Busek: Bosnien droht Beitritt zur EU zu verpassen
Der EU-Koordinator für den Balkan-Stabilitätspakt, Erhard Busek, befürchtet, dass Bosnien die Gelegenheit zur Aufnahme in die EU verpassen könnte, sollten die bosnischen Teilrepubliken nicht stärker zusammenwachsen. Außerdem sprach er sich für eine konsequente Verfolgung der Kriegsverbrecher Karadzic und Mladic aus.
Sagenschneider: Die Hauptschuldigen laufen immer noch frei herum: Radovan Karadžić, vor zehn Jahren Führer der bosnischen Serben und sein General, Ratko Mladic, dessen Truppen damals nach Srebrenica einmarschierten. Die Vereinten Nationen tragen ebenfalls Verantwortung für das Massaker, das dann folgte, denn die UN hatte die bosnisch-muslimische Kleinstadt Srebrenica zur Schutzzone erklärt und im entscheidenden Augenblick nicht verteidigt. In den Wäldern rund um Srebrenica wurden dann etwa 8.000 bosnische Muslime ermordet. Viele werden noch vermisst, erst ein Viertel der Toten ist überhaupt identifiziert.
Heute am zehnten Jahrestag werden 600 Leichen bei einer Gedenkfeier in Srebrenica beigesetzt. Zehn Jahre nach dem Massaker, darüber wollen wir nun hier im Deutschlandradio Kultur mit Erhard Busek sprechen, er ist der Koordinator für den Balkan-Stabilitätspakt. Herr Busek, ich grüße Sie.
Busek: Guten Morgen.
Sagenschneider: Sind zehn Jahre, Herr Busek, noch zu früh für die Serben, sich zu einer Schuld an den Morden zu bekennen? Denn man tut sich ja extrem schwer, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen.
Busek: Das ist offensichtlich der Fall. Vor allem von Seiten der politischen Führung ist das nicht nur in Bosnien-Herzegowina, sondern auch in Serbien selbst ein Problem. Jetzt muss man natürlich durchaus auch Parallelen heranziehen. Wir haben in Europa auch sehr lange gebraucht, um in manchen Fällen wirklich ein Schuldbekenntnis zu sprechen, wir müssen sogar realisieren, dass manchmal das Gegenteil geschieht, dass man nämlich Entschuldigungsmechanismen oder sogar Rechtfertigungsstrategien entwickelt. Das darf aber kein Grund sein: Es liegt hier eine eindeutige Schuld der Verletzung der Menschenrechte, der Menschenwürde vor. Das muss eindeutig festgestellt werden.
Sagenschneider: Nun hat ja die internationale Gemeinschaft x-mal die Serben schon aufgefordert, Kriegsverbrecher wie Karadžić und Mladic an das Tribunal in Den Haag auszuliefern. Offenbar, das hatte man ja zugegeben, hatte Karadžić jahrelang unbehelligt in Belgrad gelebt unter dem Schutz der Armee. Haben Sie den Eindruck, dass der Druck mittlerweile ein wenig Wirkung zeigt oder immer noch überhaupt nicht?
Busek: Der Druck zeigt Wirkung, denn Belgrad hat eigentlich in einem beachtlichen Ausmaß auch schon geliefert. Aber es ist natürlich noch nicht abgeschlossen. Kroatien hat den einen Fall Gotovina, der ja ohnehin hinlänglich bekannt ist und der die Verhandlungen betreffend EU-Aufnahme blockiert, während eben im Bereich der Republika Srbija, in Bosnien-Herzegowina und in Serbien selbst sind noch mehrere Fragen oder besser gesagt Personen offen.
Sagenschneider: Aber Karadžić und Mladic das hätte natürlich hohen symbolischen Wert, gerade die beiden?
Busek: Außer Frage, die sind auch sehr bekannt und das, was man eigentlich dem so genannten Westen auch vorwirft ist, dass wir natürlich durch NATO-Truppen und eine beachtliche Präsenz die längste Zeit die Gelegenheit gehabt haben sollten, das zu tun. Was hier wirklich die Gründe sind, warum das nicht erfolgt ist, ist eine offene Frage. Das entschuldigt aber nicht, dass es auch heute noch nicht so weit ist.
Sagenschneider: Müsste man denn mehr Druck ausüben, zum Beispiel wirtschaftlicher Natur?
Busek: Der Druck ist ja an sich da. Ich glaube nur, dass es manchmal nicht so richtig verstanden wird. Möglicherweise gibt es auch historische Gesichtspunkte, wo man sagen kann, na ja, man hat ja auch verhandelt und Ähnliches, so scharf wird das nicht sein. Ich bin aber sehr dafür, dass man in dieser Frage wirklich ganz, ganz konsequent bleibt, schon alleine wegen der Beispielswirkung.
Sagenschneider: Nun ist ja Bosnien-Herzegowina, so wie es damals im Vertrag von Dayton festgelegt worden ist, im Grunde der Versuch, ein Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen wieder zu ermöglichen oder vielleicht auch zu erzwingen. Funktioniert das eigentlich mittlerweile einigermaßen oder haben wir doch noch einen mehr oder weniger zweigeteilten Staat? Die bosnischen Serben in der einen, die kroatischen und muslimischen Bosnier in der anderen Hälfte?
Busek: Die Berechtigung, zu verlangen, dass sie zusammenleben, ergibt sich schon aus der Geschichte, denn man hat ja leidlich einige Zeit in der Geschichte zusammengelebt. Es waren die Auseinandersetzungen, die vor zehn Jahren zunächst einmal formal ein Ende gefunden haben, die diesen Krieg und diesen Konflikt versucht haben zu beenden.
Ich glaube, dass es Hoffnungen gegeben hat, quasi andere Lösungen zu haben, wie Teilungen. Etwa Hoffnungen auf der kroatischen Seite, ein Teil Kroatiens zu werden und Hoffnungen auf der serbischen Seite, ein Teil Serbiens zu werden. Langsam begreift man und das dauert halt ein bisschen lang, dass das einfach nicht drin ist, sondern dass es wieder ein integriertes Bosnien-Herzegowina geben muss.
Dahin sind die Schritte durchaus da, allerdings haben sie mehr oder weniger zwei unterschiedliche Systeme: die zentralisierte Republika Srbija und die föderative, so genannte Föderation, die eigentlich unterschiedliche Systeme haben.
Hier gibt es die verschiedensten Wünsche, eines muss man aber klar sagen, die Teile müssen gemeinsam den Weg finden, um miteinander zu existieren. Es gibt keine Alternative! Sämtliche Teilungspläne und sonstige andere Konstrukte, die oft gedanklich die längste Zeit herumgegeistert haben, sind überhaupt nicht brauchbar für die Zukunft.
Sagenschneider: Drücken sich diese Schwierigkeiten vor allen Dingen in Kleinigkeiten aus? Man hört hier, dass man es immer noch nicht geschafft hat, sich auf einheitliche Autokennzeichen zu verständigen, als ein Beispiel.
Busek: Das war dann zu entscheiden vom so genannten High-Representative, das ist schon längere Zeit her und war dann nicht von Gemeinsamkeiten getragen. Wir hängen heute noch an substantielleren Dingen, wie etwa die Polizeireform. Es gibt eine unterschiedliche Polizei, es gab eine geteilte Armee. Die Armee ist am Weg, die Polizeireform ist heute noch ein politisches Problem.
Ich glaube aber, dass die Zukunft Bosniens in Richtung der Europäischen Union nur möglich ist, wenn man sich zunächst einmal intern einigt. Denn kein Mensch ist interessiert, quasi die Probleme in die Europäische Union zu importieren. Die sind vorher von den einzelnen, möglichen Kandidaten selber zu lösen. Und zwar in der gegebenen Situation heute mehr denn je.
Sagenschneider: Wie lange, Herr Busek, wird es noch brauchen, bis wir Bosnien-Herzegowina als einen Staat wahrnehmen werden, der aus sich heraus lebt, weil er von allen dort Lebenden auch akzeptiert wird als ein Staat?
Busek: Das wird dann der Fall sein, wenn eigentlich der High-Representative und die internationale Präsenz überflüssig ist. Wir müssen da Schritte einleiten, relativ rasch, damit diese Klarheit herrscht. Denn ein Land kann sich quasi nur selber am Schopf aus der Krise ziehen und das muss man in der nötigen Deutlichkeit klar machen. Das ist meines Erachtens auch rasch möglich, wenn man es will oder es dauert ewig, aber da wird die Geduld nicht existieren. Ich glaube, dass die internationale Gemeinschaft schon mehr und mehr nach Endpunkten sucht und nicht auf ewige Fortsetzung bedacht ist.
Sagenschneider: Welchen Zeitrahmen würden Sie denn da setzen, dass die Geduld noch ausreicht?
Busek: Ich würde sagen, in den nächsten zwei, drei Jahren muss hier Wesentliches passieren, sonst versäumen aber auch die Bosnier das Zeitfenster für die Europäische Union.
Sagenschneider: Erhard Busek, der Koordinator der EU für den Balkanstabilitätspakt im Gespräch mit Deutschlandradio-Kultur.
Heute am zehnten Jahrestag werden 600 Leichen bei einer Gedenkfeier in Srebrenica beigesetzt. Zehn Jahre nach dem Massaker, darüber wollen wir nun hier im Deutschlandradio Kultur mit Erhard Busek sprechen, er ist der Koordinator für den Balkan-Stabilitätspakt. Herr Busek, ich grüße Sie.
Busek: Guten Morgen.
Sagenschneider: Sind zehn Jahre, Herr Busek, noch zu früh für die Serben, sich zu einer Schuld an den Morden zu bekennen? Denn man tut sich ja extrem schwer, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen.
Busek: Das ist offensichtlich der Fall. Vor allem von Seiten der politischen Führung ist das nicht nur in Bosnien-Herzegowina, sondern auch in Serbien selbst ein Problem. Jetzt muss man natürlich durchaus auch Parallelen heranziehen. Wir haben in Europa auch sehr lange gebraucht, um in manchen Fällen wirklich ein Schuldbekenntnis zu sprechen, wir müssen sogar realisieren, dass manchmal das Gegenteil geschieht, dass man nämlich Entschuldigungsmechanismen oder sogar Rechtfertigungsstrategien entwickelt. Das darf aber kein Grund sein: Es liegt hier eine eindeutige Schuld der Verletzung der Menschenrechte, der Menschenwürde vor. Das muss eindeutig festgestellt werden.
Sagenschneider: Nun hat ja die internationale Gemeinschaft x-mal die Serben schon aufgefordert, Kriegsverbrecher wie Karadžić und Mladic an das Tribunal in Den Haag auszuliefern. Offenbar, das hatte man ja zugegeben, hatte Karadžić jahrelang unbehelligt in Belgrad gelebt unter dem Schutz der Armee. Haben Sie den Eindruck, dass der Druck mittlerweile ein wenig Wirkung zeigt oder immer noch überhaupt nicht?
Busek: Der Druck zeigt Wirkung, denn Belgrad hat eigentlich in einem beachtlichen Ausmaß auch schon geliefert. Aber es ist natürlich noch nicht abgeschlossen. Kroatien hat den einen Fall Gotovina, der ja ohnehin hinlänglich bekannt ist und der die Verhandlungen betreffend EU-Aufnahme blockiert, während eben im Bereich der Republika Srbija, in Bosnien-Herzegowina und in Serbien selbst sind noch mehrere Fragen oder besser gesagt Personen offen.
Sagenschneider: Aber Karadžić und Mladic das hätte natürlich hohen symbolischen Wert, gerade die beiden?
Busek: Außer Frage, die sind auch sehr bekannt und das, was man eigentlich dem so genannten Westen auch vorwirft ist, dass wir natürlich durch NATO-Truppen und eine beachtliche Präsenz die längste Zeit die Gelegenheit gehabt haben sollten, das zu tun. Was hier wirklich die Gründe sind, warum das nicht erfolgt ist, ist eine offene Frage. Das entschuldigt aber nicht, dass es auch heute noch nicht so weit ist.
Sagenschneider: Müsste man denn mehr Druck ausüben, zum Beispiel wirtschaftlicher Natur?
Busek: Der Druck ist ja an sich da. Ich glaube nur, dass es manchmal nicht so richtig verstanden wird. Möglicherweise gibt es auch historische Gesichtspunkte, wo man sagen kann, na ja, man hat ja auch verhandelt und Ähnliches, so scharf wird das nicht sein. Ich bin aber sehr dafür, dass man in dieser Frage wirklich ganz, ganz konsequent bleibt, schon alleine wegen der Beispielswirkung.
Sagenschneider: Nun ist ja Bosnien-Herzegowina, so wie es damals im Vertrag von Dayton festgelegt worden ist, im Grunde der Versuch, ein Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen wieder zu ermöglichen oder vielleicht auch zu erzwingen. Funktioniert das eigentlich mittlerweile einigermaßen oder haben wir doch noch einen mehr oder weniger zweigeteilten Staat? Die bosnischen Serben in der einen, die kroatischen und muslimischen Bosnier in der anderen Hälfte?
Busek: Die Berechtigung, zu verlangen, dass sie zusammenleben, ergibt sich schon aus der Geschichte, denn man hat ja leidlich einige Zeit in der Geschichte zusammengelebt. Es waren die Auseinandersetzungen, die vor zehn Jahren zunächst einmal formal ein Ende gefunden haben, die diesen Krieg und diesen Konflikt versucht haben zu beenden.
Ich glaube, dass es Hoffnungen gegeben hat, quasi andere Lösungen zu haben, wie Teilungen. Etwa Hoffnungen auf der kroatischen Seite, ein Teil Kroatiens zu werden und Hoffnungen auf der serbischen Seite, ein Teil Serbiens zu werden. Langsam begreift man und das dauert halt ein bisschen lang, dass das einfach nicht drin ist, sondern dass es wieder ein integriertes Bosnien-Herzegowina geben muss.
Dahin sind die Schritte durchaus da, allerdings haben sie mehr oder weniger zwei unterschiedliche Systeme: die zentralisierte Republika Srbija und die föderative, so genannte Föderation, die eigentlich unterschiedliche Systeme haben.
Hier gibt es die verschiedensten Wünsche, eines muss man aber klar sagen, die Teile müssen gemeinsam den Weg finden, um miteinander zu existieren. Es gibt keine Alternative! Sämtliche Teilungspläne und sonstige andere Konstrukte, die oft gedanklich die längste Zeit herumgegeistert haben, sind überhaupt nicht brauchbar für die Zukunft.
Sagenschneider: Drücken sich diese Schwierigkeiten vor allen Dingen in Kleinigkeiten aus? Man hört hier, dass man es immer noch nicht geschafft hat, sich auf einheitliche Autokennzeichen zu verständigen, als ein Beispiel.
Busek: Das war dann zu entscheiden vom so genannten High-Representative, das ist schon längere Zeit her und war dann nicht von Gemeinsamkeiten getragen. Wir hängen heute noch an substantielleren Dingen, wie etwa die Polizeireform. Es gibt eine unterschiedliche Polizei, es gab eine geteilte Armee. Die Armee ist am Weg, die Polizeireform ist heute noch ein politisches Problem.
Ich glaube aber, dass die Zukunft Bosniens in Richtung der Europäischen Union nur möglich ist, wenn man sich zunächst einmal intern einigt. Denn kein Mensch ist interessiert, quasi die Probleme in die Europäische Union zu importieren. Die sind vorher von den einzelnen, möglichen Kandidaten selber zu lösen. Und zwar in der gegebenen Situation heute mehr denn je.
Sagenschneider: Wie lange, Herr Busek, wird es noch brauchen, bis wir Bosnien-Herzegowina als einen Staat wahrnehmen werden, der aus sich heraus lebt, weil er von allen dort Lebenden auch akzeptiert wird als ein Staat?
Busek: Das wird dann der Fall sein, wenn eigentlich der High-Representative und die internationale Präsenz überflüssig ist. Wir müssen da Schritte einleiten, relativ rasch, damit diese Klarheit herrscht. Denn ein Land kann sich quasi nur selber am Schopf aus der Krise ziehen und das muss man in der nötigen Deutlichkeit klar machen. Das ist meines Erachtens auch rasch möglich, wenn man es will oder es dauert ewig, aber da wird die Geduld nicht existieren. Ich glaube, dass die internationale Gemeinschaft schon mehr und mehr nach Endpunkten sucht und nicht auf ewige Fortsetzung bedacht ist.
Sagenschneider: Welchen Zeitrahmen würden Sie denn da setzen, dass die Geduld noch ausreicht?
Busek: Ich würde sagen, in den nächsten zwei, drei Jahren muss hier Wesentliches passieren, sonst versäumen aber auch die Bosnier das Zeitfenster für die Europäische Union.
Sagenschneider: Erhard Busek, der Koordinator der EU für den Balkanstabilitätspakt im Gespräch mit Deutschlandradio-Kultur.

Mehr als 600 identifizierte Srebrenica-Opfer sollen bei der Zeremonie bestattet werden© AP