Caritas fürchtet Folgen der UNICEF-Krise

Moderation: Jörg Degenhardt · 07.02.2008
Trotz der Unregelmäßigkeiten bei UNICEF Deutschland stellt die Caritas bisher keinen Rückgang der Spendenbereitschaft in Deutschland fest. Wie Prälat Peter Neher, Präsident des Caritas-Verbandes in Deutschland, sagte, sind genauere Auswirkungen jedoch noch nicht absehbar. Organisationen sollten immer wieder deutlich machen, wie sorgfältig sie mit Geldern umgehen.
Jörg Degenhardt: Sie wollen helfen und Geld geben, wissen aber nicht, was mit ihrer Spende passiert, ob damit vielleicht ein Berater finanziert wird. Da bleibt das Portemonnaie schon mal zu, sehr zum Leidwesen der Menschen, die auf ihre Unterstützung wirklich angewiesen sind. Die Krise von UNICEF Deutschland sorgt für allgemeine Verunsicherung. Die Organisation hat hohe Summen für den Umbau der Geschäftsstelle und für Honorarverträge ausgegeben und muss jetzt mit dem Vorwurf der Verschwendung leben.

Was bedeutet dieser Fall für andere Spendensammler und für uns, die wir gerne geben wollen? Dazu jetzt Fragen an Prälat Dr. Peter Neher. Er ist der Präsident des Deutschen Caritas-Verbandes. Guten Morgen, Herr Neher!

Paul Neher: Guten Tag, Herr Degenhardt!

Degenhardt: Gibt es denn bei Ihnen schon einen Rückgang der Spendengelder nach dem Wirbel um UNICEF Deutschland?

Neher: Also, wir können bei uns derzeit dazu nichts feststellen, wobei die Monate Dezember und Januar einen ganz durchschnittlichen Spendeneingang hatten, wie das in anderen Zeiten auch ist, wobei natürlich gerade die internationale Arbeit der Deutschen Caritas stark von Katastrophen abhängt. Und da war in der Vergangenheit ja nichts. Deswegen sind genauere Auswirkungen derzeit nicht absehbar. Aber es ist natürlich immer, sage ich mal, wenig förderlich. Wenn vermeintlich oder real Unregelmäßigkeiten vorkommen, leiden immer alle Organisationen darunter. Darum ist es mir auch ein hohes Anliegen, immer wieder die Möglichkeiten zu nutzen, deutlich zu machen, wie wir mit unseren Geldern umgehen, wie sorgfältig wir damit sind, und das uns Menschenmögliche versuchen, dass tatsächlich Missbrauch oder auch Schlampereien nicht passieren.

Degenhardt: Verschwendung und Misswirtschaft. Warum kann bei Ihnen so etwas wie bei UNICEF nicht passieren?

Neher: Zum einen möchte ich mich natürlich und kann ich mich auch gar nicht äußern zu den Vorgängen bei UNICEF. Insofern kann ich nur über uns etwas sagen. Da gibt es, denke ich, einfach ein ganz klares Reglement bei uns. Wenn tatsächlich Verträge abgeschlossen werden, gibt es genaue Richtlinien. Es gilt das Vier-Augen-Prinzip. Wir haben insgesamt im Verband eine ganz klare Trennung von operativer Geschäftsführung, Verantwortung, von Aufsicht. Wir haben ein unabhängiges Unternehmen als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und vielleicht noch zusätzlich, dass wir in den letzten beiden Jahren bei dem Transparenzpreis, an dem sich die 50 größten deutschen Spendenorganisationen beteiligt haben, von PwC, waren wir in jedem Jahr unter den ersten Zehn.

Degenhardt: Wie kommen sie eigentlich zu ihren Spenden? Die Zeiten der Sammelbüchse sind ja vorbei.

Neher: Die sind nicht ganz vorbei. Aber ich denke, zum einen kommen wir natürlich an Spenden über entsprechende Werbemaßnahmen: aufmerksam machen. Wir pflegen natürlich Kontakte zu Spendern, die uns irgendwann mal etwas gespendet haben, dass wir die dann entsprechend informieren über die Dinge, die wir tun. Das ist, denke ich, ein ganz wichtiger Punkt. Und speziell wiederum die Auslandsarbeit der Deutschen Caritas ist ja ganz stark auf die Katastrophenhilfe hin orientiert. Und von dort her, wenn natürlich eine medial wirksame Katastrophe auch sich ereignet, dann ist das natürlich, denke ich, Motivation für viele Menschen, uns Mittel zur Verfügung zu stellen.

Degenhardt: Nun sind die Mittel also da und wie erfolgt jetzt bei ihnen die Aufteilung der Gelder, denn sie brauchen ja die Euros einerseits für die Projekte, andererseits für die Verwaltung oder, wie Sie gerade gesagt haben, auch für Werbekosten?

Neher: Also, das ist bei uns sehr klar geregelt. Wir haben ja das deutsche Spendensiegel seit vielen Jahren, wobei hier also die Kosten beziehungsweise die Möglichkeiten also für Verwaltung und auch für Werbung auszugehen, relativ hoch sind. Während bei uns liegt der Anteil für Werbemaßnahmen und Verwaltungskosten insgesamt bei circa sieben Prozent. Das heißt, wir haben hier einen sehr niedrigen Ansatz, weil wir vor Ort natürlich wiederum sehr stark mit Partnern im internationalen Caritas-Netzwerk verbunden sind, sodass das erheblich günstiger für uns ist, weil die Menschen, die sich auskennen, wenn eine Katastrophe sich ereignet, das in der Regel die, die vor Ort wohnen, leben und arbeiten. Und damit können wir natürlich in einem sehr intensiven unmittelbaren Austausch mit denen unsere Spendenmittel dann auch wirksam einsetzen.

Degenhardt: Hat denn der Skandal bei UNICEF jetzt möglicherweise auch dazu geführt, dass Sie sich fragen, "läuft bei uns wirklich alles optimal? Brauchen wir vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch verschärftere Kontrollvorschriften?"

Neher: Ich denke, dass wir im Bereich der freien Wohlfahrtspflege und der Spenden sammelnden Organisationen dauernd mit dieser Frage uns beschäftigen müssen - und zwar einfach zurecht, weil wir eine hohe Verantwortung gegenüber unseren Spendern und auch Geldgebern haben, wie Auswärtiges Amt und Amt für Entwicklungsarbeit oder auch im Entwicklungshilfeministerium, die uns ja auch Gelder zur Verfügung stellen und wir sie treuhänderisch verwalten, die übrigens diese Mittel ihrerseits wieder kontrollieren. Also das, denke ich, ist eine ganz situationsunabhängige Frage, und wir haben deswegen entsprechende Regelungen und Mechanismen in unserem Verband und in der Abwicklung von Projekten lange schon installiert und sind die dabei, immer wieder zu überprüfen und zu hinterfragen, ob sie nämlich also dem Zweck dienlich sind. Und da dient ja auch gerade eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die sind sogar so weit gegangen, dass wir in der Tsunami-Katastrophe, dass wir die Verwendung unserer Spenden und der Mittel sogar vor Ort von unserer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft haben überprüfen lassen.

Degenhardt: Wie ist es eigentlich mit den Geldern, die ihnen anvertraut werden? Ist es legitim, dass Organisationen wie die Caritas oder auch UNICEF Deutschland das Geld anlegen, damit Profit machen, damit arbeiten?

Neher: Nein! Und zwar, wir unterliegen hier ja einer ganz klaren Steuergesetzgebung. Die Spenden, die ja zweckgerichtet sind und zielgerichtet sind, dass die in einem relativ überschaubaren Zeitraum verwendet werden müssen. Das ist in der Regel so zwischen zwei bis drei Jahren. Wir haben lediglich jetzt auch mit den Steuerbehörden beim Tsunami eine Übereinkunft, dass wir hier längerfristig die Gelder einsetzen dürfen. Aber alle Zinsen, die wiederum aus Spenden kommen, müssen wieder entsprechend eingesetzt werden. Das ist im Übrigen verbunden mit dem deutschen Spendensiegel, die hier sehr genau darauf achten, dass die Mittel eben wiederum nur so verwendet werden, auch die Zinserträge, um sie dem entsprechenden Zweck zuzuführen.

Degenhardt: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur war Prälat Dr. Peter Neher. Er ist der Präsident des Deutschen Caritas-Verbandes.

Neher: Danke Ihnen!