Carl Friedrich Zeiss

Beharrlicher Perfektionist

Von Mathias Schulenburg · 03.12.2013
Carl Friedrich Zeiss schaffte Ende des 19. Jahrhunderts, was viele nicht für möglich gehalten hätten: Er schuf für den Mikroskopbau eine wissenschaftliche Basis. Heute steht der Name Zeiss auf unzähligen optischen Gerätschaften. Vor 125 Jahren starb der Mechaniker.
Ob die Geschichte wahr ist, weiß niemand mehr; die Biografen des am 3. Dezember 1888 in Jena gestorbenen Mechanikers und Firmengründers Carl Zeiss jedenfalls erzählen sie gern. Paul Esche etwa:
„Dass Carl Zeiss nur Mikroskope die Werkstatt verlassen ließ, die von gediegener und präziser Arbeit zeugten, dafür ist folgendes Vorkommnis charakteristisch: Ein Gehilfe hatte eine Reihe fertiger Mikroskope abgeliefert. Carl Zeiss erprobte und kontrollierte sie. Ohne Worte bedeutete er dem Gehilfen, sie zum Amboss zu bringen. Dort ergriff er den großen Hammer und hieb sie mit mächtigen Schlägen zu unförmigen Metallmassen zusammen.“
Wolfgang Wimmer, Leiter des Carl-Zeiss-Archivs in Jena, gibt freilich zu bedenken:
"Das ist eine Geschichte, die wird öfter in der Feinmechanik und Optik auch von anderen Unternehmern erzählt, die hat halt auch etwas damit zu tun, dass in diesem Bereich eine sehr, sehr hohe Präzision gefordert wird.“
Und ein Perfektionist war der 1816 in Weimar geborene Carl Zeiss. Die von ihm 1846 in Jena gegründete Werkstatt für optische Präzisionsinstrumente konzentrierte sich auf hochwertige Mikroskope, mit denen Zeiss schließlich zu Ruhm gelangte. Deren Optiken wurden traditionell durch so genanntes „Pröbeln“ zusammengestellt: Aus hundert und mehr kaum reproduzierbar handgeschliffenen Linsen wurde die taugliche Optik durch intelligentes Probieren zusammengestellt - ein zeitraubendes Verfahren mit reichlich Ausschuss.
Die Anfänge waren schwer, in der Wirtschaftskrise Mitte des 19. Jahrhunderts ging es auch Zeiss schlecht. Sein bester Mitarbeiter August Löbers schrieb:
„Da muss ich zum Beispiel bemerken, dass Herr Zeiss zum Frühstück für drei Pfennig Semmel und ein kleines Schnäpschen, Korn, verbrauchte, was ich selbst gesehen und wohl auch mal einen Schluck bekommen habe.“
Gleichwohl, die Zeit kam Zeiss entgegen; in Biologie und Medizin entwickelte sich die Zellularpathologie,
"... die Theorie, dass das Leben auf Zellen basiert, hat sich in der gleichen Zeit entwickelt, in der Carl Zeiss anfing, Mikroskope zu bauen, also hier in Jena, der Matthias Schleiden, ein Biologe, war einer der wesentlichen Begründer dieser Zellulartheorie und gleichzeitig entwickelten sich Hygiene und auch noch viele andere Gebiete, für die die Mikroskope eine ganz besondere Bedeutung hatten.“
Um den stetig wachsenden Ansprüchen der Wissenschaft an die Qualität seiner Mikroskope gerecht werden zu können, setzte sich Zeiss ein Ziel, das den meisten Zeitgenossen unerreichbar schien: Der Mikroskopbau sollte aus dem Herumprobieren herauswachsen und auf eine wissenschaftliche Basis gestellt werden. Zeiss’ Biograf Paul Esche schrieb:
„Hervorragende Naturforscher und die besten Optiker der alten Schule erklärten damals, dass man Mikroskope nicht theoretisch berechnen könne.“
Und selbst wenn man die Form der Linsen wissenschaftlich hätte bestimmen können - die winzigen Glasstücke in die richtige Form zu bringen, war ebenfalls ausgesprochen schwierig.
Für die optischen Rechnungen stand Zeiss mit Ernst Abbe ein hervorragender Theoretiker zur Seite, der ab 1870 umfangreiche Formeln für hochwertige Objektive und Okulare lieferte. Die noch fehlenden optischen Glassorten für perfekte Linsen, die zum Beispiel keine Farbsäume mehr zeigten, entwickelte Otto Schott seit 1879 in systematischen Schmelzversuchen. Endlich war die Serienfertigung leistungsstarker Mikroskope in gleichbleibender Qualität möglich. Wolfgang Wimmer:
"Und diese Zusammenarbeit von Handwerk, Industrie und Wissenschaft, das ist einer der wesentlichen Beiträge von Carl Zeiss zur Technikgeschichte.“
Als Carl Zeiss 72-jährig in Jena zu Grabe getragen wurde, würdigte Ernst Abbe die Beharrlichkeit seines Mentors bei der Einführung wissenschaftlicher Methodik in die optische Technik:
„Vollständiger Mißerfolg seines ersten Versuches dieser Art hat ihn nicht abgeschreckt, einige Jahre später das Gleiche nochmals zu unternehmen und nochmals jahrelange Mißerfolge, welche für seine damaligen Verhältnisse schwere Opfer bedeuteten, unentmuthigt hinzunehmen - bis er sein Ziel erreicht sah.“
Heute steht der Name Zeiss auf einer großen Zahl optischer Gerätschaften, von der Brille über medizintechnische Geräte bis zum Planetarium.