Bunter Nachmittag mit Gedichten

Von Astrid Kuhlmey |
Es gibt eine Reihe von literarischen und philosophischen Texten, die auch auf CD-ROM verfügbar sind. Nun ist im Rahmen der "Digitalen Bibliothek" das Gesamtwerk von Joachim Ringelnatz erschienen. Der Silberling ist eine Fundgrube für Schüler und Studenten, aber auch für Ringelnatz-Fans, die sich einen bunten Nachmittag mit dem Dichter machen wollen.
Von Jahr zu Jahr gibt es eine Zunahme von Digitalen Bibliotheken auf CD-ROM. Kürzlich konnte beispielsweise die Digitale Bibliothek der Directmedia Publishing GmbH auf ihr zehnjähriges Bestehen zurückblicken. Das Angebot des in Berlin ansässigen Unternehmens reicht von Theodor W. Adornos Gesamtwerk über das Bilderlexikon der Erotik oder den Atlas der deutschen Sprache bis zur Geschichte der Philosophie oder dem Koran.

Doch auch literarische Werke - ob Belletristik, Dramen oder Lyrik – werden digitalisiert. Kürzlich nun kam das Gesamtwerk von Joachim Ringelnatz als Digitale Bibliothek Band 121 heraus.

Astrid Kuhlmey hat sich die CD-ROM auf ihren Laptop geladen und Ringelnatz, ganz neu gelesen

Natürlich ist es der gleiche Text, der auf dem Gesamtwerk aufbaut, das bei Diogenes in den 80er Jahren erschienen ist und 1994 vom Herausgeber Walter Pape als durchgesehene, korrigierte siebenbändige Ausgabe neu herausgegeben wurde, die durch einige neu entdeckte Texte ergänzt wurde. Also, mit der CD-ROM ist man absolut auf dem neuesten Ringelnatz-Stand.

Und neu gelesen habe ich dann eben auch noch. Weil man das digitale Angebot einfach so wie ein Buch lesen kann. Das macht eventuell mit der gedruckten Ausgabe ein wenig mehr Spaß – doch wer Ringelnatz auf seine Weise abfragen will, der kommt auf seine Kosten und kann vielleicht wie ich etliche Klischees abbauen.

Man hat immer so seine Anthologien gelesen – und Herausgeber sind halt auch nur Menschen, und die sind mitunter träge – was schon einmal gut gegangen ist, wird mitunter nur ein wenig ergänzt – aber man hat so ein verfestigtes Ringelnatzbild. Das vom gemütvollen, kauzigen, ein wenig hintergründigen Dichter Hans Bötticher alias Joachim Ringelnatz aus dem sächsischen Wurzen. Da wird dann auch gerne zitiert: beispielsweise die Ameisen, die nach Australien reisen wollten, aber dort halt nie ankamen, weil ihnen in Altona die Beine weh taten – oder an das Reh im Park, das nach einem Stips aus Gips ist und natürlich an den Seemann Kuttel Daddeldu, der schon von so vielen Schmunzelbarden erbarmungslos zur Humorfigur verhunzt wurde.

Ringelnatz für den bunten Nachmittag – dazu ein bisschen Akkordeon und man hat Ringelnatz ohne Koffein – leicht bekömmlich. Mir war aber so, dass der Mann ganz andere Potenziale hat.

Und digital kann man ihn ja sezieren. Beispielsweise mit der so genannten Volltextsuche. Man gibt ein Stichwort ein um zunächst mal oberflächlich zu prüfen, welche Themen er denn so bedichtet hat.

Ein kleines Ranking:
10 Blumen
16 Höllen
86 Abschiede
169 Lachen
288 Gott
und
306 Liebe

Aber wo die Liebe überall vorkommt, wird dann interessant – wenn er die eifersüchtige Frau zu Hause beruhigen muss, versichert er sie natürlich der Liebe, doch auch die liebe Kollegin wird angeredet oder im Gedicht "Jung sterben" die Liebe als einzige wahre Erinnerung gefeiert.

Man bekommt Lust auf Assoziationsspiele, kann einen Begriff in immer neuen Zusammenhängen erkunden und lernt den eher hintergründigen Dichter kennen, der findet, dass die kleinste Welt die größte ist. Aber nicht im biedermeierlichen Sinne, sondern als melancholischer Realist.

Für Schüler und Studenten ist das System die reinste Fundgrube. Es ist einfach zu installieren –sogar ohne die beigegebene Anleitung. Auf der rechten Seite des Bildschirmes ist der Text, wie bei einer Buchseite, auf der linken Bildschirmseite wird mir immer angezeigt, wo ich mich gerade im Werk befinde. Bei der Volltextsuche nach Begriffen werden mir zum Beispiel bei dem Begriff Liebe oder anderen gesuchten Begriffen folgendes angezeigt: Seite in der digitalen Bibliothek, wenn ich das ganze mal wieder finden will, Autor – klar Ringelnatz – wo im Werk der Begriff genau auftaucht.

Auf der rechten Seite sehe ich auch noch zusätzlich, in welchem Band, auf welcher Seite der gedruckten Ausgabe das Gedicht beispielsweise zu finden ist.

Ich kann weiterhin nur die Abbildungen aus dem Buch aufrufen. Die erscheinen dann links in kleiner Form immer hintereinander wie auf einer Filmrolle – gehe ich mit einem Klick der linken Mousetaste drauf, erscheinen die Abbildungen vergrößert auf der rechten Seite des Bildschirmes.

Sie können zwischen den Anmerkungen, den Gedichten, der Prosa leicht wechseln, das ewige Blättern entfällt. Alles wunderbar praktisch und mit dem Laptop überall möglich – sogar im bequemen Sessel, die Beine hochgelegt – gar nicht ungemütlich und gänzlich technisch.

Und wenn ich dann noch Lust habe, das eine oder andere Gedicht zu verschicken, dann kopiere ich es einfach in ein Dokument und schicke es als Wink mit dem Zaunpfahl oder einfach als nachdenklichen Gruß – um auch anderen Lust auf diese Art der Lektüre zu machen..

Und für 25,95 Euro haben Sie den gesamten Ringelnatz auf der dünnen silbernen Scheibe.

Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk
CD-ROM, Die digitale Bibliothek, 2005
25.95 Euro
Systemvoraussetzungen: Windows 95, Windows 98, Windows ME, Windows 2000, Windows NT, Windows XP, MacOS X