Callas in der Küche

Von Jürgen Stratmann · 16.09.2007
Maria Callas war nicht nur eine begnadete Sängerin, auch in der Küche soll die "Primadonna assoluta" eine Expertin gewesen sein. 30 Jahre nach ihrem Tod ist nun das Kochbuch "La Divina in Cucina" mit Rezepten der Callas erschienen. Allerdings nicht alle ihrer kulinarischen Empfehlungen dürften den heutigen Geschmack treffen.
Die Liste ihrer Ehrentitel ist einschüchternd für alle, die ihr nach ihr kommen, die ihr zugedachten Attribute Zeugnisse einer fast mystischen Verehrung: "Primadonna assoluta", Göterbotin, eine Kunstheilige hat man sie genannt, ein Kollege verglich sie jüngst mit Elvis Presley - sicher der profanste Vergleich - und für Ingeborg Bachmann war sie:

".. .die einzige Kreatur, die je eine Opernbühne betreten hat."

... für das Gros ihrer Bewunderer ist sie schlicht: "La Divina", und genau so unnahbar konnte sie sein– vor allem:

"... für uns geplagte Journalisten – die Callas lässt keinen heran ...."

... erklärte resigniert ein Schweizer Fernsehreporter Anfang der 60er, der mit der Bitte um Audienz bei Frau Callas schon der Pforte scheiterte:

".... nein, die Göttliche empfängt nicht, sie muss sich heute konzentrieren, bellt es aus der Sprechanlage ..."

Die Göttliche empfängt heut' nicht! –es ist schon bemerkenswert, wenn sich jemand selbst in häuslichem Umfeld derartig betiteln lässt, oder nicht? Dabei musste sich dieses entrückte Überwesen einst als Kind mit allzu menschlichen Unvollkommenheiten zurechtkommen: Ein pickeliger Mops mit Brille sei sie gewesen, als sie im Jahre 1937 in Athen bei ihrer ersten Lehrerin, Maria Trivella vorsprach – die diesen Pummel zunächst denn auch für die elysischen Sphären klassischer Kunstmusik für ungeeignet hielt – bis, so will es die Legende, die 14 Jährige zu singen begann – ihre Stimme habe wie ...

"eine Flamme geflackert und geleuchtet, mit den melodischen Schwingungen einer Glocke ..."

... eine Stimme, die Leonhard Bernstein einmal als die Schönste der Welt bezeichnet hat – was allerdings nicht unumstritten ist – dazu der Callas-Biograph Jürgen Kesting:

"Das mit der größten Sängerin der Welt ist absurd, sie war eine wirkungsmächtige Sängerin ..."

... und das hatte eben nicht nur mit ihrer überragenden Stimme zu tun:
"Da gab es Sängerinnen, die durchaus ebenbürtig waren ..."

Vielmehr habe sie die Gabe gehabt, das Wesen der Musik zu erfassen ...

"Sie hat, mit einem schönen, berühmten italienischem Satz - ´Die Seele der Melodie gesungen´."

Den Rest habe sie sich erarbeitet ....

"Als sie nach Griechenland kam, hat sie mit ihrer Lehrerin jeden Tag fünf, sechs Stunden gearbeitet, sie hat von morgens bis abends Skalen geübt ...."

"Und wenn sie in eine Probe ging, dann hat sie nicht nur allein geprobt, sondern sie hat abgewartet, bis der Chor damit fertig war, und hat zugehört, was der Chor machte ..."

"Es war ihr immer besonders wichtig, von allen Beteiligten sich Ratschläge und Unterstützung einzuholen, wie sie ihre Rolle so gut wie möglich interpretieren konnte, das war ihr ein absolutes Herzensanliegen ..."

Erklärt Bruno Tosi, ebenfalls Opernkritiker und Nachlassverwalter der Callas, der seine Bewunderung allerdings lange verbergen musste:

"Ich hatte ein kleines Geheimnis, ich vertrat als PR Agent Renata Tebaldi, die große Rivalin der Maria Callas ..."

Rivalin – das sah die gar nicht so:

"...Das wäre so, wie wenn man Champagner mit Cognac, nein, mit Coca Cola, vergleicht."

Eine Rivalität, die Maria Callas öffentlich den Ruf einbrachte, arrogant und streitsüchtig zu sein ...

"... dieser böse Charakterzug von ihr ist sicher sehr übertrieben worden ..."

Von sich selbst sagte sie:

Andererseits: "Was Stolz ist, weiß ich nicht. Ich kenne nur die Arbeit."

Erarbeiten musste Maria Callas sich einiges – denn es war nicht allein ihr Gesang, der ihren Ruhm als Primadonna assoluta bis heute erhalten hat – es war auch ihre Erscheinung – ihre grazile, klassische, fast tragisch anmutende Schönheit - Aber auch die, wie gesagt, war ihr nicht angeboren ...

"Die Maria Callas hat sich einer wundersamen Verwandlung unterzogen: Als sie 1947 nach Italien kam, wog sie um die 100 Kilo."

Für eine Opernrolle - die Rolle der Vestale unter Luchino Visconti - die sie sich als schlankes junges Mädchen dachte, nahm sie in kürzester Zeit fast 40 Kilo ab ...

"Wenn sich Maria Callas etwas vornahm, da gab es keine halben Sachen – und um schön schlank zu sein, nahm sie sich dann gleich Audrey Hepburn zum Vorbild – aber es ist nicht wahr, was immer behauptet wird, dass sie einen Bandwurm geschluckt hätte mit einem Glas Champagner ..."

Trotzdem hätten Essen und Trinken in ihrem Leben eine herausragende Rolle gespielt – sie habe zeitlebens gern gekocht, und – trotz striktester Diät - Rezepte gesammelt – die Bruno Tosi jetzt in dem Kochbuch "La Divina in Cucina" – die Göttin in der Küche – als eine Art kulinarische Biographie herausgegeben hat:

"... Durch ihre Kochleidenschaft entdeckt man eine ganz andere Nuance der Maria Callas – es war für sie ein Identifikationspunkt – und das sie neben ihrer Rolle als großer Diva auch ein sehr häuslicher Mensch war, die eben auch gerne für ihre Freunde und ihre Familie kochte."

Wenn auch nicht ganz uneigennützig.

"Wenn sie mit Freunden Essen war, bat sie eben ihre Freunde, das eine oder andere gute Gericht zu bestellen, und stibitzte dann von den Tellern der anderen die Köstlichkeiten, die sie sich selbst versagte ..."

Vielleicht spiegelt dieses Kochbuch tatsächlich etwas von der widersprüchlichen Persönlichkeit der Maria Callas wieder: Da gibt es Rezepte mit rohem Fleisch - und feine Törtchen, Raffiniertes - und kräftige Hausmannskost, in der Bibliothek des Aristoteles Onassis hat sie Rezepte von Giacomo Casanova entdeckt, sie selbst habe eine Schwäche für Süßspeisen jeder Art gehabt, und dann aber auch wieder recht seltsame Gelüste:

"Eine Sache, die den einen oder anderen vielleicht etwas verstören wird, ist: sie aß besonders gern rohe Leber, püriert, mit einem Schuss Olivenöl – als Stärkung für ihre Auftritte."

Rohe Leber vor dem Auftritt - sie hat sich wirklich für die Kunst geopfert ...