"Call The Comet" von Johnny Marr

Auf der Suche nach dem rettenden Planeten

Musiker Johnny Marr
Der britische Musiker Johnny Marr 2013 auf dem Coachella Music and Arts Festival in Indio, Kalifornien. © picture alliance/dpa/Steven C. Mitchell
Von Amy Zayed · 15.06.2018
Bekannt geworden ist der britische Musiker Johnny Marr mit der Band The Smiths. Sein neues Album "Call The Comet" habe etwas Futuristisches und Psychedelisches. Er wolle damit dem Chaos in dieser Welt etwas Positives entgegensetzen.
"Als ich meine Biografie fertig geschrieben hatte, wollte ich unbedingt Musik machen. Ich war so voller Emotionen, die ich irgendwie rauslassen musste, und das geht eben nur mit Musik. Mir war alles egal. Ob die Platte Erfolg hat, ob sie sich verkaufen wird. Egal! Einfach Musik machen. Deshalb ist das auch wohl meine emotionalste Platte. Hätte ich mir mehr Zeit gegeben, hätte ich die Texte vielleicht besser verpackt, aber so hab ich einfach alles rausgehauen!"
Und emotional war die Achterbahnfahrt mit dem Buch. Offen spricht Marr in seiner Autobiografie über die Zeit mit den Smiths, seine Familie und seine Jugend in Manchester. Keine Exzesse, aber doch habe er sich danach verletzlicher, zerbrechlicher gefühlt. Für "Call the Comet" hat er sich dann mit seiner Band in einer ehemaligen Fabrik in Manchester verbarrikadiert.

Ein sehr nostalgisches Album

Obwohl er Manchester nie verlassen hat, außer um in der Weltgeschichte herumzutouren, hatte Marr seine Alben immer außerhalb seiner Heimatstadt aufgenommen. Dieses Album klingt wahrscheinlich darum nostalgischer denn je. Songs wie ´Hi hello` oder "Day in, day out" könnten fast von seiner alten Band The Smiths stammen. Melancholische Akustikgitarren treffen auf typischen psychedelic-wavigen Manchestersound.

"Viele Leute sagen mir, dass ich auf dem neuen Album sehr wie die Smiths klinge. Tatsache ist, ich wollte genau diesen alten Sound kreieren. Ich wollte alle möglichen Instrumente an Effektgeräte anschließen und Krach machen! Und für mich hat das trotzdem etwas Futuristisches. Etwas Psychedelisches."
Es war nicht einfach für Johnny Marr diese Platte zu machen. Auch wenn er sie unbedingt machen wollte, musste er feststellen, dass sie ihm nicht so leicht von der Hand ging, wie er es gern gehabt hätte. Textlich wirkt Marr sehr nachdenklich, sogar verletzlich. In "Hey hello" singt er für seine Tochter, die in London lebt, während er auf den Zug wartet, der sie für ein paar Urlaubstage zu ihm nach Manchester bringt. Auf der anderen Seite Songs wie "New dominions" oder "A different gun", die fast mechanisch klingen, und einen in eine düstere Dystopie tragen, allerdings nie ganz ohne Hoffnungsschimmer. In "Tracers" erklärt Marr sein ganz persönliches Szenario zur Rettung der Welt.

"Eine Art Reset für die Welt"

"Wir leben in einer Welt, in der Politik nicht funktioniert, in der Kapitalismus nicht funktioniert, und in der Religion ganz und gar nicht funktioniert. Warum sollte ich da nicht daran glauben, dass es in einem Paralleluniversum eine höhere Intelligenz gibt, die wir rufen können, um uns zu retten? Die hier Ordnung in das Chaos bringt. Viele haben mich gefragt: Warum nennst Du das Album ´Call The Comet´? Ist ein Komet nicht zerstörerisch? Und ich habe immer gesagt, nein! Es ist eine Art Reset für die Welt."
"Wir rufen Dich Komet, damit Du unsere Welt wieder ordnen kannst!", singt Marr in "Tracers".

Johnny Marr liest viel, und umgibt sich gern mit allen möglichen Künstlern. Er lerne von ihnen, sagt er. Kürzlich tourte er als Gitarrist mit dem klassischen Komponisten Hans Zimmer, und er veröffentlichte eine Art musikanimierten Film zum Thema Obdachlosigkeit mit der Schauspielerin Maxine Peak.

"Ich halte mich an den Wellen des Ozeans fest"

"Ich habe erst sehr viel später gemerkt, als ich mit der Platte schon fast fertig war, wie sehr mich die Arbeit mit Maxine Peak und Hans Zimmer beeinflusst hat. Der Song ´Walk into the sea` zum Beispiel ist musikalisch definitiv von Hans beeinflusst, da er viel orchestraler ist, als der Gitarrenkram, den ich sonst mache. Das Konzept des Songs ist von Maxine inspiriert. Es geht darum, dass ich mich an den Wellen des Ozeans festhalte, um das Leben in vollen Zügen zu genießen."
"Slamming waves decide my fate, cos hope is all I need", singt er. "Tosende Wellen, entscheidet über mein Schicksal, denn alles was ich brauche ist Hoffnung." Es geht in dem Song darum, mit der Ungewissheit, dem Risiko zu spielen, es zu bezwingen. Marr will in die Wellen springen, und wiedergeboren werden, sagt er. Das macht ihn aus. Verschmitzt, zwar älter aber immer noch der verspielte kleine Junge aus den 80ern, der sich seine kleine, manchmal etwas chaotische Peter-Pan-Welt schafft.

Auf "Call the comet" mischt Johnny Marr nostalgischen Manchestersound mit Streichern und verzerrten Synthesizern. Seine Selbstkritik, er hätte die Texte auch besser verpacken können, kann man nicht ganz von der Hand weisen. Aber er wollte, auch das sagt er, mit dem Album einen musikalischen Zufluchtsort schaffen. Einen Ort, an dem man nachdenken, und gleichzeitig abtanzen kann. Das ist ihm gelungen.
Mehr zum Thema