Zum 75. Geburtstag von Carlos Santana

Gitarrenheld und ewiger Hippie

05:44 Minuten
Carlos Santana steht auf der Bühne und spielt Gitarre. Er trägt einen weißen Hut und ein quietschbuntes, weites Oberteil.
Carlos Santana 2018 auf der Bühne der Zitadelle in Spandau - Auch nach seinem heutigen 75. Geburtstag will er noch auf Tour gehen – und immer noch die Welt verbessern. © imago images/POP-EYE
Von Marcel Anders · 20.07.2022
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Vor sieben Monaten eine Herz-OP, kürzlich ein Kollaps auf der Bühne, doch heute feiert er seinen 75. Geburtstag: Carlos Santana. Seinen Prinzipien ist er treu geblieben. Wenn er spiele, dann für alle: "Ich bin Woodstock und die Vereinten Nationen."
Beim Woodstock-Festival hatte er mit seiner Band den großen Durchbruch. In den folgenden Jahrzehnten etablierte er sich als einer der profiliertesten Gitarristen: Carlos Santana. Und obwohl es ihm in den letzten Monaten gesundheitlich nicht gut ging, hat er angekündigt, bald wieder auf der Bühne zu stehen. Heute feiert er seinen 75. Geburtstag und er ist und bleibt auch ein Meister der blumigen Metaphern:
"Musik ist Macht. John Lennon hatte Recht mit 'Imagine' – Vorstellungskraft ist ein wichtiges Werkzeug. Oder nehmt John Coltrane mit 'A Love Supreme', Bob Marley mit 'One Love' und Marvin Gaye mit 'What´s Going On' – Musik kann uns Menschen ein göttliches Gefühl geben", sagt Santana.

Stilistischer Grenzgänger und Politaktivist

Seit Mitte der 60er-Jahre hat sich der Sohn mexikanischer Einwanderer in den USA vom Tellerwäscher zum Multimillionär emporgespielt, mit illustren Kollegen aus allen erdenklichen Genres gearbeitet und seinen eigenen Sound entwickelt: Eine vielfältige Melange aus Jazz, Blues und Latin-Rock.
"Vielfalt ist die Würze des Lebens. Ich könnte nie nur Jazz oder nur Hip-Hop oder was auch immer machen", so Santana. "Ich brauche das gesamte Paket – so viel Vielfalt, wie eben möglich. Ich langweile mich, wenn da nichts Multidimensionales, Atmosphärisches ist. Das wäre wie ein Gefängnis.“
Sein handwerkliches Können und seine visionären stilistischen Grenzgänge bescherten ihm den Ruf als Ausnahmegitarrist – aber auch zehn Grammys und 90 Millionen verkaufter Alben.
Zudem ist Santana ein Politaktivist: Er hat die Black Panther Party unterstützt, sich gegen Armut, Rassismus und Waffengewalt engagiert und wünscht sich nichts sehnlicher als eine Frau an der Spitze der USA: "Das ist überfällig. Und ich hätte gerne noch eine weibliche Päpstin – schwarz mit großem Afro. Denn es werden keine Außerirdischen kommen und uns zeigen, wie wir besser miteinander zurechtkommen. Aber wir haben Frauen, die die Kraft besitzen, diesen ganzen Irrsinn zu beenden."

Junge Menschen zum Musizieren animieren

Der Wunsch nach einer besseren, offeneren Welt – das ist es, was den 75-Jährigen antreibt. Deshalb geht er immer noch regelmäßig auf Tournee und nimmt weiter neue Alben auf – inzwischen sind es über 40 Stück geworden.
Sein erfolgreichstes war "Supernatural" von 1999, das ihm viele neue, junge Hörer verschafft hat. Die animiert Santana, selbst musikalisch aktiv zu werden – aber bitte richtig: "Bewegt nicht einfach die Lippen – singt richtig und lasst die Finger von den ganzen elektronischen Tricks", rät er den jungen Fans.
"Habt das Selbstvertrauen, zum Mikrofon zu greifen und den Leuten eine Gänsehaut zu verpassen. Das erreicht man nicht mit Playback und vorproduzierten Sachen, die kein Herz und keine Seele haben. Macht es wieder richtig. Geht zurück in die Zukunft. Lasst die Finger vom Lippenbewegen."

Ein Idealist und Weltverbesserer

Santana, der Weltverbesserer, Idealist und ewige Hippie. Einer, der die Philosophie von "Love & Peace" verinnerlicht hat wie kein zweiter, der Woodstock für das wichtigste Ereignis der Menschheitsgeschichte hält und der Nächstenliebe und Harmonie unter allen Menschen predigt.
"Wenn ich nach Jerusalem reise, spiele ich dort nicht nur für Juden, sondern für alle. Trete ich in St. Quentin auf, dann nicht nur für Mexikaner. Denn ich bin Woodstock und die Vereinten Nationen. Ich repräsentiere keine bestimmte Fahne, sondern Menschlichkeit. Ansonsten ladet mich gar nicht erst ein – denn das ist mir wichtig.“
Ein Mann mit Prinzipien – und einer, der nicht einfach nur den amerikanischen Traum lebt, sondern ihn auch für kommende Generationen bewahren will. Felicidades, Carlos!

 
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