Burlesker Humor, existentielle Verunsicherung

Von Bernhard Doppler |
Regisseur David Alden hat keine Rokoko-Komödie vorgeführt, es scheint ihm auch nicht wichtig, sich rührend in die Figuren einzufühlen. Es steckt sie in moderne Gewänder oder in Kostüme des Mussolini-Italiens. Die Hauptaufmerksamkeit beansprucht ohnehin die Musik.
"La finta giardiniera" (Die Gärtnerin aus Liebe) gilt zwar noch als ein Jugendwerk Mozarts, aber Mozart war immerhin schon 18 und konnte nicht mehr als Salzburger Wunderkind verblüffen, als er den ehrenvollen Aufrag erhielt, für das Münchner Hoftheater eine "opera buffa" zu komponieren. "Drama giocosa" - wie später "Don Giovanni" - nannte er "La finta giardiniera". Mozart scheint dabei, das macht die Wiener Aufführung unter René Jacobs deutlich, seine eigene Musikdramaturgie entwickelt zu haben.

Unbeschwert heiter ist die Oper keinesfalls: Wie in "Don Giovanni" steht am Beginn ein Mord beziehungsweise Mordversuch. Graf Belfiore hat versucht, Gräfin Violante zu ermorden, er glaubt, dass der Mord auch geglückt ist, doch Violante hat überlebt und nimmt – nach diesem traumatischen Vorfall – als Dienerin, als Gärtnerin, eine neue Identität an. Am Lagonero – am schwarzen See – findet sich nach vielen Verwirrungen und Zweifeln – gemeinsam mit anderen unglücklich-glücklich Verliebten das Paar wieder und heiratet, Mörder und Opfer sind vereint.

Auch wenn "La finta giardiniera" nicht an die Tiefe der großen Da Ponte-Meisterwerke heranreicht, die konsequente Vermischung von ernst und heiter, von existentieller Verunsicherung und burleskem Humor wird in jeder einzelnen musikalischen Nummer zum Thema spürbar. Ob alles Irrsinn sei, ob alles nur Traum, fragen sich die Akteure des Öfteren. Mozart hat die barocke Typenkomödie hinter sich gelassen und liegt mit dem gemischten Sujet 1775 ganz im Trend. Die Commedie larmoyante, das Rührstück ist Mode geworden. Mozart hat Lessings "Hamburgische Dramaturgie" abboniert.

Regisseur David Alden hat keine Rokoko-Komödie vorgeführt, es scheint Alden auch nicht wichtig, sich rührend in die Figuren einzufühlen. Es steckt sie in moderne Gewänder oder in Kostüme des Mussolini-Italiens. Die großzügige Bühne von Paul Steinberg erinnert ein wenig an Pop-Art. Auf dem glänzend schwarzen Boden (Lagonero) spielt man in Spinden, auf Matratzen, Leitern, mit Gartenscheren, in einem Bauernbett oder auf großen schwarzroten Lederstühlen. Mit surrealen Effekten bleibt die Inszenierung an der Oberfläche – was dem Premierenpublikum vielfach missfallen haben mag – , aber gerade auf diese Weise bleibt zumindest offen und dem Zuschauer selbst irritierend überlassen, ob die Vorgänge heiter skurril oder tragisch aufzufassen ist.

Die Hauptaufmerksamkeit beansprucht ohnehin die Musik. René Jacobs hat das Dilemma der Aufführungspraxis mutig und einleuchtend gelöst. Es gibt nämlich auf der einen Seite den Autograph der Uraufführung, eine seriöse Quelle, doch in diesem Fall wohl mangelhaft - vielfach fehlen zum Beispiel die Notierungen für die Bläser -, andererseits gibt es spätere Verballhornungen der Oper zum deutschen Singspiel "Die Gärtnerin aus Liebe", aus der sich aber Mängel des Autographen rekonstruieren lassen. Jacobs verbindet beides, um "La finta giardiniera" als große Oper und Vorboten der späteren Meisterwerke vorzuführen.

So überzeugend die sieben Solisten sängerisch und darstellerisch auch agieren (zum Beispiel: Sophie Karthäuser als Gärtnerin, Marie-Claude Chappuis in der ursprünglich für einen Kastraten geschriebenen Rolle des unglücklichen Liebhabers Ramiro oder Michael Nagy als Diener), der wichtigste dramatische Akteur bleibt das Orchester, das Freiburger Barockorchester, kommunizierend mit den in ihren Gefühlen hin- und hergerissenen Personen auf der Bühne. Wie Flöten und Oboen, dann wieder wie Pauken und Violen schlage sein Herz, singt etwa der Herr Don Anchise, fröhlich und dann gleich wieder tief beklommen.