"Call Cutta"
Sie rufen eine Hotline an, weil Ihr Toaster oder ihr Computer kaputt ist und landen nicht im Auskunftsbüro um die Ecke, sondern in einem Callcenter in Friesland, Tschechien oder in Indien. "Outsourcing" nennt man so was. Das Künstler-Kollektiv Rimini-Protokoll hat daraus ein "mobiles Telefon-Theater" für einen Zuhörer, einen Darsteller und ein Handy entwickelt.
Die Stimme am anderen Ende der Leitung stellt sich mit Sarah vor und fordert mich zum Verlassen des Theaters auf. Sie ist eine von tausenden Callcenter Mitarbeiterinnen im Infinity-Tower im Nordosten von Kalkutta und sie ist eine der Darstellerinnen von "Call Cutta", dem neusten Projekt der Gruppe "Rimini-Protokoll.
Hinter dem Fantasie-Namen verbergen sich die drei Theaterwissenschaftler Stefan Kaegi, Daniel Wetzel und Helgard Hauck:
Hauck: "Alle Projekte, die wir machen sind Auseinandersetzung mit Theater und in unseren Projekten suchen wir genau nach der Durchführung von Theater in der Realität oder dem Spiegel davon. "
In ihrem ersten großen Projekt "Deadline" holten Helgard Hauck und ihre Mitstreiter Grabredner und Bestatter auf die Bühne. In "Zeugen - ein Strafkammerspiel" fragte das Trio nach Parallelen zwischen einer Gerichtsverhandlung und einem klassischen Drama. Und bei der Vorbereitung "Call Cutta" stellten sich die Theatermacher eine Frage, die hierzulande vor allem Wirtschaftsmanager bewegt: Die Frage nach billigen Produktionsbedingungen andernorts.
Hauck: "Kann man ein Theaterprojekt, kann man Kunst outsourcen, das war die große Startfrage. "
Und wenn man Theater , also die Darsteller outsourct, wohin? Eine Einladung des Goethe-Instituts Kalkutta brachte die Antwort, denn in den "Callcenter am Rande der indischen Metropole wurden sie mit der anderen Seite einer Dienstleistungs-Wirtschaft konfrontiert, die sie bisher nur als Nutzer einer Service-Verbindung oder beim Bestellen übers Telefon kannten.
Hauck: "Es geht um das Schauspiel, das gemacht wird, damit du ein guter Kunde bleibst. "
"In den "Infinity Towers arbeiten Callcenter-Mitarbeiter demnächst auch für deutsche Firmen wie Lufthansa und Siemens. Die Callcenter-Mitarbeiter nehmen einen europäisch klingenden Namen an. Sie dürfen nicht verraten, von wo aus sie anrufen. "
Diese Ansage läuft am Ende des "mobilen Telefon-Theaters" über mein Headset. Eineinhalb Stunden bin ich mit Sarahs Stimme im Ohr durch Berlin unterwegs gewesen. Und ich habe die Geschichte einer Person gehört, mit der ich nicht gerechnet hatte.
Shuktara: "Ich werde dein Spiegel und du wirst mir Deine Augen leihen. "
Du wirst mir deine Augen leihen, hatte Sarah am Anfang gefragt und meine Schritte auf die andere Straßenseite vor ein Bürohochhaus gelenkt. Auf der Rückseite des Bürogebäudes erwartet mich die erste Überraschung. Hinter einer Fensterscheibe klebt eine Schwarz-Weiß-Fotografie:
Shuktara: "Der Mann rechts ist mein Großvater und er heißt Muterjee. "
Behauptet die Stimme der Enkeltochter, die sich längst mit ihrem richtigen Namen: Shuktara vorgestellt hat. Das Bild wurde in Berlin während des Zweiten Weltkriegs aufgenommen: Zwei indische Gentlemen beim Kaffee. Der Mann mit dem runden Gesicht und der Hornbrille neben Shuktaras Vater ist der Unabhängigkeitskämpfer Subash Chandra Bose, der in Berlin bei den Nazis Unterstützung suchte. Wie einen Detektiv auf Spurensuche führt Shuktara ihren Zuhörer von einem versteckten Bild zum nächsten.
Hauck: "Es geht durch Hinterhöfe, es geht durch Tiefgaragen, es geht durch aufgebrochene Zäune. "
Shuktara: "Siehst du den kaputten Zaun. Da musst du durchklettern. "
Plötzlich stehe vor den überwucherten Trümmern des Anhalter Bahnhofs und vor einem Kapitel vergessener deutsch-indischer Geschichte.
Vor dem Potsdamer Platz singt Shuktara ein indisches Freiheitslied so schön wie aus einem Bollywood-Film und im mobilen Telefontheater" beginnt der letzte Akt.
"Willst du zu mir kommen?" fragt sie und lenkt fürsorglich meine Schritte über die nächste Kreuzung.
"Pass auf, wenn du über die Kreuzung gehst, so klingen die Straßen hier in Kalkutta. "
Der Weg zu Shuktara führt durch eine Tiefgarage mitten in das Berlin von heute: In eine Einkaufspassage auf dem Potsdamer Platz. "Geh zu dem Computerladen auf der linken Seite" sagt Shukatra und da auf dem Computerschirm sieht man tatsächlich eine junge Frau in Jeans und T-Shirt mit einem Head-Set vor einem Computer am anderen Ende der Welt. Unsere Reise geht zu Ende. Shukatra hat erzählt, dass sich ihre Stimme verändert hat, seit sie acht Stunden täglich mit Fremden telefoniert. Sie hat mir Freiheitslieder auf Hindi vorgesungen, und sie hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mich am Telefon zu verlieben - Ich habe "Nein" gesagt. Jetzt, nachdem sie aufgelegt hat, wüsste ich nicht mehr, wie meine Antwort lauten würde.
Hinter dem Fantasie-Namen verbergen sich die drei Theaterwissenschaftler Stefan Kaegi, Daniel Wetzel und Helgard Hauck:
Hauck: "Alle Projekte, die wir machen sind Auseinandersetzung mit Theater und in unseren Projekten suchen wir genau nach der Durchführung von Theater in der Realität oder dem Spiegel davon. "
In ihrem ersten großen Projekt "Deadline" holten Helgard Hauck und ihre Mitstreiter Grabredner und Bestatter auf die Bühne. In "Zeugen - ein Strafkammerspiel" fragte das Trio nach Parallelen zwischen einer Gerichtsverhandlung und einem klassischen Drama. Und bei der Vorbereitung "Call Cutta" stellten sich die Theatermacher eine Frage, die hierzulande vor allem Wirtschaftsmanager bewegt: Die Frage nach billigen Produktionsbedingungen andernorts.
Hauck: "Kann man ein Theaterprojekt, kann man Kunst outsourcen, das war die große Startfrage. "
Und wenn man Theater , also die Darsteller outsourct, wohin? Eine Einladung des Goethe-Instituts Kalkutta brachte die Antwort, denn in den "Callcenter am Rande der indischen Metropole wurden sie mit der anderen Seite einer Dienstleistungs-Wirtschaft konfrontiert, die sie bisher nur als Nutzer einer Service-Verbindung oder beim Bestellen übers Telefon kannten.
Hauck: "Es geht um das Schauspiel, das gemacht wird, damit du ein guter Kunde bleibst. "
"In den "Infinity Towers arbeiten Callcenter-Mitarbeiter demnächst auch für deutsche Firmen wie Lufthansa und Siemens. Die Callcenter-Mitarbeiter nehmen einen europäisch klingenden Namen an. Sie dürfen nicht verraten, von wo aus sie anrufen. "
Diese Ansage läuft am Ende des "mobilen Telefon-Theaters" über mein Headset. Eineinhalb Stunden bin ich mit Sarahs Stimme im Ohr durch Berlin unterwegs gewesen. Und ich habe die Geschichte einer Person gehört, mit der ich nicht gerechnet hatte.
Shuktara: "Ich werde dein Spiegel und du wirst mir Deine Augen leihen. "
Du wirst mir deine Augen leihen, hatte Sarah am Anfang gefragt und meine Schritte auf die andere Straßenseite vor ein Bürohochhaus gelenkt. Auf der Rückseite des Bürogebäudes erwartet mich die erste Überraschung. Hinter einer Fensterscheibe klebt eine Schwarz-Weiß-Fotografie:
Shuktara: "Der Mann rechts ist mein Großvater und er heißt Muterjee. "
Behauptet die Stimme der Enkeltochter, die sich längst mit ihrem richtigen Namen: Shuktara vorgestellt hat. Das Bild wurde in Berlin während des Zweiten Weltkriegs aufgenommen: Zwei indische Gentlemen beim Kaffee. Der Mann mit dem runden Gesicht und der Hornbrille neben Shuktaras Vater ist der Unabhängigkeitskämpfer Subash Chandra Bose, der in Berlin bei den Nazis Unterstützung suchte. Wie einen Detektiv auf Spurensuche führt Shuktara ihren Zuhörer von einem versteckten Bild zum nächsten.
Hauck: "Es geht durch Hinterhöfe, es geht durch Tiefgaragen, es geht durch aufgebrochene Zäune. "
Shuktara: "Siehst du den kaputten Zaun. Da musst du durchklettern. "
Plötzlich stehe vor den überwucherten Trümmern des Anhalter Bahnhofs und vor einem Kapitel vergessener deutsch-indischer Geschichte.
Vor dem Potsdamer Platz singt Shuktara ein indisches Freiheitslied so schön wie aus einem Bollywood-Film und im mobilen Telefontheater" beginnt der letzte Akt.
"Willst du zu mir kommen?" fragt sie und lenkt fürsorglich meine Schritte über die nächste Kreuzung.
"Pass auf, wenn du über die Kreuzung gehst, so klingen die Straßen hier in Kalkutta. "
Der Weg zu Shuktara führt durch eine Tiefgarage mitten in das Berlin von heute: In eine Einkaufspassage auf dem Potsdamer Platz. "Geh zu dem Computerladen auf der linken Seite" sagt Shukatra und da auf dem Computerschirm sieht man tatsächlich eine junge Frau in Jeans und T-Shirt mit einem Head-Set vor einem Computer am anderen Ende der Welt. Unsere Reise geht zu Ende. Shukatra hat erzählt, dass sich ihre Stimme verändert hat, seit sie acht Stunden täglich mit Fremden telefoniert. Sie hat mir Freiheitslieder auf Hindi vorgesungen, und sie hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, mich am Telefon zu verlieben - Ich habe "Nein" gesagt. Jetzt, nachdem sie aufgelegt hat, wüsste ich nicht mehr, wie meine Antwort lauten würde.