Bunte Schau in Rokoko-Kostümen

Von Martin Burkert |
Von der Thronbesteigung im Jahr 1774 bis zum Tod unter der Guillotine: „Marie Antoinette“ schildert die Geschichte der Königin. Mit bunten Rokoko-Kostümen, einer halb-historischen Geschichte und stimmsichereren Sängerinnen und Sängern haben der deutsche Autor Michael Kunze und der aus Ungarn stammende Komponist Sylvester Levay den Stoff als erfolgreiches Musical auf die Bühne gebracht.
Mit „Marie Antoinette“ sucht und findet Bremen wieder Anschluss an die Musical-Szene. Mit vielen, vielen bunten Rokoko-Kostümen, einer halb-historischen Geschichte und stimmsicheren Sängerinnen und Sängern feiert das in Japan entstandene Musical eine erfolgreiche Europapremiere.

Der deutsche Autor Michael Kunze und der aus Ungarn stammende Komponist Sylvester Levay verfolgen etwa 18 Jahre aus der Geschichte von Marie Antoinette. Das 15. Kind der österreichischen Kaiserin Maria Theresia heiratete mit 14 Jahren den Thronfolger von Frankreich und wurde 1774, mit 18, zur Königin gekrönt.

Das Stück beginnt ein Jahr nach dieser Thronbesteigung und endet mit ihrem Tod unter der Guillotine. Marie Antoinette ist zunächst rasend vergnügungs- und verschwendungssüchtig. „Langweilen will ich mich nicht“ heißt der dazu passende Song.

Eine leidenschaftliche und zum Scheitern verurteilte Liebesaffäre mit einem schwedischen Diplomaten ändert ihre Haltung. Sie besinnt sich auf Kinder und Familie. Dann rollt die Geschichte über sie hinweg. Das Todesurteil erfolgt nach falschen Behauptungen. Im Bewusstsein ihrer Unschuld geht sie aufrechten Ganges aufs Schafott. Das tragische Ende wird aufgehoben durch einen hoffnungsvollen Song über die Liebe und Wiedersehen in einer unbekannten Welt.

Verwoben mit der historischen Figur wird die erfundene Geschichte von Margrid Arnaud, einer bettelarmen Blumenverkäuferin. Sie lernt zu Beginn Marie Antoinette als arrogante Adlige kennen. Das junge Mädchen schließt sich den Revolutionären an. Von denen wird sie als Zofe zu Marie Antoinette eingeschleust. Dabei lernt sie die Königin und deren Kinder menschlich schätzen. Als Marie Antoinette unter das Fallbeil muss, ist Margrid die einzige, die nicht jubelt und nach Blut ruft. Da gibt es den Punkt, an dem die beiden Frauen sich auf gleicher Ebene begegnen. Da menschelt es kräftig.

Die Parallelgeschichte von Marie Antoinette und Margrid Arnaud ist ein dramaturgisch geschicktes Mittel um einen Spannungsbogen in die Geschichtsrevue zu bekommen. Autor Michael Kunze hat sie dem gleichnamigen japanischen Roman von Shusaku Endo nachempfunden. In dessen Vorlage treffen sich die beiden Frauen allerdings nie, im Musical schaffen gerade diese Begegnungen Platz für Emotionen: Wut über adlige Ungerechtigkeit und Willkür, Trauer über eine Revolution, die ihre Kinder frisst und Mitleid mit den Opfern.

Die Musik folgt dem üblichen schlager- und balladenhaften Musical-Sound. Ein bisschen rockig wird es, wenn es ins Bordell geht, etwas marschrevolutionär klingt es bei der Erstürmung von Versailles.

Musikalisch und schauspielerisch präsentiert sich das Ensemble in guter Verfassung. Roberta Valentini in der Titelrolle wechselt mit Grazie von einem bunten Kostüm zum nächsten, singt und spielt klar. Kraftvoller, gesangsstärker und facettenreicher präsentiert sich Sabrina Weckerlin als Margrid Arnaud. Sie wird zur Zentralfigur des Abends.

Die Weltpremiere des Musicals fand im November 2006 in Tokio statt. Regie führte der japanische Regisseur Tamiya Kuriyama. Der wurde nun auch nach Bremen geholt. Seine Einrichtung wirkt wenig japanisch. Anklänge ans No-Theater oder Kabuki, in denen oft meditativ, mit schmalen Bewegungen gearbeitet wird, sind nur wenige zu erkennen.

Die Choreografien allerdings sind deutlich zarter, mit weniger Dauerdampf zelebriert als im amerikanisch geprägten Genre. Das entspricht dem historischen Stoff und seinem Interieur. Rokoko-Kostüme und Maskenbälle bieten sich an für kleinere Gesten, Spielereien mit Taschentüchern, Fächern oder schwingenden Reifröcken. Das Ensemble imponiert und schafft eine unterhaltsame, bunte Schau.