„Bye bye Berlusconi“ soll Italiener umstimmen

Moderation: Jürgen König |
Der deutsche Regisseur und Schauspieler Jan Henrik Stahlberg hofft, dass sein Film „Bye bye, Berlusconi“ die Wahl eines neuen italienischen Ministerpräsidenten Mitte April beeinflusst. Wenn der amtierende Ministerpräsident Silvio Berlusconi auch dadurch abgewählt werde, sei das „ein schönes Plus“, sagte Stahlberg zum Start seines Films in Deutschland und in Italien.
Jürgen König: Guten Morgen, was wollen Sie mit dem Film, Herr Stahlberg? Helfen Berlusconi abzuwählen?

Jan Hendrik Stahlberg:: Ach, das wäre ein schönes Plus, denn selbstverständlich kommt der Film jetzt zu den Wahlen raus, weil er in einer besonders sensiblen Situation für Berlusconi den Zuschauer erreichen soll. Das ist völlig klar, denn ich denke wenn wir diesen Film nach den Wahlen zeigen würden, oder in einem Jahr, und er würde wieder gewählt werden, dann würde sich nicht wirklich was verändern können. Gleichzeitig sollte man nicht größenwahnsinnig sein und naiv. Die Medienmacht in Italien ist in Berlusconis Händen, und er wird einen Teufel tun, das in Wahlkampfzeiten zu ändern.

König: Sie haben das Drehbuch gemeinsam mit ihrer Freundin Lucia Chiarla, einer gebürtigen Italienerin, geschrieben. Wie viele Bosheiten hat sie beigesteuert? Also, was war das für eine Zusammenarbeit?

Stahlberg: Wollte ich gerade sagen, ich denke, es waren sehr viele Bosheiten im Internet, die wirklich er verbockt hat. Und das sind nicht wirklich Bosheiten, weil das hört sich ein bisschen altmodisch und doof an, sondern das sind Vorwürfe über die Zusammenarbeit mit der Mafia, das ist Richterbestechung, das ist Bilanzfälschung, in der P 2 soll er Mitglied gewesen sein.

König: P 2, was ist das?

Stahlberg: Das sind die Freimaurer in Italien, die hatten sich damals auf das Papier geschrieben: Wir zerstören die Justiz und die Kommunisten. Der Chef der P 2 sitzt seit langer Zeit im Knast, hat Berlusconi vorgeworfen, dass er eigentlich Copyright anmelden müsste. Da er nämlich genau die Politik betreibt, die er damals in der P 2 als Plädoyer für ein besseres Italien ausgegeben hätte. Berlusconi hat immer gesagt, er wäre nie in der P 2 gewesen. Das ist nachweislich falsch. Nur dass seine eidesstattliche Falschaussage verjährt ist, dadurch dass er die Gesetze verändert hat für eidesstattliche Falschaussagen. Das ist ein solches Bubenstück, das könnte Bertolt Brecht Arturo Uri … in meinen Augen nicht besser auf die Reihe kriegen. Und deshalb haben wir uns sehr nahe an der Realität entlang gehangelt.

König: Und die Vorwürfe kommen so im Film vor?

Stahlberg: Ja, die Vorwürfe kommen so in diesem Film vor. Ich glaube, für ein deutsches Publikum hätten wir noch mehr Informationen bringen müssen. Das ist so eine Selbstkritik, die ich habe. Weil ich merke an den Reaktionen der Berlinale, dass die Zuschauer sehr schockiert und überrascht sind, dass das wirklich so hanebüchen und überrascht klar ist, und er trotzdem gewählt wird. Und wir sagen, ja aber, die Medien sind auch in seiner Hand und zu neunzig Prozent informieren sich die Italiener einfach aus dem Fernsehen, und da kommt keine Kritik auf. Und von daher denke ich mir, wäre es für den deutschen Zuschauer, der die Punkte nicht alle so auf der Reihe hat, wie was ist genau passiert, wäre es noch spannender gewesen, noch mehr über Berlusconi zu erfahren.

König: Wie dreht man einen solchen Film mit italienischen Schauspielern in Italien ?

Stahlberg: Wir haben tatsächlich darauf geachtet, dass wir mit diesem Film unter jedem Schirm von irgendwelchen Forza-Italia-Abgeordneten …, dass davon keiner weiß, wir haben nie eine Drehgenehmigung gehabt. Wir haben mit einem ganz kleinen Drehteam gedreht.

König: Sie wollen sagen, Sie hätten nie eine beantragt? So dass auch nie eine abgelehnt werden konnte?

Stahlberg: Natürlich, genau. Wir erzählen im Film, dass das Drehteam keine Drehgenehmigung bekommt. Da wir das vorher praktisch schon wussten, dass das die Realität ist, haben wir natürlich gar keine beantragt. Im Film wird dieses Drehteam dann verfolgt beziehungsweise fühlt sich verfolgt, das klärt sich nie ganz auf. Dieses mulmige Gefühl, ist völlig klar, das hatten wir auch. Jetzt ist es ein Film, deswegen haben die wirkliche richtigen Schiss und dauernd Albträume: Die hatte ich Gott sei Dank nicht. Aber wie wir von anderen Leuten wissen, die in Italien gegen Berlusconi Filme gemacht haben oder im Fernsehen gegen ihn gearbeitet haben, ist es eine Sache, die nicht ohne Konsequenzen bleibt.

König: Das heißt dieser Film bildet auch seine eigene Entstehungsgeschichte ab. Kann man sich durch Verpackung in eine Satire gegen Klagen durch Berlusconis Anwälte sichern?

Stahlberg: Sagt unser Anwalt. Ja. Ich denke, was Sie eingangs erwähnt hatten, diese Mickylaus-Parabel, also das hört sich so ein bisschen geisteskrank an. Wir denken wirklich nicht, das Mickmaus komisch ist, sondern das Problem ist: Man darf ihn nicht Mickymaus nennen und auch nicht Entenhausen und auch nicht Panzerknackerbande, weil wir sonst ein Problem mit Walt Disney bekommen. Deswegen mussten wir ihn Mickylaus nennen und die Hühnerhausen- und Hundekackerbande … Weil wir das insofern als Satire verpacken, als dass ein Drehteam am Anfang ein Film über Berlusconi machen will. Nach dem ersten Tag werden sie unterbrochen. Der Anwalt in dem Film ist sehr schlecht und der Produzent regt sich auf und sagt: Hey wir dürfen den Namen gar nicht benutzen, wir dürfen ihn nicht Berlusconi nennen. Was auch unser Anwalt uns sagte. Darauf hin wird es verschoben, nach Entenhausen, weil der Produzent des Drehbuchs – also was Sie gesagt haben – dieses Heft von meinem Sohn halt liest, dieses Mickymaus-Heft. Und seitdem drehen wir in Entenhausen die gleiche Geschichte, was Berlusconi betrifft, als Mickymaus beziehungsweise -laus nach.

Und insofern ist das jetzt Realsatire, diese juristischen Probleme oder Möglichkeiten, weil ich denke, diese Mickylaus-Ebene macht es für mich dann wirklich absurd. Und die Schauspieler regen sich natürlich darüber auf, weil sie sagen: Hey, was soll denn die Scheiße, ich hab hier für ‚n ernsthaften Film wie Berlusconi … und jetzt ein Film wie die Mickylaus, und die sind die Hundekackerbande, und sie ist Daisy Doof und ich bin Vater Carlo oder Kater Carlo, das ist doch Schwachsinn. Und tatsächlich sagt jeder im Saal, der Zuschauer: Ja stimmt, ich versteh‘ den Schauspieler, der sitzt jetzt echt in der Scheiße.

König: Mauritio Antonini spielt den Berlusconi. Wie haben Sie ihn gefunden? Ich habe auch in einer Kritik gelesen, er sei selbst Berlusconi-Wähler? Wie konnten Sie ihn überzeugen, diese Rolle zu spielen?

Stahlberg: Ja dieser Tag war ein Wechselbad der Gefühle. Ich hatte ihn beim ganz normalen Casting getroffen. Hatte zwei getroffen, die waren nicht so toll, und dann denk‘ ich auf einmal: Wie kann das sein, warum ist denn Silvio Berlusconi hier? Wieso weiß der von dem Film? Das kann doch gar nicht sein. Er stand da so gegen das Licht und ich dachte nur, das ist unmöglich, das kann nur ein anderer Doppelgänger sein und hab ihm so fiebrig die Hand geschüttelt und hab‘ gesagt, guten Tag, ich bin der Regisseur. Ich hab‘ einfach nur gesagt, Herr Antonini heißen Sie, lassen Sie uns mal ‚ne Szene machen. Und der hat das dann imitiert, und dann hab ich sofort gesagt, wir machen das. Dann meinte er, gut dann gehen wir ‚ne Pizza essen und reden über das Drehbuch und so weiter. Dann hab‘ ich ihm die Geschichte erzählt, und merkte, so gut kommt die bei dem irgendwie nicht an. … Dann sagte er, ja wissen Sie, ich wähle den ja selber.

Und dann dachte ich, oh Gott, das Glück meines Lebens zerschellt, und wird zum Pech meines Lebens. Und dann ist aber der positive Punkt, der Doppelgänger von Silvio Berlusconi, Herr Antonini, war Schuhverkäufer, er ist Unternehmer, und er arbeitet und lebt davon, von seiner Ähnlichkeit.

König: Das heißt, er ist ein echter Doppelgänger?

Stahlberg: Er ist ein echter Doppelgänger. Er ist in Italien in ein paar Werbespots aufgetreten und macht so ein kleines Theaterstück, mit dem durch die Länder tingelt. Von daher ist er da durchaus nicht wirklich bekannt, aber hält sich natürlich für den besten Doppelgänger. Ich muss sagen, ich halte ihn auch für den besten Doppelgänger. Wir haben ihn ja in Deutschland auf der „King Kong“-Premiere auftreten lassen und „Die Welt“ hat geschrieben: Der echte Berlusconi ist überraschend in Berlin. Von daher hat das wirklich gut hingehauen, und ich denke er war ein großes Glück für uns. Er hat dann ja zugesagt.

König: Sie sind aber auch ein rechter Spaßvogel, Herr Stahlberg, kann das sein?

Stahlberg: Ja sagen wir so, das ist glaube ich ein Pferdefuß in unserer Kampagne gewesen, etwas, was ich unterschätzt habe. Ich glaube, dass ich sehr stark mit „Muxmäuschenstill“ – natürlich – in Zusammenhang gebracht werde. Und darauf bin ich stolz, das ist ein Film, zu dem stehe ich. Nur, diese Art von Herrn Mux und dieses Lebhafte … Und natürlich, ich bin vielleicht ein fröhlicher Mensch, aber ich lebe in Italien, seit zehn Jahren. Ich habe eine Lebensgefährtin da. Für mich ist Berlusconi ein total ernstes Anliegen. Ich hab‘ natürlich auch Schiss gehabt, und was in den Medien von mir selber teilweise falsch dargestellt wurde: Von wegen, wir haben keinen anderen gefunden und Berlusconi ist halt der, der am meisten Dreck am Stecken hat. Ich glaub das macht das so ein bisschen zum Fun-Event. Gerade auch, da wir auf dem roten Teppich waren. Ich glaube wir haben ein wenig zu sehr den Boulevard angesprochen, gleichzeitig dieses echte, wichtige, politische Feuilleton.

König: Also man nimmt sie nicht ernst genug.

Stahlberg: Das politische Feuilleton sagt, dass ist uns nicht ernst genug und der Boulevard sagt, das ist uns zu politisch. Ich glaube, mir ist wichtig, dass es glaubwürdig ist, und dieser Film ist in meinen Augen in den ersten dreißig Minuten sehr komisch. Und dann wird es bitterernst, und deswegen ist es ein Zwitter. Und das mag ich auch. Ich mag gerne Geschichten, wo ich lache und gleichzeitig denke, ich bekomm‘ grad‘ Schiss.

König: Nachdem was ich gelesen habe, tritt ja zurzeit der Widerstand gegen die Politik Berlusconis in Italien offener zu Tage als früher. Selbst im Italienischen Fernsehen hab ich gehört, sollen sich satirische Beiträge über Berlusconi nicht mehr wirklich verhindern lassen. Welche Rolle kann da dieser Film noch spielen?

Stahlberg: Also es kommt ja immer drauf an, wie wird über Berlusconi gesprochen oder wie wird Satire gemacht. Es gibt ja vieles, was Berlusconi selber zulässt und was er sehr komisch findet, weil es ihm ja selber immer wieder dient, als Clown mit Haarwuchsproblemen wahrgenommen zu werden. Ich denke aber, dass unser Film eine Schärfe hat, zudem zum Beispiel Lucky Red, der Verleiher in Italien, der uns nicht genommen hat, sagte: Hört mal zu , ich kann mich ja nur refinanzieren, wenn ich diesen Film irgendwann im Fernsehen zeigen werde, weil ich die Fernsehrechte ja gleich mitkaufe. Ich werde diesen Film nie im Fernsehen zeigen können, denn Berlusconi wird immer, so lange er existiert und nicht irgendwann dann halt in Tunesien auspackt, in Italien da sein. Ich kann diesen Film nicht verkaufen. Dieser Film ist viel zu scharf. Und von daher glaube ich, dass es Kritik gibt und die ist aber wesentlich seichter. Die Leute die es ernst meinen, nehmen wir Sabine Guthand, die ist nicht mehr in ihrer Show.

Und wir haben das Beispiel, während des Wahlkampfes hatte Berlusconi einen Auftritt, wo er dreimal unterbrochen wurde von einer Journalistin, die einfach nur nachgefragt hat. Und er ist aufgestanden und hat gesagt, das kann ja wohl nicht wahr sein, das war ihr letzter Auftritt hier im Fernsehen und diese Frau hat jetzt das Problem, diese Show weiter zu moderieren. Und deswegen ist es bitterernst. Da würde ich wagen, Ihnen zu widersprechen, dass in Italien die Satire salonfähig ist. Es kommt auf die Kritik an. Sobald sie etwas Wohlwollendes hat oder etwas, wo auch Berlusconi als Frauenheld dargestellt wird, das ist eine Posse, die er sehr gerne sieht. Das macht ihn ja auch so wählbar für viele: Ey, der hat ‚ne große Yacht, und dann lacht er und zeigt, wie viele Frauen er hat mit wie viel großen Möpsen. Er findet das total cool und in diesem Bild sonnt er sich gerne. Andere Politiker würden da, wenn ich mir vorstelle, das ist jetzt Herr Ströbele, der so abgelichtet würde, würden sich sträuben und sagen: Bloß nicht, und würde sagen, warum hat die denn so große Brüste und warum wollte die ein Bild haben. Er will das. Er lebt davon. Nur ich denke, das über deckt die wirklich ernste und wirklich problematische juristische Kultur, die er aufgebaut hat. Denn ich denke, in Italien ist ein Klima der Angst eingezogen, was wir immer gemerkt haben, wenn wir Leute für diesen Film engagieren wollten, die bekannt waren, haben sie immer gesagt: Hört zu, ich hab ‚ne Familie, ich verlier‘ meinen Job, lasst mich da raus.

König: Gut, gerade wollte ich noch die Frage der Angst stellen. Sie haben selbst die Behauptung angesprochen, Berlusconi habe Kontakte zur Mafia. Haben Sie Angst, wenn Sie in Italien leben?

Stahlberg: Mein Anwalt hat mir immer gesagt, mein italienischer Anwalt, wohlgemerkt: So lange ihr nichts Neues erzählt in diesem Film über die Mafia oder irgendwelche Tatsachen, die keiner kennt. Was uns übrigens komischerweise hier von der deutschen Presse teilweise vorgeworfen wird, wo ich denke: Erwartete ihr im Ernst, dass wir hier jetzt die Mafia-Aufklärer sind oder die irgendetwas über Berlusconi wissen, was die Berlusconi-Gegner, Marco Travaglio in Italien beispielsweise, nicht wissen – überfordert ein Filmemacher und das ist auch nicht der Ansatz des Films. Von daher hat er gesagt, solange ihr da nichts Neues aufdeckt, seit ihr von wegen der Mafia save. Und das was euch von Berlusconi blühen kann, ist in jedem Falle, das hat er gemacht und das macht er immer, wenn der Film ihm unangenehm wird, wenn der Film eine kritische Masse erreicht. Und das wird in unserem Falle zum Beispiel heißen, dass wir vor den Wahlen mit diesen sechzig Kopien zum Beispiel rauskommen. Dann kann es sein, dass er klagt. Gegen den Film, eine einstweilige Verfügung und Schmerzengeld, und das kann halt so teuer werden, weil es Silvio Berlusconi ist.

König: Heute läuft in Deutschland und in Italien, „Bye Bye Berlusconi“, im Gespräch mit Autor und Regisseur Jan Hendrik Stahlberg.