Bundeswehrgeneral: Lage im Kosovo "absolut ruhig"

Moderation: Birgit Kolkmann · 16.02.2008
Der Leiter des deutschen Einsatzkontingents der KFOR im Kosovo, Brigadegeneral Robert Bund, hat die Lage in der Region als "absolut ruhig" bezeichnet. Auch vor den Unabhängigkeitsfeiern des Kosovo gebe es "keine Spannungen irgendwelcher Art", sagte der Bundeswehrgeneral im Deutschlandradio Kultur.
Birgit Kolkmann: Herr General, die Kosovo-Albaner wollen feiern, und Belgrad droht mit Sanktionen, will eventuell sogar den Strom abschalten, und viele Kosovo-Serben fürchten sich. Wie haben sich denn die Bundeswehrsoldaten auf den morgigen Tag vorbereitet?

Robert Bund: Wir haben uns eigentlich nicht besonders vorbereitet, weil wir die gesamte Zeit, seit wir im Einsatz sind, sehr kontinuierlich unseren Auftrag versuchen durchzuführen. Der Auftrag hat sich nicht verändert. Der Auftrag ist nach wie vor, für ein sicheres Umfeld zu sorgen und für freie Beweglichkeit aller Ethnien, und da hat sich für uns auch in der aktuellen Situation absolut nichts geändert.

Kolkmann: Nun werden ja im Kosovo große Feiern vorbereitet. Die Serben natürlich fürchten sich, dass möglicherweise etwas passieren könnte. Wie schätzen Sie die Stimmung ein im Kosovo?

Bund: Ich kann natürlich jetzt nur für den Südbereich sprechen, in dem meine Soldaten in der Masse eingesetzt sind. Und wenn ich den Südbereich betrachte, dann ist die Lage hier in der Bevölkerung absolut ruhig. Die Menschen hier sind so, wie die gesamte Zeit in der Vergangenheit auch schon, fröhlich, sie sind ausgelassen. Natürlich schauen die Kosovo-Albaner gespannt jetzt auf die nächsten Tage, auf die zu erwartende politische Entwicklung. Aber es sind keine Spannungen in irgendwelcher Art feststellbar.

Kolkmann: Wie groß sind denn derzeit die Spannungen zwischen den Volksgruppen gewesen, vor allen Dingen während der Unabhängigkeitsverhandlungen? Gab es da doch Situationen, die schnell hätten explodieren können?

Bund: Soweit ich das über meine Soldaten bewerten kann, ist mir keine einzige Situation bekannt, die irgendwie ein größeres Potenzial für eine Eskalation gehabt hätte.

Kolkmann: Wie wäre es, wenn es keine KFOR-Soldaten im Kosovo gäbe?

Bund: Das ist eine ganz interessante Frage. Denn das ist sicher, dass die Menschen hier KFOR vertrauen, das kann man, glaube ich, ganz unumwunden und ohne Eingrenzungen sagen. KFOR ist für die Menschen im Kosovo, und das gilt sicher für alle Ethnien, der Stabilitätsfaktor schlechthin.

Kolkmann: Macht diese multinationale Truppe im Prinzip den Menschen vor, wie ein Zusammenwirken funktionieren kann?

Bund: Wenn man die Multinationalität mit den weit über 30 Nationen als Basis ansieht, mit Sicherheit. Und es ist auch so, dass die Menschen hier in vielen Bereichen das Zusammenleben ja auch schon üben. Und wenn ich hier gerade in Prizren sehe, wie Moslems und Katholiken hier gemeinsam feiern, finde ich das ganz beachtenswert.

Kolkmann: Die EU-Außenminister wollen ja nun "Eulex" entsenden, eine Truppe von knapp 2.000 Polizisten, Richtern, Staatsanwälten, Zöllnern und Justizvollzugsbeamten. Die werden dann ja nicht nur zuschauen und ausbilden, die werden auch aktiv werden, Recht sprechen, Gefangene bewachen und auf Streife gehen. Haben Sie dann möglicherweise weniger zu tun?

Bund: Ich gehe mal davon aus, das ist eigentlich das Ziel jedes Einsatzes, wenn Soldaten eingesetzt werden, dass irgendwann eine Phase kommt, wo unsere Aktivitäten zurückgefahren werden können und zurückgefahren werden müssen und die zivile Seite dann immer mehr Verantwortung übernimmt. Das ist eigentlich für uns ein ganz normaler Prozess.

Kolkmann: Was glauben Sie, wann Ihre Arbeit wirklich unverzichtbar werden wird? Vor allen Dingen sind Sie ja auch im Bereich des Wiederaufbaus und in der Infrastruktur tätig, da ist doch sicher noch eine Menge zu tun. Was glauben Sie, wie lange müssen Sie noch bleiben?

Bund: Das ist eine gute Frage bezüglich der Verweildauer von KFOR-Soldaten oder auch von deutschen Soldaten. Die grundsätzliche Antwort lautet, solange wir hier gebraucht werden, sind wir auch bereit, hier unseren Auftrag zu erfüllen. Wie lange das dann im Konkreten sich in die Zukunft hinein erstrecken wird, ist schwer zu sagen. Hierzu kann ich nur immer wieder sagen, wir werden sicher noch einen langen Atem brauchen.

Kolkmann: Wie lange dauert es, was glauben Sie, bis Kosovo ganz aus eigener Kraft existieren kann, dass nicht nur die militärische Absicherung notwendig ist, sondern auch die zivile Unterstützung?

Bund: Wenn man die Geschichte des Landes anschaut und die wirtschaftliche Grundlage, dann war das Kosovo schon immer mit die ärmste Region auf dem gesamten europäischen Kontinent. Und wenn man sich dann im Vergleich anschaut, welche Anstrengungen wir in Deutschland unternehmen und unternommen haben, nachdem wir vereinigt waren, und wir haben jetzt 17 Jahre hinter uns, und ich glaube, wir können heute sagen, wir haben immer noch nicht eine absolute Gleichheit in beiden Teilen Deutschlands, dann kann man daraus vielleicht schlussfolgern, wie lange das hier im Kosovo dauern kann.

Kolkmann: Das ist eine Arbeit von mehreren Generationen, das höre ich da raus. Haben Sie die Hoffnung, dass der serbisch-albanische Konflikt irgendwann befriedet werden kann, oder sitzt das zu tief über Jahrhunderte, um in naher Zukunft vergessen zu werden?

Bund: Das wäre jetzt natürlich interessant, darüber zu resümieren und zu diskutieren, was nahe Zukunft bedeutet. Die Frage ist sicher eine entscheidende, wie man sich zukünftig positioniert. Und ich glaube, auch hier kann man aus Deutschland heraus einen guten Vergleich ziehen. Denn wenn man das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich betrachtet, gab es ja auch über Jahrhunderte eigentlich ununterbrochen Auseinandersetzungen. Und erst als man registriert hat, dass das Zurückschauen und die Politik in der Retrospektive, auf dieses Zurückschauen aufzubauen, nicht in die Zukunft führt, hat man eigentlich einen Schnitt gemacht und dann nur noch positiv nach vorne gesehen. Und das ist das, was man hier auch sicher noch als Erfahrung dann anwenden muss, und dann, glaube ich, hat diese Region eine sehr positive Zukunft.

Kolkmann: Meint der Kommandeur des deutschen Bundeswehrkontingents im Kosovo, Brigadegeneral Robert Bund. Ich bedanke mich für das Gespräch!

Bund: Frau Kolkmann, vielen Dank!