir werden unsere Zustimmung und unser Abstimmungsverhalten klären im Kabinett. Das ist eine Sache, die in Schleswig-Holstein geklärt wird, wie Schleswig-Holstein abstimmen wird. Und wenn wir verlieren werden, werden wir das akzeptieren müssen, aber wir lassen uns nicht vorwerfen, dass wir auf die schwierige Situation nicht hingewiesen haben. Diese Reform ist ja nicht das Ende von Verhandlungen zwischen Bund und Ländern. Wir haben in der Ministerpräsidentenkonferenz ja beschlossen, dass die finanzielle Verflechtung als zweites Paket behandelt werden muss, wo es um den Länderfinanzausgleich gehen wird, und wir haben andere Verflechtungen, die noch da sind. Insofern wird es weitere Verhandlungen auch geben. Wir möchten nicht gerne Notlageland in Schleswig-Holstein werden. Wir wollen, dass man unsere Anstrengungen unterstützt und dass wir aus eigenen Anstrengungen aus einer schwierigen Situation herauskommen. Das ist meine Aufgabe als Ministerpräsident und da lasse ich mich auch nicht von abbringen.

Sagenschneider: Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen.