Zum 80. Geburtstag von Carole King

Die Singer-Songwriterin für starke Gefühle

07:53 Minuten
Sängerin Carole King steht auf einer Bühne, hält mit der linken Hand ein Mikrofon und zeigt mit der rechten Rand auf den Bereich vor der Bühne. Sie hat helle, lockige Haare.
Musikerin Carole King bei einer Wahlkampfveranstaltung für Hillary Clinton 2016. Auch im hohen Alter engagiert sie sich politisch, nicht zufällig etwa für den Black History Month. © imago / UPI Photo / Ray Stubblebine
Sonja Eismann im Gespräch mit Carsten Beyer · 09.02.2022
Audio herunterladen
"Will You Still Love Me Tomorrow" stammt ebenso von ihr wie "Natural Woman". Sie hat mit „Tapestry“ Popgeschichte geschrieben und das Genre Soft Rock geprägt. Heute wird Carole King 80 Jahre alt und ist immer noch jungen Frauen ein Vorbild.
Jeder kennt ihre Hits, sie ist als Komponistin wie als Interpretin einer der erfolgreichsten Popstars überhaupt – und gleichzeitig eine Art Anti-Popstar.
Mit 80 Jahren ist Carole King immer noch im Musikgeschäft aktiv – allein deshalb schon ist sie eine Ausnahmeerscheinung. „Uns allen fallen auf Anhieb viele männliche Musiker um die 80 ein, die immer noch sehr prominent und aktiv sind, ein gleichaltriger weiblicher Popstar ist aber nach wie vor eine Anomalie – außer Cher oder Diana Ross gibt es hier nicht so viele Beispiele“, sagt die Journalistin Sonja Eismann.
Doch Carole King singt nicht nur. Vor allem sei sie auch eine der bedeutendsten Songschreiberinnen und mache damit einen Job, der immer noch sehr männlich besetzt sei: „Es gibt ja dieses Klischee, dass glamouröse weibliche Stars Lieder trällern, die talentierte Männer für sie komponiert haben. Bei Carole King war es andersherum – sie schrieb Lieder für Männer wie Ben E. King, die Monkees oder die Righteous Brothers und ganz viele andere.“
Gerade diese Rolle in der Popwelt mache sie zu einer Ausnahmeerscheinung.

Komponieren schon als Schülerin

Carole King wuchs als Kind jüdischer Eltern in New York auf, mit vier bekam sie Klavierunterricht, und angeblich hatte sie schon in diesem Alter ein absolutes Gehör. Als Schülerin begann sie mit dem Komponieren.
Sie heiratete früh, mit 18 bekam sie mit Gerry Goffin ihr erstes Kind. Mit dem Ehemann schrieb sie überaus erfolgreich Lieder: In ihrer Autobiografie heißt es, dass sie die Lohnarbeit zwar gleichberechtigt aufgeteilt hätten – sie schrieb die Musik, er die Texte. Aber er habe immer mehr verdient als sie und gleichzeitig von ihr erwartet, auch noch die komplette Hausarbeit zu erledigen.

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Schnell hatten sie den ersten Nummer-eins-Hit mit „Will You Love Me Tomorrow“, geschrieben für die Girlgroup The Shirelles. King war 18 Jahre alt, als sie den Klassiker schrieb, den sie später auch auf ihr erfolgreichstes eigenes Album nahm.

Ein misogyner Tiefpunkt

Ein Song, den das Paar verfasst hat, ist wohl nur aus der Zeit heraus zu verstehen, in der er erschien: Das von Phil Spector produzierte „He Hit Me (And It Felt Like A Kiss)" war ein Skandalsong und ist ein misogyner Tiefpunkt der Popgeschichte: Angeblich soll er von Kings und Goffins Babysitterin Little Eva inspiriert gewesen sein, die die Schläge ihres Partners als Liebe interpretiert habe.
Carole King, die Jahre später selbst über Misshandlungen durch einen ihrer vier Ehemänner sprach, entschuldigte sich später aufrichtig für das Lied.
„Man darf aber nicht vergessen, dass die Lieder von damals Auftragsarbeiten für Hitfabriken waren“, sagt Sonja Eismann. „Da wurden die Stoffe geliefert, die als Verkaufsgaranten in dieser Zeit galten.“

Super-Album "Tapestry"

Später, sie hatte mit ihrem Mann und Jerry Wexler "(You Make Me Feel Like) A Natural Woman" geschrieben und Aretha Franklin hatte damit großen Erfolg gehabt, verließ sie Goffin und New York und zog mit ihrem zweiten Mann, dem Bassisten Charles Larkey, nach Kalifornien.
Dort veröffentlichte sie 1971 das berühmte Album „Tapestry", auf dem sich Klassiker finden wie "So Far Away", "I Feel the Earth Move", "It’s Too Late", "Will You Love Me Tomorrow", "You've Got a Friend" und auch wieder "Natural Woman".
"Tapestry" ist ein Album der Superlative: 15 Wochen auf Platz eins, insgesamt sechs Jahre in den Charts und 25 Millionen verkaufte Einheiten. Außerdem brachte es King als erster Frau überhaupt einen Grammy in der Kategorie "Bester Song des Jahres" ein.

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

„Auch ästhetisch war es wegweisend, denn sie hat diesen sanften, innerlichen Stil perfektioniert. Damit hat sie endgültig das Genre des Singer-Songwriting konsolidiert und ihm bis heute ihren Stempel aufgedrückt“, ordnet unsere Kritikerin das Album ein.
Das Cover sei durch einen bewusst unglamourösen Look prägend gewesen, sagt Sonja Eismann: „Eine junge und trotzdem reife Natural Woman in einem ganz alltäglichen, häuslichen Setting mit Katze. Mit ihrer warmen, aber nie übertrieben perfekten Stimme, auch mit den persönlichen Texten auf dem Album setzte sie den damals aufkommenden feministischen Slogan ‚Das Private ist politisch‘ musikalisch für die breite Masse um.“

Geschichtsbewusstsein und Aktualisierung

Ihre Karriere beweist eindrucksvoll, dass Frauen schon von Anfang des Pop an in allen Bereichen der Musik gearbeitet haben, dort aber eher nicht gesehen wurden“, sagt unsere Kritikerin.
Carole King, deren Musikstil als „Soft Rock“ oder „Easy Listening“ trivialisiert werde, werde auch von manchen Riot Grrrls als Vorbild genannt. Und heute gehe die Geschichte weiter, indem junge Tiktokerinnen ihre Versionen von King-Songs posten, was King wiederum retweetet.
Außerdem engagiere sich Carole King seit Jahren politisch: „Sie macht sich für den Black History Month stark und sagt, ihre großen Vorbilder kommen alle aus der schwarzen Musik. Sie spricht sich gegen Transfeindlichkeit aus“, so Sonja Eismann.
„Das ist eine schöne Mischung aus Geschichtsbewusstsein und Aktualisierung, ich finde das ganz ermutigend und wegweisend“, bilanziert sie die große Karriere – und deren Entwicklung bis heute.
(mfu)
Mehr zum Thema