Bußgelder für Sitzblockierer in Dresden

Von Claudia Altmann · 05.09.2011
Die Staatsanwaltschaft Dresden hatte nach der Blockade eines Neonazi-Aufmarschs am 19. Februar rund 200 Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eröffnet. Unter den Betroffenen waren auch Abgeordnete des Bundestages und sächsischen Landtages.
19. Februar in Dresden. Größter Naziaufmarsch Europas in Dresden. Die rechte Szene vereinnahmt seit elf Jahren die Jahrestage der alliierten Luftangriffe vom 13. bis 15. Februar 1945, bei der nahezu die ganze Stadt zerstört worden war und 25.000 Menschen umgekommen waren. In diesem Jahr stellten sich den 2000 Neonazis mehr als 20.000 Bürgerinnen und Bürger in ihrer übergroßen Mehrheit friedlich entgegen.

Beide Demonstrationen waren genehmigt, 4.600 Polizisten im Einsatz. Mit Steh- und Sitzblockaden verhinderten die Gegendemonstranten, dass Rechte durch Dresden marschieren. Danach allerdings hat die Staatsanwaltschaft Dresden gegen 200 Personen Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet, darunter gegen 20 Abgeordnete des Bundestages und des sächsischen Landtages. 120 Verfahren wurden mittlerweile eingestellt – entweder weil sich der Verdacht nicht bestätigte oder gegen eine Geldauflage.

Auch drei sächsische Abgeordnete – drei von der SPD und einer von den Linken - müssen zahlen. Für Martin Dulig, SPD-Fraktionsvorsitzender im sächsischen Landtag, war diese Form des Protestes eine moralische Verpflichtung:

"Diese Situation ist eingetreten, als ich am Fritz-Löffler-Platz war, wo Hunderte, vor allem junge Menschen da gestanden haben. An der Stelle standen aber auch Wasserwerfer. Und wir haben uns als Abgeordnete dann überlegt, ob es nicht besser ist, wenn wir uns auch vorne mit hinsetzen, auch als Schutz - im Winter mit Wasserwerfern, das ist kein Spaß – sondern, dass wir da auch unsere Verantwortung gegenüber den Demonstranten, die dort waren, gerecht werden und eben in diesem Moment auch zivilen Ungehorsam leisten, auch im Bewusstsein, dass wir damit eine Ordnungswidrigkeit begehen."

Also eine zwar nicht legale, aber legitime Handlung. Das wurde nach Ansicht der sächsischen Justiz auch berücksichtigt, erklärt Lorenz Haase von der Dresdner Staatsanwaltschaft:

"Wir erkennen natürlich, dass die meisten Personen, die an der Blockade teilnehmen, besondere Ziele haben, dass die Rechten – wie sie sagen – nicht durch DD marschieren können. Wir möchten von daher auf diese Straftaten maßvoll reagieren und denken, dass von daher die Möglichkeit, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße einzustellen, die richtige Reaktion ist."

Insgesamt 80 der anfangs 200 Verdächtigen haben dieses Angebot der Justiz bisher akzeptiert. Die konkreten Konsequenzen für Martin Dulig:

"Ich habe 700 Euro bezahlt an die "Aktion Zivilcourage" in Pirna - ein sehr gutes Projekt – die, sagen wir mal, mit meiner Demokratiestrafe jetzt gute wertvolle Arbeit leisten können."

Auch bei der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt in Sachsen, der RAA, sind Zahlungen eingegangen. 40 Mal kleinere Beträge zwischen 50 und 300 Euro. Für die sechs Mitarbeiter ein willkommener warmer Regen. Aber der Verein kritisiert nicht nur, dass ausgerechnet friedliche Demonstranten, die gegen rechte Gesinnung Gesicht zeigen, zur Kasse gebeten werden, sondern laut Andrea Hübler auch, dass mit dieser Regelung ein Schuldeingeständnis verbunden ist:

"Und das finden wir nicht richtig. Die Leute sollten sich erst mal über ihre rechtlichen Möglichkeiten Gedanken machen und nicht mit so 'nem Lockmittel 'Es ist ja für einen guten Zweck' verlockt werden, das sofort zu bezahlen, ohne das in Frage zu stellen. Und da wollen wir auch nicht das Feigenblatt – um es jetzt mal deutlich zu sagen - für die Staatsanwaltschaft spielen."

Nicht nur Andrea Hübler befürchtet, dass angesichts der massiven Strafverfolgung in Sachsen im kommenden Jahr weniger Gegendemonstranten kommen werden. Wer sich dennoch dem Naziaufmarsch im wahrsten Sinne des Wortes entgegensetzen wird und dies schon in diesem Jahr getan hat, muss dann möglicherweise mit härteren Konsequenzen als Bußgeld rechnen.

Lorenz Haase: "Der Grundsatz ist eher, dass, wenn ein entsprechendes Angebot man in der Vergangenheit gegeben hat, dass man das ein zweites Mal nicht macht. Ob man unter der besonderen Fallgestaltung der Verhinderung der Demonstrationen von Rechten in DD gegebenenfalls dann doch noch mal zu so einem Ergebnis kommt, das wird man dann prüfen müssen."

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Thema 2011-09-05 Jurist: Blockade von Neonazi-Demonstrationen ist nicht rechtswidrig - Uwe Wesel wirft Dresdner Staatsanwaltschaft Bösartigkeit vor
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